Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

und ich sah, daß ich von ihrer Seite auf beine Anterstützung 
rechnen durfte. Ich mußte also versuchen, allein fertig zu 
verden. Der erhitzten Mannschaft mit Vorstellungen entgegen 
zu treten, wäre Ansinn gewesen, ich ließ daher die Sache 
ruhig ihren Lauf nehmen, um später nach Umständen meine 
Waßregeln zu treffen. Es dauerte nicht lange, so wurden 
Eimer und Kessel voll Whisky an Deck gebracht, und ein 
wildes Gelage begann. Es bam mir vor allem darauf an, 
einige Leute wenigstens auf meine Seite zu bekommen und 
nüchtern zu erhalten. Ungefähr sechs Mann, die alle Gefechte 
und Gefahren des Krieges mit mir geteilt, versprachen mir, 
Leinen Tropfen zu krinken und bei mir auszuhalten bis zum 
letzten. Sie hielten ehrlich Wort, obgleich sie scheinbar 
ebenso betrunken waren wie der Kest und, wo möglich, noch 
mehr Spoebtabel machten. Meine erste Sorge war, die 
Zünder aus den Kanonen, teilweis mit Kartätschen, teilweis 
mit Bomben geladen, zu entfernen. Meinen Leuten gab ich 
den Auftrag, sjämtliche Kevolver und Pistolen einzuschließen. 
Der übermäßige Genuß von Whisbkyh verfehlte seine 
Wirkung nicht, in ihrer Trunkenheit richteten die Leute die 
Kanonen gegen die Kajüte; allein alle ihre Anstrengungen 
waren vergebens, beine Sünder waren zu finden. Ich stand 
mit meinen Leuten auf Hochdeck und sah dem Treiben ruhig 
zu, mit Gewalt war hier nichts zu machen. Voll Wut, daß 
die Kanonen die Dienste versagten, stürzte der Haufen nun 
gegen die Türe der Speisebajüte, die Offiziere hatten es 
jedoch für gut befunden, sich in ihrer Kajüte zu verrammeln, 
und die Meuterer vergaßen über den Wein- und Champagner⸗ 
laschen, die noch die Tafel füllten, weitere Gewalttätigkeiten 
und begnügten sich, alles Eßbare und Trinkbare an Deck 
zu schaffen und ein neues Gelage zu beginnen. Durch den 
übermäßigen Genuß von Wein und Spirituosen verfielen sie 
jedoch, nachdem noch vorher unter ihnen selbst eine Kauferei 
ausgebrochen war, wobei verschiedene ernstliche Verwun— 
dungen vorbamen (sie besaßen nämlich noch ihre Seiten- 
gewehre, die die meisten an sich trugen und die ich nicht 
hatte entfernen bLönnen), nach und nach in tiefen Schlaf, und 
nun begann meine Arbeit. Ehe eine Stunde vergangen, 
hatte ich 50 Mann in doppelten Eisen und war Meister 
des Decks. Bei Tagesanbruch machte ich meinen Kapport 
beim ersten Leutnant, selbiger war verwundert, seine ganze 
Mannschaft mit wenigen Ausnahmen in Eisen zu sehen. 
Es wurde darauf beschlossen, unverzüglich den Anker zu 
schlippen und nach Key West zu segeln, da wir natürlich 
in diesem Sustande nicht an der Blockade bleiben bonnten. 
Während der Keise wurden einzelne der Besseren noch aus Eisen 
entlassen, sodaß wir wenigstens das Schiff hantieren bonnten. 
Das Kesultat des Kriegsgerichts in Key West war die 
Entlassung des Kapitäns und mehrerer Offiziere aus der 
Marine, die Mannschaft wurde zerstreut unter Schijffen, die 
auf Expeditionen ausgingen, zwei der Haupträdelsführer 
zum Tode verurteilt, später aber gänzlich begnadigt. Ich 
für meine Person blieb mit dem Avancement) als Activy 
gunner ) an Bord der Amanda. 
Mit einem braven Kapitän und tüchtiger Besatzung segelten 
wir bald wieder an unsere alte Station bei Dog Eiland. Hier 
machten wir oft Streifzüge ins Land; sehr viel Anziehungs- 
Zraft für uns hatten nämlich die Kühe, die wir oft am 
Strande laufen sahen, und die Nähe der Soldaten Lonnte 
uns nicht hindern, oftmals unser Jägerglück zu erproben. 
In diesem Falle waren aber nur zwei Mann die Jäger, 
ungefähr 30 bildeten die Bedeckung. Ein anderer Haupt? 
anziehungspunkt bildete eine Austernbank mit den präch— 
5) Beförderung. 6) Feuerwerker. Arftillerist 
rigsten Austern, die aber leider sehr dicht am Festlande sich 
inzog. Doch wir wußten auch hier Kat zu schaffen, indem 
vir mit unserem Schiffe ein Bombardement auf das Lager 
der Kebellen eröffneten und in der Swischenzeit ein Boot 
ibjchickten, Austern aufzulesen. Bei diesen Expeditionen 
amen wir zwar häufig mit blutigen Köpfen zurück, denn 
ie jüdlichen Büchsen schossen sicher, dies verdarb uns aber 
ennoch unsern Appetit nach Austern nicht. Doch auch mit 
ensteren Dingen beschäftigten wir uns, machten Bootexpedi- 
ionen, die Küstenschoner auszubutten,) eroberten Apelachecola 
ind nahmen manche, wenn auch bleine, doch für uns wertvolle 
Rise. Ruhe hatten wir wenig, doch hatten wir durch unsere 
Tätigkeit unser Schiff zum Schrecken der dortigen Kebellen 
semacht, denen wir Tag und Nacht kbeine Ruhe ließen. Diese 
ießen es denn auch nicht an Versuchen fehlen, sich von uns 
zu befreien. So versuchten sie einst in einer dunblen Januar- 
iacht, uns mit Booten zu überrumpeln. Doch wir waren 
iuf unserer Hut. Swar geräuschlos bamen die vier abge— 
chickten Boote mit umwickelten Riemen angerückt, den scharfen 
Augen unserer Posten aber entgingen sie nicht. Mit laut— 
oser Stille wurden die Kanonen bemannt, kein Licht an— 
jezündet, unser Schiff lag in unheimlicher Kuhe, doch als 
ie Boote nur einige Faden von unserem Schiffe entfernt, 
rachten unsere Salven. Der Erfolg war furchtbar, ein Boot 
var zu Atoms vernichtet, ein anderes in sinbendem Sustande, 
ie anderen suchten ihr Heil in der Flucht. Wir störten sie 
ücht weiter, hatten aber seit dieser Seit vollständige Kuhe 
on ihrer Seite. So lagen wir bis zum 21. Mai des Jahres 
868. Wir waren einige Tage vorher von einer Expedition 
urückgebehrt, hatten etwas näher als gewöhnlich bei Dog 
Filand geankbert, so daß wir nicht ganz eine Seemeile vom 
Eiland entfernt lagen und ungefähr J Meilen von der Küste 
»es Festlandes. Swei Meilen von uns weiter nach St. 
Marcs lag ein Dampfkanonenboot, eine frühere Prise, aber 
nit erbärmlichster Besatzung an Offizieren und Mannschaft, 
ie wohl je ein Keiegsschiff führte. Ich hatte von Anfang 
in meine Zweijfel an der ehrlichen Gesinnung ihres Kapitäns 
jehegt. Der 21. Mai brach stürmisch heran, und ehe abends 
ie erste Wache aufgezogen war, lagen wir vor beiden Bug- 
inbern und dem steuerbordschen Schietanker mit entsprechender 
Kette. Etwas nach Mitternacht steigerte sich der Sturm 
jum förmlichen Orkan. ÜUber dem Eiland brachen sich die 
Wogen, so daß nichts von ihm zu erbennen war als die graue 
Hestalt des Leuchtturms, in dem freilich während des Krieges 
ein Licht brannte. Gegen ein Ahr kbonnte unser armes 
Schiff dem gewaltigen Andrang nicht länger widerstehen, 
ie Ketten der Buganber sprangen, der Schietanber gab 
iach, und wie mit Riesenarmen gepackt wurde das Schiff 
nitten auf das niedrige, sandige Eiland geworfen. In einem 
Augenblicke lag die Amanda platt auf Seite. Glücklicher- 
veise waren die Kanonen tags zuvor doppelt und dreifach 
Jesorrte) und widerstanden dem Stoß, denn sonst würden 
ielleicht viele einen augenblicklichen Tod gefunden haben. 
Das Rohren des Sturmes war fürchterlich, die See schien 
zu bochen und zu dampfen; obwohl sie nicht hoch steigen Lonnten, 
vegen der zu großen Gewalt des Windes, wuschen die 
Vellen doch über uns hin, und jeder blammerte sich für sein 
deben an die Wanten. Ansere einzige Hoffnung war, daß 
»as Schiff zusammenhielte bis zum Anbruch des Tages, 
vo vielleicht einem oder dem andern eine Möglichbeit ge— 
»oten wäre, sich zu retten. Als nach einigen Stunden noch 
eine Deränderung eingetreten, erfüllte neue Hoffnung uns 
alle. Einer nach dem andern suchte sich einen bequemen 
— 7) Kutter — Schnellsegler, ausbutten — schnellsegelnd sichten, auskbundschaften. 
z) sorren — mit einem Tau festbinden.
	        
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