Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Der Kapellenbau ist gewiß interesjant genug, ihn weiteren Kreisen 
im Bilde vorzuführen. Eine weitere Beschreibung dürfte sich nach 
den vorherigen Schilderungen erübrigen. Leider fehlt es an urbund- 
lichem Stoff vollständig, woraus man auf den oder die Heiligen, 
denen Kapelle und Altar geweiht waren, und auf den Stifter und 
das Jahr der Erbauung schließen bönnte. Als Totenhofskapelle 
kann der Bau nicht gedient haben, da er im Bereich des Hoch- 
wassers des Emsflüßchens liegt. E. Wenzel. Magddeburq. 
a stand — der Schwadron zu folgen hätte. Ohne den geringsten 
Viderstand und ohne den Gesichtsausdruck zu wechseln, folgte der 
Urgroßvater an der Seite des Offiziers den Kürassieren. 
Er sollte die des Weges unkundigen Keiter nach Cassel führen, 
vas ihm der Franzose mehr durch die Keitpeitsche als durch geschrieene 
Vorte — die aber der Urgroßvater nicht verstand — deutlich zu 
nachen versuchte. 
Die breite Handelsstraße führte vorläufig immer gerade aus, 
ind der gewaltsam angeworbene Führer wurde deshalb baum beachtet. 
Wie den Franzosen Dem konnte das nur recht sein. Die Franzosengäule waren müde, 
* ind es währte ein gute Stunde, bis der Kreuzweg sichtbar wurde, 
der Weg nach Cassel gezeigt wurde. Eisenacher Straße ihre bedeutendere Schwojter tkrifft. 
Es war um die Franzosenzeit. Eine Schwadron französischer Jetzt steckte der Urgroßvater mit einem Male eine ũberaus 
—A Woge —* durch das 58— Hesen. mungstüche, hilfesuchende Miene auf, und seine scheinbare Angst ver⸗ 
sändchen stracks auf die kurfürstliche Kesidenzstadt Cassel zu. roßerte sich noch erheblich, als ihn der Leutnant, nachdem die 
Die Reiter kbamen auch durch den Geburtsort meines Ur-Ur- chwadron am Kreuzweg hielt, von seinem Roß herab anherrschte: 
Broßvaters. Das heute noch wegen seines schiefen Kirchturmes Nach Cassell?!“ Da stand der brave Hessensohn im Kreuzungs- 
Leipziger Straße, ungefähr 10 Stunden von Casel entfernt illen vier Straßenrichtungen! 
Neugierig und ohne Furcht musterte der damals 16 jährige — Nun wußte sich der wütende Franzose Leinen Rat mehr. Ein 
stramme Bursche die vorüberziehenden Franzmänner. dagelwetter welscher Schimpfworte prasselte auf den Urgroßvater 
Plotzůch spreugte ein junager franzosischer Leutnant, dem die derab und die Keitpeitsche sauste durch die Luft. 
großen hellblauen Augen des Hessensohnes aufgefallen waren, auf Das Koß bekam die Sporen. Die Kürassiere folgten und sind 
den Urgroßvater zu, faßte ihn beim Kragen und gab ihm auch icht Stunden darauf in Eisenach gewesen, statt zwei Stunden nach 
durch die erhobene Reitpeitsche zu verstehen, daß er — so wie er dieser Seit in Cassel auf dem Friedrichsplatz! Albrecht. 
Dom Pulsschlag der Heimat. 
Die Falkebuche. 
VDon W. Günther, Gehau. 
Links der Straße von Görzhain nach Lingelbach (Kreis Siegen- 
hain), am Forsthause vorbei, schlängelt sich ein schmales Wiesen- 
tälchen, „Die Spoerrelsweß“, Spottels⸗, Spitalwiese genannt, in der 
heute noch zu gewissen Seiten die weiße Jungfer „wannern“ soll. 
Die Sage erzählt, hier habe ein Nonnenkbloster gestanden, das zum 
Kloster Immichenhain gehörte. Oberhalb dieser Wiese führte 
früher ein Fußpfad von Lingelbach nach Machtlos am Fuße der 
Fronkreuzerkuppe hin, die sich dem Rimberg an seiner Westseite 
anlehnt. Eine herrliche Aussicht hat man von hier zum Schwalm⸗ 
tale, Fronbreuzerkuppe. Hier pflanzte einst Bonifacius im An— 
gesicht der nahen alt-heidnischen Opferstätte auf dem Bechtelsberg 
das Kreuz auf, hier, auf dem Bechtelsberg verehrten die Chatten 
die Göttin Berchta, Bechtholdis, die ihre Fluren vor Wetterschaden 
schützte. Oben auf dem Plateau dieses Bergbegels finden wir noch 
in der „Hexenbaute“ die Stelle der Opferstätte diejer Göttin. Und 
in der Tat lenkt uns dieser Berg mit dem etwas zurückgelegenen 
Herzberg und Kimberg manches schwere von Westen bommende 
Wetter ab, das sich sonst in dem engen Tale der Jossa nach Gehau⸗ 
Breitenbach am Herzberg ins Fuldatal entladen müßte. Diese 
Gewitter ziehen meistens entweder links des Herzberges zum 
Fuldaijchen oder rechts des Rimberges zum Aulatal hinab. — Unter 
der Fronbreuzerkuppe, an deren Südseite, breuzt der Fuß pfad von 
Gehau nach Görzhain den von Lingelbach nach Machtlos. Hier 
stand noch in den s0oer Jahren eine mächtige alte Buche, die „Falke- 
buche“ genannt. Um dieselbe herum wuchsen damals hier und da 
noch schwache Stengel der Gartenzwiebel hervor. Nicht umsonst 
hieß diese Buche die „Falbebuch“. AUnter ihr fand man in den WMer 
Jahren des vorigen Jahrhunderts den Garnweber Falb aus Wacht- 
los erschlagen und beraubt. Noch vor Tagesanbruch hatte er an jenem 
Tage gesund und frohen Mutes seine Familie verlajsen. Auf seinem 
Schiebkarren fuhr er das „Wergetuch“, gewebt aus Garn, das aus 
dem groben Werg des Flachses gesponnen war, nach dem ¶Stunden 
entfernten Alsfeld, um es dort dem Händler für wenig Groschen 
Arbeitslohn zu bringen. Hier baufte er sich etwas Gl, Salz und 
ein bleines Quantum Swiebeln, das er nun, in ein Tuch gebunden, 
zur rechten Hand an den Arm des Schiebbarrens hing, um es 
stets vor Augen zu haben. Der Heimmarsch war wieder beschwer⸗ 
lich und der Weg schlecht, es lag Schnee. Mũüde und hungrig 
behrte er zur burzen Rast im Wirtshause zu Lingelbach ein, trank 
einen bleinen Schnaps und aß etwas trocken Brot dabei. Manche 
Familie war so zu sagen brotlos. Es gab auch solche Menschen, 
die jegliche Arbeit scheuten und vor beiner bösen Tat zurückschreckten. 
Ein solcher Taugenichts saß auch jetzt hier im Wirtshause in der 
Ecke, und im Dämmerlicht erbannte ihn der eben Eingetretene nicht. 
kümmerte sich auch weiter nicht um ihn. Doch jener stierte mit 
gierigen Blicken nach dem bleinen leinenen Beutelchen, aus welchem 
unser Weber einige Kupfermünzen holte, um sein Schnäpschen zu 
bezabhlen. Unbemerkt verschwand er aus der Wirtsstube, und 
nsemand achtete auch weiter auf ihn. Kurz nach ihm brach auch 
msjer Leinweber auf, hockte seinen Schiebbarren auf die müden 
zchultern und wanderte ahnungslos seinem Heimatdorfe zu. Er 
nußte eilen, noch vor Nacht durch den dunklen Kimberg zu Lommen. 
An nichts Böses denkend, war er bis in die Mähe jener Buche 
ebommen. Da traf ihn der Schlag des Wörders, der hier auf 
yn gelauert hatte. Warum gerade hier? Er hätte ja die gräß- 
che Tat schon früher ausführen bönnen, da sein Opfer schon einen 
Veg von * Stunden durch den einsamen Wald von Lingelbach 
is hierher zurückgelegt hatte. Aber hier breuzten sich die Wege, 
ind leicht konnte sich da seine Spur im Schnee mit den andern 
erwijchen. Nie hat man mit Sicherheit erfahren, wer der Mörder 
»ar. Gab es doch damals in jedem Dorfe lichtscheues Gesindel, 
em man eine solche Tat zutrauen Lonnte. WMan vermutete zwar 
in und her, doch ohne sicheren Anhalt, bis schließlich der Verdacht 
uf einem Machtloser hängen blieb. Sein ganzes Benehmen fiel 
nit einemmal allen auf. Man mied ihn. Ahnte er den Grund? 
ẽs schien so. Er fühlte sich unsicher. Nach kburzer Seit war er 
erschwunden und nach Amerika ausgewandert. Nie hat man 
vieder etwas von ihm gehört. Doch Gottes Arm wird ihn auch 
ort erreicht haben. Er blieb verschollen. Im Kampfe mit dem 
NRörder um das zusammengebundene Tuch hatten sich wohl die 
wiebeln zerstreut. In dem lockeren Waldboden jschlugen sie Wurzeln, 
im noch lange Jahre hindurch die Mordstelle zu verraten. die von 
edem Svorrübergehenden scheu gemieden wurde. 
Schnurrpfeifereien. 
AÜber die Seit gelebt. 
Auf einem Stein an der Straße nach der Stadt saß der alte 
zchloßbuer, der mit Sohn und Schwiegertochter in Unfrieden lebte. 
die hielten ihn arg knapp und gaben ihm den Auszug, der im 
daufbrief geschrieben war, bLaum halb. All jein Klagen half ihm 
ichts; sie ließen ihn weiterhin darben. Da machte er sich auf den 
Veg in die Stadt, um sein Recht zu suchen. Nun jsaß er traurig 
ind gebeugt an der Straße und überlegte: Tu ich's oder tu ich's 
et? Denn es ist nicht leicht für einen Vater, gegen seinen eigenen 
*ohn zu klagen. 
Indessen Lam Peter Heil, der Schafhändler, des Weges. „Nun, 
A 
„Will vor Amt.“ 
„VDor Amt! Was habt Ihr denn in Euren alten Tagen noch 
Amtsgänge?“ 
„Muß gegen meinen Jungen klagen.“ 
Gegen Euern Jungen! Weswegen denn?“ 
Weil er mir net gibt, was mir zusteht.“ 
Soso. Wie alt seid Ihr denn?“ 
Swoeiundsiebʒig.“ 
Da habt Ihr ja schon zwei Jahr' ũber die Seit gelebt!“ 
Der Alte sah ihn erschrocken an und fand Lein Wort. 
ür
	        
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