Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

aus Mangel an Konnexionen und dem großen Sudrang an 
Steuerleuten eĩne günstige Wirkung des absolvierten Examens 
vorerst nicht in Aussicht war, machte ich mit dem neuen 
Postdampfer Saxonia einige Reisen als erster Quartoermeister?) 
nach New Vork. Bei diesen Keisen brachte der häufige Anblick 
von Kriegsschiffen einen Entschluß in mir zur Keife, der von 
durchgreifender Folge für mein ferneres Geschick sein sollte. 
Lange schon hatte ich eine Vorliebe für die Marine?9) 
gehegt; die große Keinlichbeit, die Präzisionen?9) und Schnellig- 
Leit, mit der alle Evolutionen?) ausgeführt wurden, das 
feinere Aussehen der Schiffe und tausend andere kleine 
Umstände hatten einen Keiz für mich, dem ich nicht wider— 
stehen kLonnte. Mit dem Kanonenboote l' quat?“) wurde ich an 
die mediterraenean station?ꝰ) geschickt, nach einiger Seit aber 
auf das Admiralschiff versetzt, the Marlborogh, ein Linien- 
schiff erster Klasse von 131 Kanonen und 1800 Mann 
Sesatzung. In ihr besuchten wir die vorzüglichsten Häfen 
des Mittelmeeres, blieben aber in den Kriegen, die zu der 
Zeit zwischen den Spaniern und Mauern und den Italienern 
und Oesterreichern geführt wurden, nur müßige Suschauer. 
Unsere Offiziere waren bei der Mannschaft nicht beliebt, 
besonders erstreckte sich das Mißfallen der Leute auf den 
Commander. Dies war wohl der Grund, daß eines Sonn— 
abends, während wir bei Castelamare?9) ʒ3u Anker lagen, wegen 
eines unbedeutenden Vorfalles offene Meuterei an Bord 
ausbrach. Erst gegen Abend legte sich der Tumult, und 
obwohl die Haupträdelsführer später zur Strafe gezogen 
wurden, hatten wir doch das VDergnügen, alle mißliebigen 
Offiziere, worunter hauptsächlich der Kapitän, Commander 
und erste Leutnant, abberufen zu sehen. Als ihre Nachfolger 
erhielten wir Leute, die in der ganzen Warine für aus— 
gezeichnet galten, hauptsächlich wurde die Ernennung des 
Kearadmirals *0) Dabre als Flottenbapitän mit Jubel begrüßt. 
Diese Offiziere erwarben sich in Lurzer Seit die Liebe und 
Achtung der WMannschaft in dem Grade, daß nie wieder das 
mindeste an Bord vorfiel und die Marlborogh bald in jeder 
Hinsicht als ein Musterschiff hingestellt wurde. In das letzte 
Jahr unseres Aufenthaltes fällt der Aufstand der Drusen 
n Syrien. Wir wurden schleunigst nach Beirut beordert, wo 
ald die Kriegsschiffe aller christlichen Nationen zusammen- 
trömten, neben einer ziemlich ansehnlichen kürkijchen Flotte. 
Vir mußten unsere Tätigkeit nur auf die Beschützung der 
züstenplätze beschränben und auf kEleine Streifzüge ins Land, 
a wir der Kriegsführung der Drusen nicht gewachsen waren, 
ie heute hier, morgen dort, uns nicht Stand hielten und auf 
em uns unbekbannten und für Seeleute besonders schwierigen 
sterrain stets entschlüpften. Von allen Seiten strömten die 
flüchtlinge herbei, die uns die fürchterlichsten Unkaten und 
alte Grausamkeiten der Drusen mitteilten. In kurzer Seit 
atten wir 2000 Flüchtlinge in einem Lager bei Beirut von 
en Schiffen aus mit Lebensmitteln zu versehen. Wir brachten 
inige Monate auf diese Weise an der Küste von Syrien 
u und verließen die Gegend erst, nachdem französische Teuppen 
ort gelandet, um in Corfu zu überwintern. Im Januar 1861 
ourden wir unerwartet nach England beordert, und groß 
var der Jubel an Bord, nach so langer Seit der Heimat 
vieder näher zu kLommen. Ende Februar verließen wir Corfu, 
ei allen anwesenden Kriegsschiffen waren die Wanten?) mit 
Nannschaften angefüllt, die uns ein Lebewohl zuriefen, 
ind die Musikbanden der Schiffe spielten das beliebte, Home, 
weet home“ 82), als the Marlborogh langsam durch ihre Keihen 
indurch aus dem Hafen dampfte. Nachdem wir noch in 
Nalta und Gibraltar, wo wir der Gewohnheit der heim— 
ehrenden Schiffe gemäß unsere besten Kanonen zurückließen, 
ingelaufen waren, gelangten wir den 15. März 1801 glüchlich 
iach Portsmouth, wo wir unsere Entlassung erhielten. Hier 
efuhr ich zuerst von den Streitigkeiten zwischen den Nord— 
meribanijchen Staaten, und daß es wahrscheinlich zum Krieg 
inter ihnen Lommen würde. Ich schiffte mich daher mik der 
Absicht, bei der dortigen Marine Dienste zu nehmen, auf 
inem amerikanischen Auswandererschiff nach New Vorb ein, 
velchen Hafen ich ohne besonderen Vorfall, als daß vielleicht 
ie Passagiere durch den Ausbruch von Feuer, das jedoch 
eitig entdeckt und gelöscht wurde, in Todesangst versetzt 
vurden, erreichte. Der erste Kanonenschuß war bereits gefallen, 
fort Sumter von den Kebellen genommen. Fortsetzung folgt.) 
Nach dem Fest 0 Von Heinrich Ruppel. 
Das Tannenbäumchen füllte das Simmer 
Am Heiligen Abend mit holdem Schimmer 
Baute zum Lichtland goldene Brücken 
Und entzündete stummes Entzücken. 
Dann brach der kbindliche Jubel aus 
Und läutete glockenhell durchs Haus: 
Das liebe Bäumchen! 
Sylvesterabend zum letztenmal 
Stand das Bäumchen im Kerzaenstrahl. 
Mein Junge kräumte ins weiche Licht 
Und sagte mit verklärtem Gesicht: 
Du liebes Bäumchen! 
Mein Junge, dem ich Rotkäppchen erzählt, 
VDergaß sein Märchen und hat mich gequält: 
Komm, wollen mal vor die Haustür gehn 
Und das liebe Weihnachtsbäumchen sehn! 
Sein Händchen zog mich, ich mußte nach. 
Hu, wie der Wind um die Ecke brach, 
Daß ich vor Frösteln erschauerte. 
Ach, wie ihn sein Bäumchen dauerte! 
Kein Lichtchen mehr, bein Apfelchen rot, 
Kein Englein mit Flügeln und weißen Füßchen. 
Kein Flittergold, beine silbernen Nüßchen, 
Das arme Bäumchen stumm und tot! 
So sah er von der Treppe hinab, 
Als säh er in ein frühes Grab. 
Das Bäumchen in seiner Herrlichkeit 
Mit Gold und Kerzen lichterloh 
Hatte sjein Kinderherz nicht so 
Herührt und gepackt 
WDie jetzt in jeiner VDerlassenheit, 
Hinausgestoßen und splitternackt, 
Das arme Bäumchen! 
Doch dann erlosch die Lichterpracht, 
Erlosch und wurde nicht wieder entfacht. 
Und wie ein Seelchen, das Undank verstößt, 
So lag es im Hofe, kahl und entblößt, 
Gedrückt in den Winkel, wo's bitter fror 
Und bald sein grünes Kleidchen verlor. 
Die Nadeln gilbten und fielen ab. 
Schneeflocken rieselten leis herab. 
I y Furier, Quartiermeister. ) Kriegs marine. 2) Genauigbeit. ) Bewegungen. 
der Knrirps. )Miftelmeer⸗Station. bei Neapel. 0) Rearadmiral ⸗ Konfreadmiral 
21) die Sedeltaue. 32) Heimat. süße Heimat“ (enal. Lied,
	        
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