Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

von uns nehmen wollte. Dies war nun doch selbst unserem 
Kapitän zuviel, und die Trommel ertönte zu Quarters, da 
bis jetzt nur immer eine Kanone bedient war. Die Breit— 
seite Leachte, und als der Dampf verflogen, sahen wir von 
dem schmucken Fahrzeuge nichts als einen Haufen Trümmer, 
der auf der spiegelglatten Meecresfläche herumtrieb. In einem 
Augenblicke waren unsere sämtlichen Boote zu Wasser und 
am Platze, und es gelang unseren Anstrengungen, 35 Mann 
des Pripateers, worunter zufällig ihre sämtlichen Offiziere, 
zu retten, der Kest war teils getötet, teils schwer verwundet 
und sank mit dem Fahrzeug. In meiner ganzen Praxis bin 
ich keinen größeren Galgenphysiognomien begegnet als der 
Wannschaft dieses Privateers, der sich als der Petrol (2) 
aus Charleston herausstellte, und ich halte es für ein Glück, 
daß seine Carriere so burz war. 
Es würde mich zu weit führen, alle meine Erlebnisse aus 
diesem Feldzuge aufzuführen. Die Geschichte dieses Krieges 
ist hinlänglich bekannt, ich werde mich deshalb in dieser 
Sbizze darauf beschränben, nur die interessantesten Episoden 
meines Kriegslebens anzuführen und solche, die für mich von 
direkten Folgen waren. 
Es war im Monat MWärz 1862, als ich auf meiner alten 
Fregatte St. Lawrence, auf der ich zum Bootsmannsmaat 
avanciert war, vor Chesepeabe ⸗BSai ankam. Das Schiff war 
zur Derstärkung des zu Newport-News postierten Blockade 
geschwaders bestimmt, und ich ahnte deshalb nicht, daß ich 
hier bald an dem interessantesten und merkwürdigsten See— 
gefecht des ganzen Krieges fätigen Anteil nehmen sollte. 
Es war verraäten worden, daß die Sezessionisten“) am 
8. einen Angriff auf unsere Flotkte mit einem neu bonstruierten 
Panzerschiffe machen wollten. Da die bei NewportNews 
liegenden Fregatten Cumberland und Congreß den ersten 
Stoß. würden auszuhalten haben, die Cumberland aber keine 
vollzählige Besatzung hatte, so wurde ich mit circa 40 Mann 
bon unserem Schiff, das bei Cap Henry geanbert war, zur 
Oerstärbung auf dieselbe Lommandiert. Am Nachmittag des 
8. März erblickten wir von Cumberland ein sonderbar ge— 
staltetes Fahrzeug mit einem Dach wie ein Haus aus der 
Flußmündung gerade auf uns losdampfen. Bald ließen sich 
auch 10 — auf jeder Seite 5 — Stüchpforten erbennen, 
und wir sahen ein, daß wir es hier nicht mit einem Blockade⸗ 
brecher zu kun hatten, sondern mit dem so sehnlich erwarteten 
Gegner. Die gesamte Mannschaft des Cumberland, dieses 
Stolzes der aqmeribanischen Marine, sah mit Geringschätzung 
auf dieses, durch sein Außeres so wenig imponierende Fahr- 
zeug herab und begrüßte jsein Erscheinen mit Jubel, und als 
es — es war der durch die Seitungen so bekannt gewordene 
Merimac — langsam andampfte und den Cumberland anrief, 
sich zu ergeben, erhielt er statt aller Antwort eine Breitseite. 
Wir hatten damals zwar schon von mit Eisenplatten ge— 
panzerten Schiffen gehört, die von den Sezessionisten gebaut 
würden, zweifelten aber keinen Augenblick, daß sie von einer 
einzigen Lage der Kanonen des Cumberland zertrümmert 
werden würden wie Dachziegeln. Wir sollten bald inne 
werden, daß wir uns furchtbar verrechnet hatten. 
Der Merimac wandte und rannte mit voller Kraft auf 
unseren Bug, durchbohrte denselben mit seinem unter Wasser 
befindlichen stählernen Stachel oder Schnabel, ging zurück, 
rannte nochmals mit gleichem Erfolg an und ließ zu gleicher 
Zeit sein schweres, auf unser Kanonendeck gerichtetes Ge— 
schütz spielen. 
Die Wirkung war eine furchtbare! Das durch die beiden 
Stöße verursachte Leck am Cumberland war so bedeutend. 
7) die Südstaatler 
daß sich derselbe sofort zu füllen begann, und jeder einsah, 
daß das Schiff verloren war. Das Feuer des Merimac 
var uns nicht minder verderblich geworden. Eine Menge 
Tote und Schwerverwundete füllten das Kanonendeck. Die 
janze Mannschaft der Backbordkanonen war wie nieder— 
gjemäht, so wie die der vier ersten Kanonen der Steuerbord- 
eite. Die Schiffe waren so dicht, daß man mit Kevolvern 
gegenseitig in die Porten feuerte. Bald mußten wir das 
Kanonendeck verlassen und uns auf das obere Verdech retten. 
Dort wurde der Kampf von neuem aufgenommen, hoffnungs- 
os freilich für uns; denn die Kugeln unseres schweren Ge— 
chützes, dessen Wirkung wir für so unwiderstehlich hielten, 
»rallten an dem Merimac ab. wie Erbsen mit der Hand 
jeworfen. 
Jetzt erging eine zweite Aufforderung vom Merimac 
an uns, die Flagge zu streichen. Unser braver erster Leutnant 
— Morris ist sein Name — der an der Stelle des aus 
Dderanlasjung eines Kriegsgerichtes an Land befjindlichen 
Kapitäns das Kommando der Fregatte führte, hielt eine 
urze Ansprache an die Mannschaft und suchte unseren Mut 
anzufeuern. Es bedurfte dessen nicht; ein donnerndes Hurra 
var die Antwort auf die Aufforderung des Merimac. — 
Weiter brachten die Salven. Wir bedienten unsere Kanonen, 
bis ihnen das Wasser zum Maul hineinlief, noch wenige 
Minuten und der stolze Cumberland sank. aber sank mit 
liegender Flagge. 
Wer von der Mannschaft nicht tot oder schwer verwundet 
war, sprang über Bord und wurde von den Booten der 
übrigen Flotte aufgefischt, während der Merimac so an— 
tändig war, dies feindliche Werk nicht zu hindern. Von der 
a. 340 Mann starben Besatzung des Cumberland entgingen 
auf diese Weise ca. 60—- 70 dem Tode. 
Auch ich befand mich ganz unverletzt unter der Sahl der 
etzteren und wurde wieder an Bord meines alten Schiffes, 
der Lawrence, gebracht, die indessen zur Anterstützung durch 
rein Kanonenboot an den Kampfplatz bugsiert war. 
Es bonnte nicht fehlen, daß die VDernichtung eines der 
chönsten Schiffe der amerikanischen Flotte nach kaum halb— 
tündigem Kampfe und das Vorgehen des völlig unverletzten 
Hegners zu weiteren Angriffen eine Wirkung auf das 
Blockadegeschwader ausübte, die ein klein wenig an Wolf 
ind Schafherde erinnerte. Einige Schiffe suchten eine 
zesicherte Stellung unter den Kanonen von Fort Monroe, 
indere, darunter das Flaggschiff, die Dampffregatte Minne⸗ 
ota, gerieten beim Manövrieren auf Antiefen und saßen fest, 
benso die Fregatte Congreß, welch letztere sogar die weiße 
Flagge aufzog. Da die festsitzenden Schiffe dem Merimac 
janz sicher zu sein schienen, war es gerade die Lawrence, 
velche er sich als zweites Opfer ausersehen hatte, und mir 
vurde somit an diesem Nachmittag zum zweiten Male die 
Ehre zu teil, dem Panzerungeheuer gegenüberzustehen, das 
aber diesmal einen weniger glänzenden Erfolg errang. 
Die Lawrence war, verglichen mit dem Cumberland, 
aur ein unbehülflicher Kasten zu nennen, die Mannschaft 
iber bestand aus lauter gedienten und wohlgeschulten Marine- 
euten, die, ohne sich durch das Unglück des Cumberland 
inschüchtern zu lassen, vielmehr bei dem Kampfe bemüht 
varen, die Schwächen des Merimac zu erspähen. Die 
Stückpforten desselben waren durch eiserne Platten geschlossen, 
die sich vor dem Schuß emporhoben und unmittelbar nachher 
vieder herabfielen. Es galt also, diesen Lurzen Augenblick 
ruch unserseits zum Feuern zu benutzen, und dies Manöver 
wurde mit solcher Schnelligkeit und Präzision ausgeführt, 
daß nach kurzer Zeit der Merimac zu unserer Verwunderung
	        
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