und ich sah, daß ich von ihrer Seite auf beine Anterstützung
rechnen durfte. Ich mußte also versuchen, allein fertig zu
verden. Der erhitzten Mannschaft mit Vorstellungen entgegen
zu treten, wäre Ansinn gewesen, ich ließ daher die Sache
ruhig ihren Lauf nehmen, um später nach Umständen meine
Waßregeln zu treffen. Es dauerte nicht lange, so wurden
Eimer und Kessel voll Whisky an Deck gebracht, und ein
wildes Gelage begann. Es bam mir vor allem darauf an,
einige Leute wenigstens auf meine Seite zu bekommen und
nüchtern zu erhalten. Ungefähr sechs Mann, die alle Gefechte
und Gefahren des Krieges mit mir geteilt, versprachen mir,
Leinen Tropfen zu krinken und bei mir auszuhalten bis zum
letzten. Sie hielten ehrlich Wort, obgleich sie scheinbar
ebenso betrunken waren wie der Kest und, wo möglich, noch
mehr Spoebtabel machten. Meine erste Sorge war, die
Zünder aus den Kanonen, teilweis mit Kartätschen, teilweis
mit Bomben geladen, zu entfernen. Meinen Leuten gab ich
den Auftrag, sjämtliche Kevolver und Pistolen einzuschließen.
Der übermäßige Genuß von Whisbkyh verfehlte seine
Wirkung nicht, in ihrer Trunkenheit richteten die Leute die
Kanonen gegen die Kajüte; allein alle ihre Anstrengungen
waren vergebens, beine Sünder waren zu finden. Ich stand
mit meinen Leuten auf Hochdeck und sah dem Treiben ruhig
zu, mit Gewalt war hier nichts zu machen. Voll Wut, daß
die Kanonen die Dienste versagten, stürzte der Haufen nun
gegen die Türe der Speisebajüte, die Offiziere hatten es
jedoch für gut befunden, sich in ihrer Kajüte zu verrammeln,
und die Meuterer vergaßen über den Wein- und Champagner⸗
laschen, die noch die Tafel füllten, weitere Gewalttätigkeiten
und begnügten sich, alles Eßbare und Trinkbare an Deck
zu schaffen und ein neues Gelage zu beginnen. Durch den
übermäßigen Genuß von Wein und Spirituosen verfielen sie
jedoch, nachdem noch vorher unter ihnen selbst eine Kauferei
ausgebrochen war, wobei verschiedene ernstliche Verwun—
dungen vorbamen (sie besaßen nämlich noch ihre Seiten-
gewehre, die die meisten an sich trugen und die ich nicht
hatte entfernen bLönnen), nach und nach in tiefen Schlaf, und
nun begann meine Arbeit. Ehe eine Stunde vergangen,
hatte ich 50 Mann in doppelten Eisen und war Meister
des Decks. Bei Tagesanbruch machte ich meinen Kapport
beim ersten Leutnant, selbiger war verwundert, seine ganze
Mannschaft mit wenigen Ausnahmen in Eisen zu sehen.
Es wurde darauf beschlossen, unverzüglich den Anker zu
schlippen und nach Key West zu segeln, da wir natürlich
in diesem Sustande nicht an der Blockade bleiben bonnten.
Während der Keise wurden einzelne der Besseren noch aus Eisen
entlassen, sodaß wir wenigstens das Schiff hantieren bonnten.
Das Kesultat des Kriegsgerichts in Key West war die
Entlassung des Kapitäns und mehrerer Offiziere aus der
Marine, die Mannschaft wurde zerstreut unter Schijffen, die
auf Expeditionen ausgingen, zwei der Haupträdelsführer
zum Tode verurteilt, später aber gänzlich begnadigt. Ich
für meine Person blieb mit dem Avancement) als Activy
gunner ) an Bord der Amanda.
Mit einem braven Kapitän und tüchtiger Besatzung segelten
wir bald wieder an unsere alte Station bei Dog Eiland. Hier
machten wir oft Streifzüge ins Land; sehr viel Anziehungs-
Zraft für uns hatten nämlich die Kühe, die wir oft am
Strande laufen sahen, und die Nähe der Soldaten Lonnte
uns nicht hindern, oftmals unser Jägerglück zu erproben.
In diesem Falle waren aber nur zwei Mann die Jäger,
ungefähr 30 bildeten die Bedeckung. Ein anderer Haupt?
anziehungspunkt bildete eine Austernbank mit den präch—
5) Beförderung. 6) Feuerwerker. Arftillerist
rigsten Austern, die aber leider sehr dicht am Festlande sich
inzog. Doch wir wußten auch hier Kat zu schaffen, indem
vir mit unserem Schiffe ein Bombardement auf das Lager
der Kebellen eröffneten und in der Swischenzeit ein Boot
ibjchickten, Austern aufzulesen. Bei diesen Expeditionen
amen wir zwar häufig mit blutigen Köpfen zurück, denn
ie jüdlichen Büchsen schossen sicher, dies verdarb uns aber
ennoch unsern Appetit nach Austern nicht. Doch auch mit
ensteren Dingen beschäftigten wir uns, machten Bootexpedi-
ionen, die Küstenschoner auszubutten,) eroberten Apelachecola
ind nahmen manche, wenn auch bleine, doch für uns wertvolle
Rise. Ruhe hatten wir wenig, doch hatten wir durch unsere
Tätigkeit unser Schiff zum Schrecken der dortigen Kebellen
semacht, denen wir Tag und Nacht kbeine Ruhe ließen. Diese
ießen es denn auch nicht an Versuchen fehlen, sich von uns
zu befreien. So versuchten sie einst in einer dunblen Januar-
iacht, uns mit Booten zu überrumpeln. Doch wir waren
iuf unserer Hut. Swar geräuschlos bamen die vier abge—
chickten Boote mit umwickelten Riemen angerückt, den scharfen
Augen unserer Posten aber entgingen sie nicht. Mit laut—
oser Stille wurden die Kanonen bemannt, kein Licht an—
jezündet, unser Schiff lag in unheimlicher Kuhe, doch als
ie Boote nur einige Faden von unserem Schiffe entfernt,
rachten unsere Salven. Der Erfolg war furchtbar, ein Boot
var zu Atoms vernichtet, ein anderes in sinbendem Sustande,
ie anderen suchten ihr Heil in der Flucht. Wir störten sie
ücht weiter, hatten aber seit dieser Seit vollständige Kuhe
on ihrer Seite. So lagen wir bis zum 21. Mai des Jahres
868. Wir waren einige Tage vorher von einer Expedition
urückgebehrt, hatten etwas näher als gewöhnlich bei Dog
Filand geankbert, so daß wir nicht ganz eine Seemeile vom
Eiland entfernt lagen und ungefähr J Meilen von der Küste
»es Festlandes. Swei Meilen von uns weiter nach St.
Marcs lag ein Dampfkanonenboot, eine frühere Prise, aber
nit erbärmlichster Besatzung an Offizieren und Mannschaft,
ie wohl je ein Keiegsschiff führte. Ich hatte von Anfang
in meine Zweijfel an der ehrlichen Gesinnung ihres Kapitäns
jehegt. Der 21. Mai brach stürmisch heran, und ehe abends
ie erste Wache aufgezogen war, lagen wir vor beiden Bug-
inbern und dem steuerbordschen Schietanker mit entsprechender
Kette. Etwas nach Mitternacht steigerte sich der Sturm
jum förmlichen Orkan. ÜUber dem Eiland brachen sich die
Wogen, so daß nichts von ihm zu erbennen war als die graue
Hestalt des Leuchtturms, in dem freilich während des Krieges
ein Licht brannte. Gegen ein Ahr kbonnte unser armes
Schiff dem gewaltigen Andrang nicht länger widerstehen,
ie Ketten der Buganber sprangen, der Schietanber gab
iach, und wie mit Riesenarmen gepackt wurde das Schiff
nitten auf das niedrige, sandige Eiland geworfen. In einem
Augenblicke lag die Amanda platt auf Seite. Glücklicher-
veise waren die Kanonen tags zuvor doppelt und dreifach
Jesorrte) und widerstanden dem Stoß, denn sonst würden
ielleicht viele einen augenblicklichen Tod gefunden haben.
Das Rohren des Sturmes war fürchterlich, die See schien
zu bochen und zu dampfen; obwohl sie nicht hoch steigen Lonnten,
vegen der zu großen Gewalt des Windes, wuschen die
Vellen doch über uns hin, und jeder blammerte sich für sein
deben an die Wanten. Ansere einzige Hoffnung war, daß
»as Schiff zusammenhielte bis zum Anbruch des Tages,
vo vielleicht einem oder dem andern eine Möglichbeit ge—
»oten wäre, sich zu retten. Als nach einigen Stunden noch
eine Deränderung eingetreten, erfüllte neue Hoffnung uns
alle. Einer nach dem andern suchte sich einen bequemen
— 7) Kutter — Schnellsegler, ausbutten — schnellsegelnd sichten, auskbundschaften.
z) sorren — mit einem Tau festbinden.