Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

rufgeweckten Wehlheider Jungen unbedingt fesseln mußte. 
Auch das fertige Atelier bot offenbar noch des Interessanten 
genug; jedenfalls war der Fritz dort nicht fortzubriegen, und 
als ihm eines schönen Tages der alte Ely ein Blatt Papier 
hinlegte mit den Worten: „Nu zeichne mal was“, ließ er 
jich das nicht zweimal sagen. Der alte Künstler besah sich 
das Blatt und sagte dann nur: „Wenn du Seit hast, Junge, 
kommst du rüber und zeichnest.“ Das war ein Jahr vor der 
Konfirmation. Und dann kam er zu Elhy in die Lehre, der 
schon im zweiten Jahr dafür sorgte, daß sein gelehriger Schüler 
als Hospitant nachmittags die Casseler Kunstabademie besuchte. 
Im übrigen galt es fleißig zu schaffen. 
Die Elyhsche Glasmalerei erfreute sich 
eines guten Kufes weit über Deutjsch⸗ 
land hinaus. Von ihrem hohen 
Können zeugen nicht nur die herr— 
lichen neuen Kirchenfenster zu St. 
Martin und in der Lutherkirche 
zu Cassel, sondern auch zahlreiche 
andere Kirchen- und Profanbauten in 
Deutschland und Franbreich, hier 
pornehmlich in der Bretagne. Drei 
Jahre noch lag Friedrich Fennel, 
nachdem er ausgelernt hatte, als 
Gehilfe mit Meister Ely und seinen 
beiden Söhnen der edlen Kunst der 
Glasmalerei ob und setzte nebenher 
den Besuch der Abademie fort. Als 
er dann ein Staatsstipendium erhielt, 
ging er ganz zur Abademie über.“ 
Hier legte er in dem Unterricht durch 
Prof. Kolitz und Prof. Wünnenberg 
die Grundlage seiner Ausbildung im 
Portraĩit· und Figurenzeichnen. Mit 
dem Bose⸗Stipendium ausgerüstet, 
wanderte der Kunstjünger dann ins 
Land der deutschen Künstlersehnsucht, 
nach Italien, wo er besonders in 
Florenz und Denedig starke Eindrücke 
empfing, und begab sich von dort 
nach Paris, wo er nicht nur durch 
den Anterricht, den J. P. Laurent 
an der Abademie Julienne im Abt- 
zeichnen gab, sondern vor allem durch 
die Erlebnisse in Ausstellungen und 
Sammlungen sich woeiter entwickelte. 
So kbehrte er schließlich als aus— 
gewachsener Künstler nach Cassel zurück, aber erst hier, in 
der Heimat, geschah es, daß er seine spezifische Begabung 
entdeckte, den Drang zur Landschaft. Seiner Entfaltung 
hat Fennel in der Folge den weitesten Kaum, dessen seine 
Schaffensbraft fähig war, gegeben, und ihm sind die Bilder 
zu verdanken, durch welche in so lichtvoller Weise der Charabter 
der niederhessijschen Landschaft verherrlicht wird. 
Denn jene Steinzeichnungen, von denen eingangs 
geredet wurde, machen, obgleich sie außer der Stadt Cassel 
noch Marburg, die hessischen Burgen, das Waldecker Land, 
Eisenach und die Wartburg zum Gegenstande haben, nicht 
das Wesentliche von Fennels Schaffen aus. Diejses liegt 
vielmehr durchaus auf dem Gebiete der Landschafts— 
malerei; in ihr hat Fennel, obgleich er nebenbei auch in 
figürlichen Darstellungen und Portraits Dorzügliches geleistet 
hat, doch sein Bestes gegeben und ist, wie der künstlerische 
Privatbesitz auch außerhalb Hessens, und wie auch jein Atelier 
zeigt, im Begriff, weiter in diesem Sinne zu wirken. Wer 
Friedrich 
inmal eine Keihe Fennelscher Silder betrachtet hat, der 
vird gespürt haben, daß in diesen immer so erstaunlich licht- 
ollen Gemälden ein innerer Khythmus pulsiert, ein geheimnis⸗ 
olles Zeitmaß, das von dem den Künstler beseelenden 
frlebnis deutlich Kunde gibt. In der Beschränkung dieses 
Erlebnisses auf die niederhessische Landschaft, die er immer 
mfs neue, mit Stock und Ruchsack, zu erwandern liebt, 
iegt seine Stärke. Auf diejem kleinen Segment der Erd— 
berfläche wird alles vereinigt, was den Künstler bewegt. 
Er mag es nicht so unmittelbar, in grober Lineatur, aussprechen. 
Er spiegelt es lieber in einem Blick auf die Baunsberge, 
die bald im Grün des Frühlings, 
bald im Buntschmuck des Herbstes 
prangen, oder er steht unter den 
Fichen des Hirzsteins und läßt sein 
Inneres in strahlende Harmonie mit 
der Umwolt sich ausströmen. Freilich 
zapselte er sich niemals in der Heimat 
ein, sondern öffnete Herz und Auge 
uch den Schönheiten fremder Land- 
chaft, wie etwa der bayerischen 
Alpen; ein inneres Sugehörig- 
reitsgefühl aber bindet ihn dennoch 
vwesentlich an das hessijsche Land, 
zu desjen Bewohnern er ebenso tiefe 
Seʒiehungen des Gemütes unterhält 
wie zu seiner Bodengestalt und Vege⸗ 
tation. 
Fennels BSilder haben fast immer 
jenen schon angedeuteten harmo— 
nischen Charabter, sie sind nicht 
erjchütternd, wũhlen nicht auf, aber 
sie wirken gleichwohl mit einer unab⸗ 
weislichen Kraft auf den Beschauer 
ein, indem sie eine gewisse Sehn- 
sucht nach ähnlicher Erlösung von 
den Düsternissen des Menschseins er⸗ 
wecken, wie sie in diesen Bildern ihr 
Wesen hat; und das Köstliche an 
hnen ist, daß sie die Sehnsucht, die 
sie erwecken, im selben Augenblick zu 
ꝛrfüllen wijsen durch ihre Klarheit 
— 
liche Schatten duldet, in denen sichs 
rasten und in die gütige Sonne hin— 
ein träumen läßt. Innigbeit mit all 
ihren zarten und warmen Kräften 
ist es, was die Gemälde Fennels kbennzeichnet, die gewiß 
nicht den Anspruch erheben, als Dobumente menschlicher 
Hröße aufgefaßt zu werden; aber sie besitzen eine ungekünstelte, 
elbstverständliche Art, vermöge deren in fast jedem von ihnen 
ius einem sonst unbeachteten Stückchen Heimatwelt etwas 
jemacht wird, woran das Auge sich weiden, der Geist sich 
ergötzen und das Gemüt sich erfrijchen kann. Und auch das 
st wohl wert, als Leistung eines Lebens voll gewürdigt zu 
vorden. 
Aus alledem erhellt, daß Fennel eine beschauliche Natur 
st, die ihre angemessene Ausdrucksform im Idyll sucht und 
jindet. Seine Bilder haben in der Tat alle mehr oder 
veniger einen idyllischen Charakter, trotz eines gern gepflegten 
Ausblickes in die Ferne; diejer dient insonderheit dazu, einen 
estimmten DVorzug der Fennelschen Walerei zu betätigen, 
in ausgeprägtes Gefühl für solche Tonwerte, die von Licht 
und Luft abhängen. Eine Art von VDirtuosität, Ouft zu 
malen. bewirkt mit die Lbennzeichnendsten Eindrücke von
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.