Der Kapellenbau ist gewiß interesjant genug, ihn weiteren Kreisen
im Bilde vorzuführen. Eine weitere Beschreibung dürfte sich nach
den vorherigen Schilderungen erübrigen. Leider fehlt es an urbund-
lichem Stoff vollständig, woraus man auf den oder die Heiligen,
denen Kapelle und Altar geweiht waren, und auf den Stifter und
das Jahr der Erbauung schließen bönnte. Als Totenhofskapelle
kann der Bau nicht gedient haben, da er im Bereich des Hoch-
wassers des Emsflüßchens liegt. E. Wenzel. Magddeburq.
a stand — der Schwadron zu folgen hätte. Ohne den geringsten
Viderstand und ohne den Gesichtsausdruck zu wechseln, folgte der
Urgroßvater an der Seite des Offiziers den Kürassieren.
Er sollte die des Weges unkundigen Keiter nach Cassel führen,
vas ihm der Franzose mehr durch die Keitpeitsche als durch geschrieene
Vorte — die aber der Urgroßvater nicht verstand — deutlich zu
nachen versuchte.
Die breite Handelsstraße führte vorläufig immer gerade aus,
ind der gewaltsam angeworbene Führer wurde deshalb baum beachtet.
Wie den Franzosen Dem konnte das nur recht sein. Die Franzosengäule waren müde,
* ind es währte ein gute Stunde, bis der Kreuzweg sichtbar wurde,
der Weg nach Cassel gezeigt wurde. Eisenacher Straße ihre bedeutendere Schwojter tkrifft.
Es war um die Franzosenzeit. Eine Schwadron französischer Jetzt steckte der Urgroßvater mit einem Male eine ũberaus
—A Woge —* durch das 58— Hesen. mungstüche, hilfesuchende Miene auf, und seine scheinbare Angst ver⸗
sändchen stracks auf die kurfürstliche Kesidenzstadt Cassel zu. roßerte sich noch erheblich, als ihn der Leutnant, nachdem die
Die Reiter kbamen auch durch den Geburtsort meines Ur-Ur- chwadron am Kreuzweg hielt, von seinem Roß herab anherrschte:
Broßvaters. Das heute noch wegen seines schiefen Kirchturmes Nach Cassell?!“ Da stand der brave Hessensohn im Kreuzungs-
Leipziger Straße, ungefähr 10 Stunden von Casel entfernt illen vier Straßenrichtungen!
Neugierig und ohne Furcht musterte der damals 16 jährige — Nun wußte sich der wütende Franzose Leinen Rat mehr. Ein
stramme Bursche die vorüberziehenden Franzmänner. dagelwetter welscher Schimpfworte prasselte auf den Urgroßvater
Plotzůch spreugte ein junager franzosischer Leutnant, dem die derab und die Keitpeitsche sauste durch die Luft.
großen hellblauen Augen des Hessensohnes aufgefallen waren, auf Das Koß bekam die Sporen. Die Kürassiere folgten und sind
den Urgroßvater zu, faßte ihn beim Kragen und gab ihm auch icht Stunden darauf in Eisenach gewesen, statt zwei Stunden nach
durch die erhobene Reitpeitsche zu verstehen, daß er — so wie er dieser Seit in Cassel auf dem Friedrichsplatz! Albrecht.
Dom Pulsschlag der Heimat.
Die Falkebuche.
VDon W. Günther, Gehau.
Links der Straße von Görzhain nach Lingelbach (Kreis Siegen-
hain), am Forsthause vorbei, schlängelt sich ein schmales Wiesen-
tälchen, „Die Spoerrelsweß“, Spottels⸗, Spitalwiese genannt, in der
heute noch zu gewissen Seiten die weiße Jungfer „wannern“ soll.
Die Sage erzählt, hier habe ein Nonnenkbloster gestanden, das zum
Kloster Immichenhain gehörte. Oberhalb dieser Wiese führte
früher ein Fußpfad von Lingelbach nach Machtlos am Fuße der
Fronkreuzerkuppe hin, die sich dem Rimberg an seiner Westseite
anlehnt. Eine herrliche Aussicht hat man von hier zum Schwalm⸗
tale, Fronbreuzerkuppe. Hier pflanzte einst Bonifacius im An—
gesicht der nahen alt-heidnischen Opferstätte auf dem Bechtelsberg
das Kreuz auf, hier, auf dem Bechtelsberg verehrten die Chatten
die Göttin Berchta, Bechtholdis, die ihre Fluren vor Wetterschaden
schützte. Oben auf dem Plateau dieses Bergbegels finden wir noch
in der „Hexenbaute“ die Stelle der Opferstätte diejer Göttin. Und
in der Tat lenkt uns dieser Berg mit dem etwas zurückgelegenen
Herzberg und Kimberg manches schwere von Westen bommende
Wetter ab, das sich sonst in dem engen Tale der Jossa nach Gehau⸗
Breitenbach am Herzberg ins Fuldatal entladen müßte. Diese
Gewitter ziehen meistens entweder links des Herzberges zum
Fuldaijchen oder rechts des Rimberges zum Aulatal hinab. — Unter
der Fronbreuzerkuppe, an deren Südseite, breuzt der Fuß pfad von
Gehau nach Görzhain den von Lingelbach nach Machtlos. Hier
stand noch in den s0oer Jahren eine mächtige alte Buche, die „Falke-
buche“ genannt. Um dieselbe herum wuchsen damals hier und da
noch schwache Stengel der Gartenzwiebel hervor. Nicht umsonst
hieß diese Buche die „Falbebuch“. AUnter ihr fand man in den WMer
Jahren des vorigen Jahrhunderts den Garnweber Falb aus Wacht-
los erschlagen und beraubt. Noch vor Tagesanbruch hatte er an jenem
Tage gesund und frohen Mutes seine Familie verlajsen. Auf seinem
Schiebkarren fuhr er das „Wergetuch“, gewebt aus Garn, das aus
dem groben Werg des Flachses gesponnen war, nach dem ¶Stunden
entfernten Alsfeld, um es dort dem Händler für wenig Groschen
Arbeitslohn zu bringen. Hier baufte er sich etwas Gl, Salz und
ein bleines Quantum Swiebeln, das er nun, in ein Tuch gebunden,
zur rechten Hand an den Arm des Schiebbarrens hing, um es
stets vor Augen zu haben. Der Heimmarsch war wieder beschwer⸗
lich und der Weg schlecht, es lag Schnee. Mũüde und hungrig
behrte er zur burzen Rast im Wirtshause zu Lingelbach ein, trank
einen bleinen Schnaps und aß etwas trocken Brot dabei. Manche
Familie war so zu sagen brotlos. Es gab auch solche Menschen,
die jegliche Arbeit scheuten und vor beiner bösen Tat zurückschreckten.
Ein solcher Taugenichts saß auch jetzt hier im Wirtshause in der
Ecke, und im Dämmerlicht erbannte ihn der eben Eingetretene nicht.
kümmerte sich auch weiter nicht um ihn. Doch jener stierte mit
gierigen Blicken nach dem bleinen leinenen Beutelchen, aus welchem
unser Weber einige Kupfermünzen holte, um sein Schnäpschen zu
bezabhlen. Unbemerkt verschwand er aus der Wirtsstube, und
nsemand achtete auch weiter auf ihn. Kurz nach ihm brach auch
msjer Leinweber auf, hockte seinen Schiebbarren auf die müden
zchultern und wanderte ahnungslos seinem Heimatdorfe zu. Er
nußte eilen, noch vor Nacht durch den dunklen Kimberg zu Lommen.
An nichts Böses denkend, war er bis in die Mähe jener Buche
ebommen. Da traf ihn der Schlag des Wörders, der hier auf
yn gelauert hatte. Warum gerade hier? Er hätte ja die gräß-
che Tat schon früher ausführen bönnen, da sein Opfer schon einen
Veg von * Stunden durch den einsamen Wald von Lingelbach
is hierher zurückgelegt hatte. Aber hier breuzten sich die Wege,
ind leicht konnte sich da seine Spur im Schnee mit den andern
erwijchen. Nie hat man mit Sicherheit erfahren, wer der Mörder
»ar. Gab es doch damals in jedem Dorfe lichtscheues Gesindel,
em man eine solche Tat zutrauen Lonnte. WMan vermutete zwar
in und her, doch ohne sicheren Anhalt, bis schließlich der Verdacht
uf einem Machtloser hängen blieb. Sein ganzes Benehmen fiel
nit einemmal allen auf. Man mied ihn. Ahnte er den Grund?
ẽs schien so. Er fühlte sich unsicher. Nach kburzer Seit war er
erschwunden und nach Amerika ausgewandert. Nie hat man
vieder etwas von ihm gehört. Doch Gottes Arm wird ihn auch
ort erreicht haben. Er blieb verschollen. Im Kampfe mit dem
NRörder um das zusammengebundene Tuch hatten sich wohl die
wiebeln zerstreut. In dem lockeren Waldboden jschlugen sie Wurzeln,
im noch lange Jahre hindurch die Mordstelle zu verraten. die von
edem Svorrübergehenden scheu gemieden wurde.
Schnurrpfeifereien.
AÜber die Seit gelebt.
Auf einem Stein an der Straße nach der Stadt saß der alte
zchloßbuer, der mit Sohn und Schwiegertochter in Unfrieden lebte.
die hielten ihn arg knapp und gaben ihm den Auszug, der im
daufbrief geschrieben war, bLaum halb. All jein Klagen half ihm
ichts; sie ließen ihn weiterhin darben. Da machte er sich auf den
Veg in die Stadt, um sein Recht zu suchen. Nun jsaß er traurig
ind gebeugt an der Straße und überlegte: Tu ich's oder tu ich's
et? Denn es ist nicht leicht für einen Vater, gegen seinen eigenen
*ohn zu klagen.
Indessen Lam Peter Heil, der Schafhändler, des Weges. „Nun,
A
„Will vor Amt.“
„VDor Amt! Was habt Ihr denn in Euren alten Tagen noch
Amtsgänge?“
„Muß gegen meinen Jungen klagen.“
Gegen Euern Jungen! Weswegen denn?“
Weil er mir net gibt, was mir zusteht.“
Soso. Wie alt seid Ihr denn?“
Swoeiundsiebʒig.“
Da habt Ihr ja schon zwei Jahr' ũber die Seit gelebt!“
Der Alte sah ihn erschrocken an und fand Lein Wort.
ür