1343 heißt es: capella Iindawe sita sub pede montis opidi Amene-
ↄurgs. An einer Urkunde von 1384 hängt ein Pergamentstreifen,
der das Siegel trug. Es ist ein Stück einer zerschnittenen älkeren
Urkunde, worauf zu lesen ist: Wir enpyden vnd bydden alle Erbern
derrn — vnd waz wir Gudes vermogen gegen gode. Wir dun uch
zu wyhzen, daz eyne Kirche by vns gélegen ist, dye heisset lyndaue.
Dye hat gebrechen an kelchen, an buchern, an meßgewande, ane
geludte, an buwe. Daz dye kirche nicht haben mag ane heiffern
vnd Rad aller guden Christen lude. (Gtaatsarchiv Marburg
Stift Amöneburg.) Ganz ohne VDermögen muß aber die Kapelle
damals nicht gewesen sein, denn in einer Urkunde von 1379 wird
gesprochen von zwei Malter Korngülde zu Roßdorf uff Sweymes
gode unde nu 2zcu gehorit der kirchen z2cu Tindaue. (Vyss. I. 14168.)
20. WMärz 1509 vermachte ein Priester aus der Kirchhainer
Familie Menche der St. Maria Maghoalenabapelle zu Lindaun unter
Amöõöneburg mit Sustimmung Erzb.Uriels ein Benefizium mit 20Gulden
Einkünften unter Vorbehalt des Patronats für sich und dann den
Altesten der Familie Menche. (WVürdtwein, dioec. mog. comm I
p. 200.) Im Ayril 1540 beschwert sich Kanonikus Söber gegen
die Stadt Kirchhain wegen Vorenthaltung dieses Stipendiums.
Kãũch, Pol. Archiv Philipps des Großm. 111.) Su Beginn des
Dreißigjãhrigen Krieges war der Gottesdienst in der Kapelle noch
im Gange. 1618 kbonfirmierte Erzb. Johann Schweigard die Uber?
fragung des Altars „in sacella Iindowe“ an den Amöneburger
Kanonikus Bernhard Back. (Staatsarchiv Marburg.) 1646 wurde
die Kapelle durch die Schweden zerstört. Swar ist aus dem Jahre 1667
ein Legat zur Wiederherstellung vorhanden (ib.), doch blieb sie Ruine,
bis der Landdechant Philipp Heinrich Müller nach dem Kriege
von 18710 zum Danke gegen Gott die Wiederherstellung in die
Wege leitete. Die alte Kapelle war ein einfach rechteckiger Bau
mit Giebeldach, aus Basalt erbaut. Die Spitzbogen der Lleinen
Fenster waren mit Nasen besetzt. (Lotz. nach einer Skizze von
F. Köhler.) Dux.
Aus der Geschichte einer französischen
Flüchtlingsgemeinde⸗
Von Walter Reuß-Schwabendorf.
In Mr. 12 der „Oberhessischen Seitung“ vom 14. Januar v. J.
erschien ein Aufsatz mit der ÜUberschrift: „Die Pulverexplosion in
Schwabendorf, 1832 — 14. Januar — 1922.“ Da mir diese Dar—⸗
stellung in einigen Sügen unrichtig und ungenau erscheint, so habe
ich verjucht, auf Grund der vorhandenen Chroniben und des Seugnisses
der ältesten Einwohner des Dorfes eine berichtigende Darstellung
der betreffenden Vorfälle zu geben. Ich will bei dieser Gelegenheũ
nicht unerwähnt lassen, daß die älteste Einwohnerin von Schwaben⸗
dorf, die sich aus ihrer Kindheit von ihren Eltern her der Explosions-
Latastrophe noch sehr wohl zu erinnern wußte, erst vor wenigen
Tagen in dem hohen Alter von 88 Jahren gestorben ist.
Die in ihren Folgen entsetzliche Pulverexplosion hat sich vor
nunmehr 90 Jahren zugetragen. Nach den oben angeführten Quellen
war der Hergang folgender: An der Stelle des jetzt von Konrad
Soucseins Kindern bewohnten Hauses stand früher das Wohnhaus
des sean Pierre Tourté und dessen Frau Claudine geb. Beaupain.
lourte war Schuhmacher und Gemeindevorsteher, im übrigen ein
eifriger Wilderer, wie denn überhaupt früher viele Bewohner von
Schwabendorf leidenschaftlich gewildert haben.
Es keéehrte bei Tourté alljährlich ein Pulverhändler namens
Johs. Hübenthal aus Frankenhain, Amt Bilstein, ein und blieb,
wenn er in die hiesige Gegend kam, dann auch über Nacht bei Tourté.
So bam er auch am 18. Januar 1832 gegen Abend nach
Schwabendorf, um bei Tourté zu ũbernachten. sourté baufte ihm
ein halbes Pfund Schießpulver ab, und während der Händler noch
im Simmer das Pulver abwog — ein größeres Säckchen mit
Pulver stand offen neben ihm auf der Bank —, bam ein Bursche
bvon 24 Jahren, sean Fierre Grisail, ins Simmer, sah zuerst dem
Handel des Tourtée und Hübenthal zu und erlaubte sich dann die
Bemerbung: „Auer Pulber is jo naut wert!“ „WMas“, rief Hübenthal,
„mein Pulver wär naut wert? Guck emol hier!“ Und damit nahm
er zwei Finger voll Pulver und warf sie in das auf dem Tische
stehende brennende Gllicht. Es mögen wohl einige Funben in das
offenstehende größere Pulversäckchen geflogen sein; denn es erfolgte
sofort ein mächtiger Knall, und das ganze Haus stürzte zusammen.
Don den anderen Häusern stürzten die Siegel herab; die Tische,
Stühle und Betten wanbten; das ganze Dorf war von einem
dichten Qualm umzogen. Die alte „Michelsgolloer“ hat mir erzählt,
ihre „Eller“ habe damals gerade am Dorfbrunnen gestanden, um
Wasser zu holen; durch die gewaltige Erschütterung sei sie zu Boden
geschleudert worden und beinahe in den offenen Brunnen gestürzt
Don dem Hause Tourtés war nichts mehr vorhanden als
in Schutthaufen, aus dem dichter Rauch aufstieg. Auch das
enachbarte Haus des Valentin Grisait, in den sich zufällig
niemand befand, war zur Hälfte verschwunden; die andere Hälfte
nußte wegen Einsturzgefahr niedergerissen werden. Bei den nun
olgenden Aufräumungsarbeiten woͤllte es ein trauriges Schichsal,
»aß der alte Lehrer Tierre Aillaud als Erster die gänzlich ver⸗
rannten Aberreste seines einzigen Enkels, des jungen Grisañl, entbeckte.
Ddiese Tatsache veranlaßt uns, der Frage nachzugehen: Was ist
uus den Personen geworden, die sich zur Seit des AUnglucks im
dause des Tourté befanden?
Es befanden sich im Simmer außer Tourté, Hũbenthal und Grisail
och zwei Söhne des Tourté: François und jean. Letzterer fiel
inter den Tisch, hinter welchem er saß, und wurde dadurch vor
en zusammenstürzenden Balken geschützt. Er erlitt nur geringe
Quetschungen, war an den Augen wie überhaupt im Geosicht starb
»erbrannt, bekam aber nach einiger Seit das Augenlicht wieder,
erlor jedoch bei dem Anglück gänzlich das Gehör. Von ihm hat
nan überhaupt erst den Susammenhang der Geschehnisse erfahren.
Oer Tisch, unter den Jjean Tourté gefallen war, ist heute noch im
hause des Wagners Peter Chrijt vorhandem
Es wurde sofort mit den Aufräumungsarbeiten begonnen; man
and Jean Fierre Tourté, Grisail und HSũbenthal tot auf, fast bis zur
Unbenntlichbeit verbrannt; François Tourté starb am foigenden Tage
in den erlittenen Verletzungen. Die Ehefrau Claudine Tourté wär
n der Küche mit dem Burchseihen der Milch beschäftigt; sie wurde
yon den herabstürzenden Trümmern sofort getötet. Es kam also
iur sean Tourte mit dem Leben davon. Derselbe ist später nach
Ameriba ausgewandert und verschollen.
Die, fünf Leichen wurden am 16. Januar 1832 beerdigt, und
war erhielten Tourte Frau und Sohn ein gemeinsames Grab.
Diese drei Särge wurden aus dem Hause, das heute Heinrich
Malkus gehört, getragen, dem Elternhause der Frau. Hier sei
roch erwahnt, daß Claudine Tourte und die Großmutter des⸗ Johs.
Kißling hier Schwestern waren; letztere hieß Madeleine, daher
Kißlings Haus heute noch „Madlänes? genannt wird. Der „Pulver⸗
mann“ erhielt sein Grab an der Kirchhofshecke; es ist jehßt noch
durch einen runden Stein bezeichnet.
Der Platz des Hauses mit allem Schutt wurde von einem
Manne namens Kirchner gekauft, der ein neues Haus baute und
eine Wirtschaft einrichtete, die unter dem Namen „Die Kneipe“
»ebannt war. Heute noch wird das Haus — eos üjt langst keine
Virtschaft mehr darin — „Kneipes Haus“ genannt.
Die chronibalischen Aufzeichnungen ũber das Anglũck sind im
Jahre 1886 gemacht worden nach ARussage des damals 8 jährigen
Echhardt Faure, welcher sich des Vorfalles noch sehr genau eriunerte
und einen der fünf Särge mit getragen hat.
Die übergroße Armut, welche im vorigen Jahrhundert in
Schwabendorf herrschte, hat viele Einwohner des Dorfes veranlaßt,
nach Ameriba, und zwar hauptjsächlich noch Californien (Cali-
onium“ ist hier die ortsũbliche Bezeichnung) auszuwandern. Die
neisten der Ausgewanderten sind drüben zu Geid gebomnen und
»aben dann in ihrer besseren Lebenslage die arme Muttergemeinde
ncht pergessen. Noch heute spielt das „Amerikanergelde in der
ßemeinde eine große Volle, und Valentin Traudt hat in jeiner
Erzählung „Leufe vom Burgwald“ auch darauf hingewiesen. Die
Eelebnisse eines solchen „Ameribaners“ waren in dem eingangs
rwähnten Aufsatßze in der „Oberhessischen Seitung“ auch mitgeteilt
vorden, allerdings auch nicht in allen Einzelheiten zutreffend Nach
inwandfreĩen Aussagen ist der Sachverhalt folgender: Ein hiesiger
kinwohner, dessen Namen ich, aus naheliegenden Gründen hier nicht
ienne, war dreimal verheiratet gewesen; von der ersten Frau wär
in Sohn da; die zweite Frau starb sehr früh; aus der drikten
ẽhe stammten fünf Kinder. Der Alteste, der Stiefsohn, wanderte
m Jahre 1811 nach Californien aus. Dort war er reich geworden.
und nun Lamen aus der Heimat viele Briefe an ihn. in denen
er um Geldsjendungen angegangen wurde.
Im Jahre 1889 teilte er seinem Dater mit, daß er wieder herüber⸗
ommen würde. Und nun wurde er mit Spannung zu Hause
ewartet — vergeblich. Neun Jahre lang hörte man nichts mehr
»on ihm, und allgemein wurde er für tkot gehalten und betrauert.
Die zu erwartende Erbschaft wurde im Geiste bereits geteilt. Ein
leiner Vorfall, der hieroris immer noch viel belacht wird, zeigt
reffend die Spannung der Gemüter: Einer der Stiefbrüder des
Ameribaners“ hatte mit einem Mädchen ein Liobesverhältnis,
ind beide hatten sich an einem verschwiegenen Orte getroffen.
Dou kannst mich jo nemme“, sagte der Bursche, „bin aich net en
chinner Borsch? AUnn denk emol, wann jetzt des Lalefonisch Geld
immt...“ Aber es bam anders. Zu eben der Seit, als man
nit dem Eintreffen des beanspruchten Erbteils rechnetfe, erschien —
er Totgeglaubte selbst, zerrissen und zerlumpt. in armselidemn Auf-