Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

eimat · Schollen 
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Slätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatbkunst 
Nr. 7 10231nun ge meisz bis gun weaitgreg unegelmadign Iedherg Ighragnge lonnen, 3. Jahrgang 
Die Königin 0 
An einem Septemberabend fand Hans, als er nach 
Seendigung seiner Tagesarbeit nach Hause bam, einen Brief 
»or. Das Blut stieg ihm ins Gesicht, und das Herz blopfte 
hm, als er die Schrift erkannte. Aus Thüringen? Sie 
hatte gejchrieben! Also doch noch geschrieben, nachdem sie 
eine beiden Briefe burz nach seiner Anbunft unbeantwortet 
gelassen hattel Er sah, wie der Brief in seiner Hand zitterte. 
Er liebte sie aljo noch?. . .. Und Gertraude? .... Der 
Hedanke quälte ihn. Er riß den Umschlag auf und überflog 
die Seilen ... Dann ging er hastig die Stube auf und ab, 
sieß sich auf einen Stuhl nieder und stützte die Stirn in die 
Hand, sprang wieder auf und wanderte ruhelos hin und her. 
Dazwischen ergriff er wieder das Blatt, las es noch einmal 
durch und warf es wieder hin. Er liebte sie noch, es war 
rein Sweifel! Er hatte es jelbst nicht mehr geglaubt. Wenn 
er manchmal daran gedacht, hatte es wohl noch ein bißchen 
weh getan, aber er hatte gemeint, das sei nur beleidigter 
Stolz; nun aber, wo neue Hoffnung war, fühlte er, daß 
die alte Liebe noch lebte. .. And Gertraude?... Er 
juchte sich kElar zu werden über seine Gefühle. Kein Swoeifel, 
ꝛr liebte sie auch, aber wie ganz anders als vorherl Nun 
schien sie plötzlich in weite Ferne gerückt; nun fühlte er, 
venn er an sie dachte, jenes leise Schmerzen wie vorher bei 
der anderen! Hoffnung und Bedauern waren vertauscht. 
WVie das so schnell gekommen war! Mber was sollte er 
iun? ... Aus dem Brief sahen ihn weinende NAugen an, 
ach, so deutlich, so deutlich! Aber jetzt weinten sie nicht 
mehr wie vor einem halben Jahr wegen der Härte des 
Daters. Der Vater war plötzlich gestorben und hatte Frau 
und Tochter in völliger Hilflosigkeit gegenüber den nächsten, 
alltäglichsten Dingen zurückgelassen. Hans kbannte ihn zu 
adut Er wußto. daß der Dater seine Familie nicht in seine 
VDon Goorg Ploch. een 
Heschäfte blicken ließ, daß er alle Sorge auf sich nahm, um 
ie von ihnen fernzuhalten. Das Geschäft ging flott, er galt 
ür einen reichen Mann. Und nun war er tot, und seine 
iebe zu seiner Familie, und sein Mißtrauen gegen seine 
Angestellten hatten bewirkt, daß niemand Bescheid wußte. 
Aber als ihn der Tod unerwartet bedrängte, da war ihm 
ngst geworden um seine Familie. Er hatte sich des Ein— 
igen erinnert, zu dem er Voertrauen gehabt hatte, bevor er 
hn aus dem Hause jagte, und sterbend überwand er seinen 
5folz und gab seinen Segen zu dem, was er in gesunden 
Tagen nie und nimmer gebilligt hätte. .. Der Brief war 
in einziger Hilfeschreil Der Verschmähte, Verstoßene sollte 
icht nur verzeihen, er sollte trösten, er sollte helsen. Wie 
onnte er auf den Ruf nicht hören! Er entschuldigte sich 
or seinem Gewijssen damit, daß er nicht seinem Herzen 
olge, sondern dem Gebot der Pflicht. Aber nein, er mußte 
ich eingestehen, daß das Herz ihn nicht minder trieb. Doch 
ier in der Nähe war auch Liebe! ... Ja, aber Liebe und 
escheidene Engel NAus der Ferne hingegen winkten ihm 
diebe und Hoffnung, Arbeit und Ansehen! Wie bonnte er 
audernl ... Mußte er sich Vorwürfe machen, wenn er an 
Zertraude dachte? Er haͤtte sie aufrichtig geliebt, in allen 
fhren und mit der festen Absicht, sie später zu seiner Frau 
u machen, und nun wollte es das Schicksal, daß ältere 
Kechte geltend gemacht wurden, Rechte an sein Herz und 
eine Arbeit, die er nicht mehr für möglich gehalten hatte. 
Var das seine Schuld? Aber warum beruhigten ihn diese 
Hründe nicht, die doch so einleuchtend waren, warum dachte 
r mit solcher Herzensangst an die Auseinandersetzung mit 
Hertraude? Er mußte es ihr doch sagen, gleich heute abend 
ch, denn morgen mußte er fahren! Gab es eine andere 
Msͤglichbeit? Sollte er Gertraude zuliebe die andern in
	        
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