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Blätter zur Pflege hessischer Art, Geschichte und Heimatkunst
J Die Heimat:Schollen werden den Kreisblättern in Homberg, Melsungen, Kotenburg und Siegenhain J 7
Nr. 3/ 1021 ⏑ 6663 I. Jahrgang
Die Enkeltochter der Hex 0 Von Joh. H. Schwalm.
Erzählung aus dem Schwalmtal.
1. Kapitel.
Durch die halb erblindeten sechseckigen Fensterscheiben
sielen die Strahlen der Mittagssonne eines linden Frühlings-
tages.
Sie umfluteten den reichen Schmitthenner in Wiesenbach,
der durch den geöffneten Fensterschobi) hinaus ins Freie
starrte, auf den Hof, wo die Spatzen ihr zwillch — zwillch
— zwillch hören ließen.
Die beiden Ellenbogen hatte der Bauer aufs Fenster—
brett gestemmt, und seine rauhen Arbeitsfinger wühlten in
dem buschigen Haupthaar, das schon einhalb Dutzend Jahre
die Kümmel- und Salzfarbe aufwies.
Diese Stellung da so am Fenster, die nahm der Bauer
allemal dann ein, wenn's in seinem Innern stürmte und
eumorte.
And das kat's heute gewaltig.
Don Seit zu Seit wandte er sich halb um und richtete
einige bnaffige?) Worte an seinen Sohn, der bedäppert?)
hinter ihm stand.
„All' — du freist! Ein Weibsmensch müssen wir ins
Haus haben. Guck dich in der Stube um. Seit sie deine
Mutter hinaustrugen — da hinten hinaus unter die großen
Fichten — ist noch net wieder 'mal richtig gefegt und geputzt
worden. Die Sonn' kbann sich kaum noch durch die Fenster⸗
scheiben gäregeln9.“
„Das will ich ja auch, Vater. Nehmt's net krumm —
ich kann aber doch net eine jede nehmen. Ihr müßt mir
Seit lassen.“ So antwortete sehr bleinlaut Helwig Schmitt-
henner, der Sohn, darauf.
Phe b do Io. der zum NAuf- und Zuschieben eingerichtet war— 2) bissige
„Jede. — Das brauchst du net, das sollst du net, nein,“
heschwichtigte der Alte, indem er stolz die Worte betonte,
„da ist d's Lies', d's Marth, d's Deringꝰ), d's Els, d's
Barw), d's Worleng)), beim einzigen Jungen vom reichen
Schmitthenner spricht bLeine nein. Ja, ja, da fehlt nichts.“
„Ja, ja“, sagte auch Helwig und bratzte sich sehr verlegen
inter dem rechten Ohr, „ich hätt schon eine, und heut noch
ollt Ihr's wissen — die Ann.“
„Die Ann! — —.“ Der alte Schmitthenner trat plötzlich
»om Fenster zurück und stand bolzensteack vor seinem Sohne,
den er um einen halben Kopf überragte. „Da wird nichts
raus. Das schlag in slden Wind. — Du machst wohl
Spouze ꝰ) mit mir?“
„Es ist bein Jux, nein, mein heiliger Ernst“, verdeffendierteꝰ)
siich Helwig. „Was habt Ihr denn an dem Wädchen zu
mnäbeln!o)J Es ist duse!i), fleißig, liebreich, hübsch. Wir
haben uns gern. Bloß Geld — Geld, das hat's nicht.“
Der Alte hatte sich wieder dem Fenster zugewendet.
An seinen Schläfen schwollen zwei hin- und hergebrümmte
Adern langsam an. „Halts Maul! — — Deine Mutter
at einen schweren Fehler an dir begangen, sie hat dich
erbäbbelt!), und nun hab ich die Bescherung. Glaub
iber net, daß ich mir das gefallen laß. Was ich gegen
as Mädchen hab? Das Mädchen von d'r Annemarth,
»on d'r Hex! Nichts — garnichts.“ Er lachte höhnisch.
„Aber auf meinen Hof bommt die net, so lang mir noch die
Augen aufstehn net — und sollt ich noch 'mal selber freien.“
Das war ein schwerer Trumpf, den er da gegen seinen
Sohn ausspielle, und der alte Schmitthenner hatte den
6) Trine, Katharina. 9) Barbara. 7) Maria Helene. 8) Spässe. 9) verantwortete.
o) auszusetzen. 11) sanft. 2) peraärtelt, berwöhnt