Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

wäre eine dankenswerte Aufgabe für einen jungen Künstler. An 
onstigen Wandmalereien sind mir solche in AUerlebensgröße in 
den Kirchen zu Kirchhain und Neubirchen bei Siegenhain und in 
der Altstädter Kirche zu Eschwege bebannt. 
Eine einfache Slizze (siehe Abb.) nach Aufnahme des schon 
genannten Baurates Hoffmann weist uns auf ehedem in der Kirche 
zu Werkel im Kreise Fritzlar vorhanden gewesene Malereien. 
Diese Kirche ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Von einem 
befestigten Kirchhof mit einem großen Spitzbogentor und ehemals 
vorhanden gewesenen Vorratshäusern umgeben, erhebt sich der alte 
1508 erbaute Kirchturm mit einem das Mauerwerk in der Höhe 
rineinhalbfach ũbertreffenden spitßzen Helm mit vier Ecktürmchen. 
Leider hat sich der Turmhelm infolge eines Konstrubtionsfehlers 
tart verzogen. Der Sage nach soll der Simmermeister, der ihn 
aufrichtete, sich das Leben genommen haben aus Arger über das 
»erunglückte Werk, zumal es seinem Gesellen gelungen war, in 
dem OErte Grifte den gleichen Helm fehlerlos auf den Kirchturm 
zu seßen. An den Turm lehnt sich ein 1708 neu 
ꝛrbautes Schiff. Der Turm zeigt in jeinem Anter⸗ 
au, der den Chor der alten Kirche bildete, große 
Ahnlichbeit mit dem Kirchturm zu Besse. Hier 
vie dort ist ũüber einem spitzbogigen Eingang mit 
sich überkreuzenden Gewändstäben unter einem 
Aleineren Traufgesims die Jahres zahl der Erbauung 
angebracht, hier wie dort ist seitlich des Eingangs 
zine große Tafel eingemauert, die plastisch die 
Kreuzigung des Heilandes zeigt. 
Im Innern des Chors oder Altarraums 
efanden sich Malereien, so an der Ostwand 
Lhristus am Kreuz mit den seitlich stehenden 
Figuren der Maria und des Johannes, weiterhin 
Paulus und Petrus zu den Seiten der Kreuzigungs⸗ 
gruppe und unter dieser die Bilder des Bartho— 
omãus und Johannes. Als die Baudenkmäler 
des Kreises Fritzlar in einem Band heraus— 
zegeben wurden, waren die Wandmalereien 
zereits verschwunden bis auf den Namen SI. 
SBARTHOLOMXUS. Aber der genannte Baurat 
Hoffmann Lbonnte die Figur dieses Jüngers noch 
ehen und zeichnen. Er gibt die Größe auf vier 
rfuß an, die Farben für Gesicht, Hände und 
Béeine als fleischfarben, für das Buch als gelb, 
ür die Schuhe als braun an. Der Tracht nach 
zönnte man diesen Jünger Jesu nicht für einen 
Heiligen, jondern für einen Keformator halten. 
DHie Malerei zeigt die Figur in der Gelehrten- 
racht des Anfangs des 16. Jahrhunderts, langem Kaftan und 
Sarett, wie sie noch heute mit geringen Abäãnderungen im Schnitt 
»on den Geistlichen, Richtern und Universitätsprofessoren ge— 
ragen wird. Insofern ist unser kurz nach Fertigstellung des Turmes, 
der 1508 begonnen wurde, auf die Wand gemalte Heilige eine von 
den üblichen Heiligenbildern ganz erheblich abweichende Form. 
Den Maler des großen Wandgemäldes festzustellen, dürfte 
mangels archivalischer Quellen nicht gelingen. 
Andere bemerbenswerte Malereien befinden sich am Gestühl 
der Kirche, sie bestehen aus barocken großen Ranben, wie sie auch 
n — und noch einigen Kirchen des Kreises Fritzlar zu 
inden sind. 
Sur Heimatkunde der Stadt 
Homberg a.d. Ejze. 
Von Dr. Wilhelm Schmitt-Blanbkenese. 
Immer wieder beblagen alle, die Freunde der Geschichte 
Hombergs sind, daß wir über ihre Seit vor dem Dreißigjährigen 
Kriege so wenig nur wissen. In den zahllosen Nöten, von denen 
ie heimgesucht wurde und von denen uns die hejssischen Chronisten 
herichten, sind die Seugnisse, Papier und Stein, aus denen wir 
rermitteln könnten, wie es einst gewesen, zugrunde gegangen — 
ein oft bedauerter Verlust. Nur einer unermũdlichen, liebebejchwingten 
Sammlertätigkeit wird es möglich sein, die uns bei Wigandus Lauze, 
Dilich, Winbelmann, Landau und den neueren Darstellern, Heinlein 
uind Desper, gebotenen Susammenfassungen zu ergänzen und zu 
ertiefen. DViele bleine Nachrichten bringen die Jahrgänge der 
»ebannten Seitschrift „Hessenland“ und der Seitjschrift des rührigen 
Dereins für hessische Geschichte und Landesbunde, sowie dessen 
Mitteilungen an jeine Mitglieder. Dieser Schreibtischarbeit muß 
ich zugesellen ein Durchstreifen und Durchstöbern der Stadt bis 
ns entlegenste Winkelchen hinein, und der „Fleiß, den keine Mühe 
oleichet“. wird durch manches Fündlein belohnt werden. 
Im folgenden wird einiges zusammengestellt, was Schreiber 
ieser Seilen bei Spaziergängen durch seine Vaterstadt erschaute 
ind sammelte. Es geschieht in dem Bewußtjein, beinen Anspruch 
uf Vollständigkeit erheben zu dürfen, aber doch in der UÜber- 
eugung, vielen Heimatfreunden einen Dienst zu erweisen. 
Das stattlichste Bauwerk Hombergs ist die Liebfrauenkirche 
amitten der Altstadt über dem Marbkbtplatz, dessen einzigartige Nord- 
mrahmung jedes Schönheit empfindende Auge entzückt und für 
essjen Erhaltung die Bürger beine Kosten sparen sollten. Eine 
Zeschreibung des Gotteshauses hinsichtlich jeiner Bauordnung bringt 
a gedängter Kürze Band Ul der Schneiderschen Wanderbücher 
ElwertMarburg) in der 83. Auflage S. 148/149, der in allen 
Zuchhandlungen einzusehen und zu baufen ist. Wann mit dem 
S8au begonnen wurde, ist nicht bekannt. Man wird nicht fehlgehen, 
venn man den Anfang in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts 
erlegt. Siehen wir die Kirchen anderer hessischer Städte, deren 
ßeschichte mit der Hombergs große Gemeinsambeiten hat, vergleichs⸗ 
weise heran, so erhält diese Vermutung ihre 
Stütze. Ein Durchblättern schon des prächtigen 
Heßlerschen Sammelwerkbes belehrt uns, daß sie 
in großer Sahl den ersten 50 Jahren des 14. 
Jahrhunderts zuzuweisen sind. In Hessen, einem 
tark ausgeprägten Übergangsland, das mit seinen 
erühmten Straßen, den „burzen“ und „langen 
Hesjen“, gleich Westfalen vom Rhein zur Weser 
ührte, begegnen wir dem Lande eignen Bauten 
eest in dem Augenblick, da es zu eigenem politischen 
Leben erwacht. Die Elijsabethbirche ist dieser erste 
Bau. Marburg lag jenseits der Ostgrenze des 
heinijchen Einflusses, stand aber im Banne west- 
ãlischer Nachbarschaft, wo der romanische Stil zäh 
estgehalten wurde und langsam sich die westfälische 
HallenLirche herausbildete. In Marburg ver— 
chmolz die Hallenkirche mit der Gotik zu einem 
Verle aus einem Guß. Elijabeths Kirche (be— 
jonnen 1235) hat die anderen hessischen Kirchen 
destimmend beeinflußt. Ganz in ihrem Banne 
teht vor allem die Frankenberger Kirche, die 
als Konburrenzkirche gegen Marburg begonnen 
wurde, 1286. Ungleich nüchterner und bürger⸗ 
licher sind die Gotteshäuser anderer Städte. Hin- 
ichtlich der Bauzeiten führe ich zum Vergleiche 
nit unserer Stadtklirche folgende Sahlen an: 
Turm der Wolfhagener Kirche 1802 begonnen, 
vollendet 1420, Grundlegung der Casseler Martins⸗ 
kirche zwischen 1340 und 1350 durch Landgraf 
deinrich II. (Eijerne), Lichtenau 14. —e—— ebensjo Neu⸗ 
irchen, Treysa 1350, Eschwege St. Katharina 1334 und Pfarr- 
ieche 1340, Hersfeld Stadtkirche 1210 -1323, und 1368 erhält nach 
Kommels Hessischer Gesch. II. Anm. S. 116 Landgraf Heinrich II. 
ie päpstliche Ermächtigung zur Erbauung einer Karmeliterkirche 
u Kirchhain. Es ist wohl anzunehmen, daß dieser Fürst, der von 
328 1317 die Landgrafschaft behereschte und für Hombergs Ent- 
oicklung durch die Anlage der „Freiheit“ große Bedeutung hat, 
nicht ohne Einfluß auf die Inangriffnahme unserer Liebfrauenkirche 
ewesen ist. Jedenfalls fällt in seine RKegierungszeit der Beginn 
es mächtigen, nach Westen gerichteten Turmes. Genaueres erfahren 
vir aus einem Stein, der rechts vom Beschauer zur Seite des 
eichverzierten Portals, abgebildet bei Vesper S. 59, der Mauer 
ingefügt ist und in gotischen Buchstabenformen folgende Inschrift 
rãat: inno d(omi)hni mcilesim)o CCCLXX 
quarto fe)ia ter) cia an 
e festuim) pem) thecost(es) 
)cepta est hec turrcis) 
bp(er) henricuim) de hesero 
de md(agist)riu)m fabrice 
— im Jahre des Herrn 1314 am Dienstag (16. Mai) vor dem 
fingstfeste ist begonnen worden dieser Turm durch Heinrich von 
deserode den Fabrikmagister. 
Der Stein ist hier und da beschädigt, doch ist die Lesbarbeit 
er Schrift nicht gestört; nur scheint es mir, als ob auch über dem 
weiten „e“ in Heserode ein Strich gewesen sei und dann wäre 
n „Hesjenrode“ aufzulssen. Magister fabricae habe ich absichtlich in 
er verwelschten Form wiedergegeben, um einen Irrtum zu ver— 
neiden, dem fast alle Homberger Geschichtsschreiber zum Opfer 
efallen sind. Sie alle haben in Heinrich von Heserode den Bau— 
neister des Turmes zu sinden geglaubt. Der Marburger Archip- 
irektor Dr. Friedrich Küch macht in seinen Beiträgen zur Geschichte 
es Landgrafen Heinrichs II. von Hessen, die er in der Seitschrift 
es Ver. f. hess. Gesch. u. Landeskunde, von mir im folgenden mit
	        
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