Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

bor Schulbeginn und zwischen dem Vormittags- und Nachmittags⸗ 
interricht getan werden mußte. Die woitere VDerarbeitung des 
Tones geschah auf den Hausböden. Er wurde in Formen gestrichen 
und die Siegeln, nachdem sie gut abgetrocknet waren, mit rötlich— 
gelber Erdfarbe, die man im Felde zwischen Michelsberg und 
Allendorf grub, gefärbt. In der Gluf des Ofens schmolz diese 
Farbe und gab den Siegeln den ihnen eigenen silberähnlichen Glanz. 
Die Siegelöfen waren etwas höheer als die Töpferöfen, sonst aber 
ebenso gebaut. Geheizt wurden sie mit Eichen Anbruchholz, von 
dem man die Klafter in den umliegenden Staatsforsten für 4 Marb 
erstand und, für 6 Mark aus Entfernungen von 5.6 6Gtunden 
angefahren bekam. Su einem Ofen brauchte man drei Klaftern. Es 
vurden alle damals gebräuchlichen Siegelarten gebränut: Hohl⸗ 
ziegeln, Platt- oder Schildziegeln (Siberschwänze) und Firstziegein. 
Das Tausend erstklassiger Hohlziegeln Lostele 10 Mark.“ Aus den 
entferntesten Ortschaften Lamen die Fuhrwerbe, um die vorher 
bestellten Ziegeln zu holen. Nachdem die Main-Weser-Bahn gebaut 
war, wurden sie auch mit der Bahn befördert. Immer war reger 
Derkehr in unserem heute so stillen Landsburgdörfchen und auch 
mmer — und das war in der früheren Seit, in der die Papier⸗ 
geldpressen noch nicht so fleißig waren wie heute, nicht in allen 
Doörfern so — bares, blanbes Geld vorhanden. Und wenn sich 
Michelsberg eines guten Wohlstandes erfreut, so verdankt es ihn 
nicht zuletzt seinen früheren Töpfereibetrieben. 
Heute sind sie längst dahin, und nichts mehr sagt dem rüstig 
zur Landsburg emporsteigenden Wanderer etwas von ihrer einstigen 
Slüte. Das rasche Emporbommen der Steingut- und Emailgeschier— 
ndustrie am Ende des vorigen Jahrhunderts versetzte ihnen den 
Todesstoß. Die sausenden Maschinen drehten, formten und „malten“ 
a auch piel schnoller und dazu noch viel billiger als die Menschen. 
hand! Da mußte der Töpfer langsam weichen. Dazu kam noch, 
daß das Hantieren mit dem balten Ton die Gesundheit oft schwer 
chãdigte und die heranwachsenden Söhne deshalb anderen Berufen 
zudrängten. Die letzten Oefen sind im Jahre 1905 für immer er— 
raltet und haben später, als die Wasserleitung ins Dorf gekommen 
war, als Füllmaterial der Brunnen ein kühles Grab gefunden. 
So hat der vielgerühmte fortschrittliche Geist unserer Seit, dem 
chon so unendlich vieles, was sich durch Jahrhunderte hindurch 
»ewährt hatte, uner⸗ 
zittlich zum Opfer ge⸗ 
allen ist, auch diejes 
Stück lauterster 
Dolkskunst in den 
dunklen Schoß der 
Dergangenheit gezo⸗ 
gen, eine so oft sich 
wiederholende Er⸗ 
scheinung, die den 
wahren Freund echter 
dörfischer Sitte und 
Figenart nur mit 
tieffter Wehmut er— 
üllen kann. — „Das 
Alte stürzt“ — — 
—— — und ja, „es 
ändern sich die Sei— 
ten!“ — 
Anmerbung des 
herausgebers: Mit 
der noch heute be— 
riebenen Homberger 
Kunsttöpferei, deren 
Lunstvolle Erzeug- 
nisse weit über die 
engere Heimat hin⸗ 
aus Verbreitung fin— 
den, werden wir uns 
n einer der nächsten 
Nen. beschäftigen. 
Asterode (Kr. Siegenhain) 
Kohlsamen oder Pilzere 
Es ist wohl ein Menschenalter her, da wurde ich eines Tages 
iuf eine geheimnisvolle Erscheinung des Petritages (22. Februar) 
ufmerksam gemacht. Mein Onkel, der einen schönen, großen 
ßarten besaß, nahm mich an der Hand und zeigte mir auf den 
om vorigen Jahre übrig gebliebenen Krautblättern die wunder. 
hönsten Kohlsamenkörner. Junge, sie gehen auch auf,“ behauptete 
r, und ich empfand nicht den geringsten Sweifel gegen seine Worte. 
sch dachte, daß der Alilmacht des Schöpfers auch dieses nicht un— 
nöglich sei — wie man sich eben über die Fragezeichen in der 
Natur demütig, kühn oder auch gedanbenlos hinwegjetzt. 
Später, als Lehrer — ich schrieb gerade ein Buch über die 
Sitten und Gebräuche meiner sieben Stammesgenossen — hörte ich 
vieder von der Sache, die mir der alte Onbkel als Weisheit seines 
angen Lebens mitgeteilt hatte. Von dem Soundso erzählte man 
nir sogar, er habe ein ganzes Lot dieser Körner gesammelt und 
nit Erfolg gesät, und wäs dergl. Behauptungen und Stützen der 
Meinung, die man mir vortrug, alle waren 
Ich mußte der Sache auf den Grund bommen. In meinem 
Härtchen stand Krausbohl. der, über Winter dort eingeschlagen, 
en „Peterstag“ erlebt hatte. Kichtig, er war „zwischen 11 und 12* 
nit Kohlsamenkörnern völlig bedeckt; von schneeweiß über rotbraun 
is bohljchwarz lagen oder vielmehr hingen sie in schönster Pracht 
in den Blättern. Ich untersuchte mit dem Auge, mit der Lupe, 
s stimmte, es waren Kohlsamenkörner, bein Swoeifel. Nur heim 
durchschneiden kLamen mir Bedenben. Ninmt man das nämlich 
nit Kohlsamen vor, so erbennt man durch die Lupe die Keimblätt. 
hen der dereinstigen Kohlpflanze. Hier aber erschien das Innere 
ils eine umgeschichtete, börnerartige Masse. 
Jetzt dämmerte die Erkenntnis in mir auf. Ich hatte es hier 
nit einem Pilz (einem Schwamm) von kbugelrunder Gestalt zu kun, 
nit einer Det verbleinertem Bovist etwa. 
Ich säte auch die Körner, sie gingen aber — nicht auf. Bei 
neinem Gewährsmann „Soundso“ wären sie nur aufgegangen, 
peil er sie mit reellem Kohlsamen vermengt gesät hatte!l 
* heoit doch die Straße ist, auf der die Irrtümer durch's Tand 
ahren! .. 
Um ganz sicher zu 
gehen, sandte ich jetzt 
die Krautblätter mit 
den „Kohlsamen“ an 
den Herren Prof. Dr. 
Kohl in Marburg. 
Seine Antwort gab 
mir recht: „die ver⸗ 
meintlichenKohl— 
samen jind nichts 
anderes als die 
Dauerform GEdile- 
rotien) eines Pilzes, 
der den lateinischen 
Namen Schlerotinia 
fuckeliana F. trägt. 
Wer diese „Kohl- 
jamen“ sät, begeht 
eine große Torheit; 
er gibt seinen Kohl⸗ 
pflanzen ein Heer von 
Serstorern mit auf 
den Lebensweg.“ 
Denspilz findet man 
nicht nur auf Petritag, 
sondern im ganzen 
Nachwinter bei feuch⸗ 
ter, etwas warmer 
Witterung auf Kraut⸗ 
blättern, wovon sich 
der „geneigte Leser“ 
überzeugen bann. Sch 
Federzeichnung von J. Schulz 
Mein Hossendorf 0 Von Heinrich Kuppel. 
Wie schön bist du von Gottes Hand 
Ins grüne Tal gebettet! 
Du trautes Dorf im Hessenland, 
Ich bin an dich gebettet 
Und lockt die Welt da draußen auch, 
Mich soll sie nicht verlocken. — 
Denn hier umweht mich Waldeshauch, 
hier klingen Heimatglocken. 
Hier lohnt die Scholle meinen Fleiß 
Mit Brot am stillen Herde. 
Das schönste Fleckchen, das ich weiß, 
Das ist die Heimaterde.
	        
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