Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

zu. schenken gedenkt und das denselben Dienst zu leisten ganz 
besonders berufen ist. 
Gehen wir nun die unserem Swecke dienenden Wörter, die 
entweder aus der hochdeutschen Sprache vorschwunden 
sind und nur noch in der Mundart ein Asyl behalten oder 
in letzterer einen besonderen Sinn angenommen haben, 
nach der Keihenfolge des Alphabets durch. 
Ich wiederhole hier noch einmal und ganz besonders herzlich 
die Bitte, daß, wenn jemand beim Lesen der nachstehenden Rus? 
drücke solche einfallen, die die Sammlung ergänzen, daß er dann 
so lieb ist, mir diese auf einer Postbarke mitzuteilen. Adresse: 
Kreisschulrat Schwalhm, Obergrenzebach bei Siegenhain. Diese 
Sitte xichte ich nicht nur an die Bewohner der Schwaim, sondern 
sie gilt aIhen treuen Hessenleuten in gleichem Maße. Es ist die 
11. Stundel Manches kböstliche Sprachgut isjt rettungslos verloren 
wenn es nicht noch jetzt gesammelt wird. Portoauslagen usw 
werde ich gern ersetzen. (Dergleiche auch hierzu ganz besonders die 
vorstehenden trefflichen Ausführungen öes Heren Pros. Prede) 
* walm 
aale Härr, der, alte Herr, der Auszüger; Gunge Härr, der). 
aale Leit, die, alten Seute, die Auszũgersleute. 
aale Haus, das, alte Haus, das Auszugshaus, zum Anterschied vom 
jüunge Haus, jungen Haus, Haus, worin der gegenwärtige 
Besitzer wohni. 
Neu: meng haler, menge Aale (seltenl), Vater, Mutter. Spaßhafter 
Weije sagt wohl der Bauer: menge Ahal, meine Alte, und die 
Bäuecrin: inse Aaler, unser Alter. 
daler! Alter! (Schimpfname der Kindersprache.) 
aaler Shlapphl alter Schlappchl! (Schimpfname, siehe Kreiz- 
schwerneng S. 81.) 
Sprichwörter: D's Aaler gett vero - bann m'irsch die Treppe nab- 
worft ( Das Alter geht voran. wenn man's die Treppe hinabwirft). 
Die Aale seng immer die Allste ( Die Alten sind immer die 
Altesten, haben die meiste Erfahrung). 
dank, die, die unter dem Hinterkopf liegende Halspartie, das Genick 
Kedensart: sch schlo dich en die Aank (S ich schlage dich in dic 
Anbe, ins Genick). 
Mét Ache on Krache (S mit Achen und Krachen, mit bnapper Not) 
acheln, essen, hebräisch achilen. 
Ackermannche, das, Ackermännchen, die Bachstelze. Kinderreim 
Ackermannche, acker dèr on meér eé Betiche ( Acbermännchen 
acker dir und mir ein Beetchen). 
Acte lèwwern, dumme Streiche liefern, ausführen. 
Add, Abkürzung für Anna Katharina. Schimpfreim: Add bobadd 
Abch, Eppich, der, Efeu. 
Acker, die, die Buchecker. Humoristische Redensart: Alles höt zwo 
dSeckte (Seiten), die Buchäcker hörrer drei (— Alles hat zwei 
Seiten, die Buͤchecker hat ihrer drei). 
xdstõck, der, Erdstock, die Wurzel des Baumes. 
äffeln, necken. 
ihrefahl, erdenfahl, sehr blaß. 
xiw, die, Aue. 
xllez, der, J. die Elritze, ein bleiner Fisch unserer Bäche, 2. dürrer 
bleiner Mensch. 
Im. Ihm, gemeint ist immer der Hausherr! 
Ingste, pl. von Angst. Ha höt Angste (S Er hat Angst). 
xnn, Ahne, mittelho. agene, die Holzteile des Flachjes, die beim 
„Brechen“ in Form zentimeterlanger Stückchen abfaͤllen. 
Xrbore, der, Erdboden, die Erde. 
irdocht, erdacht, Lüge. 
xrduck, die Erddoche, Drainage. Vor ungefähr 50 Jahren kannte 
man nur das erste Wort. Man stellte die Xrduck mit Steinen 
her, mit denen man die Entwässerungsgräben zum ungefähr 
dritten Teil füllte, um sie dann mit Dornen und zületzt mit Erde 
zuzudecken. 
Auf der Heimatwarte. 
Dom Schwälmer Heimat-Theater. Am 2. Weihnachtstag 
veranstaltete der Gesangverein in Obergrenzebach einen Anter. 
haltungsabend, als dessen Höhepunkt die Aufführung des Volks- 
stückes „Kriegstrauung“ von Joh. H. Schwalm anzusehen ist. Das 
Stück, in Schwälmer Mundart geschrieben, wurde von Burschen 
und Mädchen in Schwälmer Tracht zur Nufführung gebracht. 
Es dürfte leicht in jede andere Mundart zu überfragen sein. 
In fünf burzen Aufzügen, die alle an demselben Ort spielen und 
eine Spieldauer von einer Stunde beanspruchen, werden BSilder 
aus dem Volkbsleben, bnapp, scharf umrissen und von einer unvber 
gleichlichen Lebenswahrheit, zu einer spannenden Handlung an— 
einandergefügt. Da ist Hans, der wackhere Knecht des Josteburs, 
in die einzige Tochter seines Heren „verschammeriert“ und sie in 
ihn, da ist der Dater, der seine Tochter Ann hart anläßt, der 
Freiersmann mit seinen Freiern, der ausbrechende Krieg mit seiner 
Not, der gänzlich umgewandelte Bur, das opferfreudige Spenden 
von Liebesgaben, die Not in den Städten, verkörpert durch einen 
Hamsterer und ein Ferienpatenkind, da ist die Verlustliste, die 
Hiobspost vom Heldentod des Hans, Anns ergreifendes Weh, der 
neue Freier und in letzter Stunde der Brief mit der Freudenbunde, 
daß Hans lebt, zuletzt die Depesche, daß er aus Gefangenschafi 
entwichen und in Treysa angekommen ist. Nun soll nächften 
Sonntag „Hössich“‘, Kriegstrauung sein. — Das ist in flüchtiger 
Andeutung der Inhalt des prächtigen Stückes. An jedem Abt. 
schluß wird die Spannung auf einen Höhepunkt erhoben. Und 
alles ist lebendiges Sprachgut, nicht eine einzige tote Phnase. KRede 
und Wechselrede sind knapp, fast einsilbig und wortkarg und treffen 
stets den Kern der Sache. Solche Stücke tun der Heimatbühne 
not. Der Eindruck auf die rund 500 Besucher war denn auch 
dank der guten Darstellung tief und überwältigend. Herzhaftes 
Lachen und teilnehmende Stille begleiteten die lustigen und ernsten 
VDorgänge auf der Bühne. Alle Darsteller boten ihr Bestes, als 
sei einem jeden seine Kolle auf den Leib geschrieben. Mienen. 
und Gebärdenspiel verrieten, was in Worten ungesagt blieb. Ganz 
vorzüglich spielten Ann, Hans, der Jostebur, Katt, der Freiers 
mann und die Freier. Allen Mitwirkenden muß hohes Lob gezollt 
werden. Ein Glanzpunbt unverfälschten Volbstums war die Spéel- 
stobb im ersten Aufzug. Es wäre zu wünschen, daß auch andere 
Oetschaften dergleichen gute Volkbs und Heimatstücke aufführten und 
den violfach vorbreifeten Thoatorkitsch vor die Tür foaten 88 
Der Homberger Wanderverein veranstaltet in den Winter— 
nonaten eine Vortragsreihe über bildende Kunst. Den ersten Vortrag 
ꝛielt am 20. Nopvember Dr. Werner Meher vom bunstgeschichtlicher 
Institut der Universität Marburg über romanischen und gotischen 
Stil. Der Vortragende sprach in allgemein verstãndlicher Weise 
iber die mittelalterliche Kirchenbaubunst und ihre Entwicklung aus 
er altchristlichen Basilika, die sich auf das römische Pribethaus 
urückführen läßt, oder aus dem runden, monumeütalen Grabbau 
er römischen Kaiser, dem z. B. die Pfalzkirche Karls des Großen 
n Aachen nachgebildet ist. Eingehend dargelegt wurden Entstehung, 
Wesen und Woeiterentwicklung der romanischen und gotischen Kirchen⸗ 
»auweije, die beide als Verkörperung der religiösen Ideale ber- 
chiedener Seitepochen zu gelkten haben. Die blaren Ausführungen 
purden durch vorzügliche Lichtbilder prabtisch erläutert. Hochstes 
Interesse erregten die im Lichtbild vorgeführten Heimatlirchen 
Hersfelder Stiftsruine, Fritzlarer Dom, Homberger Stadt birche 
ind Elisabethenbirche zu Marburg) und die daran angeschlossenen 
Erklärungen. In seinem zweiten Vortrag am 19. Dezember in der 
Seminaraula sprach Dr. W. Meyer über Albrecht Dürer. Der 
Kedner legte den seelischen Urgrund dar, aus dem in Ueber. 
pindung des Krämergeistes jener Seit Dürers neue Kunst erwuchs. 
der Nürnberger Meister entdeckte für die deutsche Malerei die 
Natur, den Kaum und den nackten menschlichen Körper. In zahl· 
eichen Lichtbildern mit erläuternden Begleitworten wurde der 
Entwicklungsgang Dürers von seinen ersten Arbeiten, die noch den 
eborativen Stil der Spätgotib zeigen, über die Apobalypse, die 
zroße Passion und das Marienleben bis zu seiner Vollendung vor. 
geführt. Nus tiefer Innerlichbeit und Innigkeit entstehen Meister⸗ 
verbe wie die bekannten Kupferstiche: Kitter, Tod und Teufel. 
Melancholie und Hieronymus im Gehäus. Den Gipfelpunkt erreicht 
der Künstler, der gegen seinen Lebensabend ganz groß und schlicht 
jeworden ist, in den vier Aposteln. In der gewaltigen Körperlichkeit 
ieser Menschen faßte Dürer noch einmal alles zuüsammen, was er 
einer Seit von menschlicher Größe und Würde sagen wollte 
Diesen ersten Lichtbildervorträgen folgen noch weitere über Kem— 
brandt, die Kunst (Malerei) im 19. Jahrhundert und die Kunst- 
strömungen der Gegenwart. Den dänbenswerten Vorträgen sind 
— auch anderswo im Hessenland — zahlreiche und aufmerbsame 
Hörer zu wünschen. 
herausgeber: Konrad Bernecker-Meljungen, unter besonderer Mitarbeit von: Kreisschulrat Sch walm-Obergrenzebach und Taubstummen-Lehrer H. Ruppel-Homberg. 
Alle Heimatfreunde sind als Mitarbeiter willkommen. — Derantwortlicher Schriftleiter: Paul Woiche-Melsungen. — Alle Zuschriften an die „Heimat -Schollen“ sind an 
die Schriftleitung in Melsungen zu richten. Unvberwertete Manuskripte werden nur auͤf Verlangen zurückgesandt. Der Nachdruck aller Arbeiten mit Namenszeichnund— 
ist nur nach Uebereinkunft mit dem Herausgeber gestattet. Druck und Dorlaa: A. Beenecker in Melsungen. 
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