Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Die feuchte, graue Ware wurde getrocknet, und dann ging's 
an des Töpfers liebste Arbeit, an's Färben, das ihn ja erst recht 
zum Künstler machte. 
Die Farben waren Erdfarben, die gleichfalls die heimatliche 
Flur an verschiedenen Stellen freigebig spendete: ein helles Gelb, 
ein verschieden abgetöntes Braun und ein mehr oder minder frisches 
Kot. Der Pinsel des Töpfers war ein gar merkwürdig Ding. 
Malhörnchen nannte er's, ein bleines Töpfchen, das unten dicht 
überm Boden eine Oeffnung haätte, in die als Ausflußröhre ein 
Federkiel gesteckt wurde. Das war das Instrument, mit dem der 
Töpfer aus freier, sicherer Hand jene in ihrer Art bescheidenen, 
aber doch so schönen Verzierungen auf seine Erzeugnisse z3auberte, 
die von einer recht anerbennenswerten Kunstfertigkeit des dörflichen 
Meisters zeugen. Da siehst du in den frischesten Farben prangen 
hier ein Kränzchen oder Bändchen und da ein Herz, hier ein 
VDöglein und dort an schlankem Stengel die zierlichen Blütenglöckchen 
des Maiblümchens. 
Ja noch mehr! Anser Töpfer war auch ein Freund von 
sinnigen, oft recht derben Keimen. Einige von den vielen (ich 
bonnte davon an 200 sammelnl) seien hier als Kostprobe geboten. 
Lies sie! — sie sind ein Stück achtbarer Volkskunst — und der 
Häter Geist wird durch deine Seele ziehn. 
1. Bei deiner Bibel sitze gern, sie ist der Weisheit Kern und Stern. 
2. Aus der Erd' und mit Verstand macht der Töpfer allerhand. 
3. Iumen malen, ist gemein, aber den Geruch geben, bann Gott 
allein. 
l. Dr gieb und Treu' die Wache hält, da ist's im Hause wohl 
estellt. 
Wenn Neid und Mißgunst brennt' wie Feuor. dann wär' das 
Brennhols nicht halb so feuer. 
Abb. 2: Irdene Schüsseln. 
. Wenn Neid und Mißgunst Fieber wär', schon mancher Mensch 
gestorben wär'. 
J. * wunsch mir einer, was er will, dem gebe Gott noch mal 
o viel. 
8. Treue Liebe endet nicht, wenn der Tod das Leben bricht 
9. Lieben in Ehren bann niemand verwehren.“ 
O. e ein Mädchen spinnen bann, sieht es sich um nach einem 
Mann. 
1 Wer will verachten mich und die Meinen, der mag betrachten 
sich und die Seinen. Wer sich und die Seinen wird recht 
betrachten, der wird mich und die Meinen wohl auch nicht 
verachten. 
2. Marmor und Eisen bricht, aber unsre Treu' und Freund— 
schaft nicht. 
13 Dein Haus sei immer hell und rein, noch reiner soll deine 
Socele sein. 
Lieben und nicht haben, ist härter als Steinegraben. 
Wx will mausen. der bleib' draußen. unsre Katz' kbann selber 
maulen. 
Nachdem das Malhörnchen seinen verschlungenen Pfad über 
all' die vielen Töpfchen und Näpfchen gegangen war, wurde die 
Blasur aufgetragen. Es war Silberglätte. Der Töpfer Kinder 
mußten sie schon in geringem Alter bei Frielendörfer Kaufleuten, 
die sie in Tonnen aus dem Harz bezogen, in flächsernen Säckchen 
holen. Töpfe, deren Innen- und Nußenseite glasiert werden jsollte. 
tauchte man ganz in die Glasurbrühe. Sollte dagegen nur die Innen- 
seite Glasur haben, so goß man etwas Brühe in das Gefäß und 
berteilte sie durch Hin-und Herdrehen auf der ganzen Innenfläche. 
Und dann bam die letzte Arbeit: das Brennen. Dicht am 
Töpferhaus steht der Brennofen, ein alter, dickbauchiger Geselle, 
in seinen Umrissen dem rundlichen Körper eines fetten Schweines 
acht unähnlich, vorn am Schürloch eng und schmal, nach hinten 
twas breiter werdend. In seinem Bauche verschwinden all' die 
jielen Dinge und Dinglein, die eine vierköpfige Töpferfamilie in 
ier Wochen rührsamster Arbeit schuf. So groß ist er. Nun ist 
er Ofen beschickt, die letzte Kanne hat ihren Platz gefunden, und 
ie ersten Holzscheite, die das Käucherfeuer (leichtes Feuer zum 
angsamen Anwärmen) nähren sollen, sind angezündet. Nach einigen 
tunden wird Vollfeuer angefacht, und der geplagte Töpfer muß 
iun 25—30 Stunden am Ofen stehen, schüren und neue Scheite 
iuflegen, bis er ungefähr 1000 Hitze im Ofen hat. 
Fleisch- und Einmachtöpfe und Oelbrüge erhalten bei dieser 
Temperadtur nicht die erforderliche Festigkeit und Dichte. Beim 
Zrennen derartiger Gegenstände wurden deshalb beim lettten 
5chüren etwa 40 bis 50 Pfund Kochsalz auf die Scheite gestreut 
ind mit in den Ofen geschoben. Das gab dann das „Salzgebrannte“. 
Abb. 3 . Irdenes Tassenkörbchen. 
Nun noch einige Tage. des Wartens, bis der Ofen kühl ist, und 
das Ausräumen kbann beginnen. Das Geschirr ist fertig, und noch 
ehe es den Ofen verlassen hat, stehen Käufer aus nah und fern 
unserer Hessenheimat am Ofen, um die Ware in Empfang zu 
aehmen, teils für den eigenen Bedarf, teils, um sie als Händler 
in Kötzen oder in Wagen, mit dem bebannten Leinentuche über— 
pannt, in den Dörfern oder auf den Märbkten mit ausbömmlichem 
HDerdienst wieder an den Mann zu bringen; denn was der Töpfer 
hervorbrachte, war überall nötig, seine Erzeugnisse waren immer 
zesucht.“ Das heute in jedem Haushalt vorhandene Porzellan— 
gejchier kannte man damals, besonders in unseren Schwälmerhäusern, 
saum. Man aß lieber von den mit bunten Sprüchen bemalten 
rdenen Tellern. 
Noch einträglicher als die Töpferei war das Siegelbrennen, 
veil infolge der Massenherstellung die Leistungen der einzelnen 
Arbeitskraft bedeutend größer waren, und die Bearbeitung des 
Tones nicht so sorgfältig zu sein brauchte. Man ließ ihn durch die 
Tonmühle, die durch ein Göpelwerk mit Sugtieren getrieben wurde. 
Jehen und ersparte sich dadurch das mühsame und ungesunde Treten 
—* 
Abb. 4: a) Irdene Dase, b) Irdenes Schreibzeug, c IArdene Ampel. 
d) Irdener Aschenbecher. 
ind Kneten. Beim Mahlen setzte man dem Ton gleichzeitig die 
e nach seiner Fettigkeit erfordersliche Sandmenge zu. Dann wurde 
eꝛr in Barren abgeteilt und auf den Hausboden getragen, eine 
gewiß schwere Arbeit. die in den meisten Familien von den Kindern
	        
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