Auch war zu Philipps des Großmütigen Seiten ein Gestüt hier
untergebracht.
Nach wohltuender Rast geht es talauf dem Kehrenbach ent
gegen. Im Wald am Totenrain scheiden die Melsunger von dem
großen Schwarm, der über Quentel zum Söhre-Bahnhof Wellerode
trebt. Der Melsunger Wandertrupp folgt dem uralten Sälzerweg,
einem Höhenweg, von Sooden nach Frankbenberg führend. Fern
grüßt der Alheimer. Dunkle Schneisen zwischen hohen Tannen
geben oft entzückende Durchblicke auf farbensprühende Buchen-
wipfel im Abendsonnenlicht. Aus stillem Abenoͤtal winkt Kirchhof
erauf. Der „Ellerpfad“, der von Kirchhof nach Schwarzenberg
ührt, wird überschriftten. Er erinnert daran, daß beide Dörfer
n früheren Seiten eine gemeinsame Born-Eller hatten. die diesen
Weg ging.
Uber den jenseitigen Höhen neigt sich die Sonne zum Anter-
zang. „Goldne Abendsonne, wie bist du so schön!“ blingt es
inhörbar in der Seele auf. Im Tale dämmert die Stadt. Nur
die Wasser über dem Wehr schimmern noch vom Glanz des ver—
unkbenen schönen Tages. der randvoll war vom „goldnen Überfluß
der Welt“.
—
VDom Pulsschlag der Heimat.
Homberger Bibelausstellung in der Wie, Der Schulze vonWolfenhagen“
KReformationswoche. über die Heimat denkt.“
ODon Gustav Schröer.
Man redet in den Büchern soviel von der Heimat. Garnichts
edeutet sie, wenn einer nichts weiter weiß, als daß er hier jung
jewesjen ist. Das hält ihn auf die Dauer nicht fest. Er gibi sie
ran und denkt an sie, wenn es hoch bommt.
Das aber hält fest, wenn einer immer nachdenblich oder in
eller Freude, je nachdem, über sein Feld gehn muß, wenn Busch
ind Baum reden, wenn die alten Gemäuer ihre Stimme erheben
ind die alten Feldmarken erzählen. Ich habe es mir so zurecht
jelegt; Bewußt muß man über die Heimaterde gehn und muß aus
hr nicht bloß schöne Geschichten und wehmütige Erinnerungen ver
iehmen, sondern es muß etwas ganz Starkes vor einem aufsteigen.
Fine Stimme muß kbommen, so stark wie die der größten Glocke
m Lande: Wie du mit deinen Bätern rechten würdest, wären sie
chlechte Wirte und Haushalter gewesen, so werden einst die mit
ir rechten, die nach dir kommen, wenn du nicht kust, wie du tun
nußt. — Kein stärker Mahnen darf auf den Menschen zukommen
ils das aus der Heimaterde, bein schönerer Stoliz darf ihm im
herzen wohnen als der auf jeine Däter, beine größere Verant-
vortfung darf er bennen als die vor seinen Kindern.
So muß die Heimat reden. und kut sie das. dann ist sie lebendig
ind hält fest.
Weh dem, der vor seinem Felde an die harten Taler denkt.
veh dem, dem die Heimat nicht Feierstunden bereitet, in denen er
den Herrgott an der Hand hält! —
Die Heimat ist ein Wegweiser und weist hinaus ins VDaterland.
Ver beine Heimat hat, der bann bein Daterland haben. —
Wenn du ein Kerl bist, der was kann. dann laß dir deine
deimat nicht zu gering sein. —
Nun bin ich fünfundsiebzig Jahre und habe die bösen Jahre.
die beiner für möglich gehalten, noch erleben müssen. Eines tu ich
iun nicht: Ich lasse den Kopf nicht hängen. Wozu hätte ich denn
oviel gelesen, gelernt und geredet von der Heimat? Haben unsere
däter nicht gauch schwere Seiten gehabt und sind damit fertig
jeworden? Das eben ist es ja, was die Heimat gibt. Ein Bei—
piel gibt sie uns und lehrt uns. auch unsoror Kraft etwas zuzu—
rauen. —
Ansere Dörfer, unsere Dörfer! Was Schöneres gibt es auf
der Gotteswelt nicht wieder. Sowas von Frieden und Tüchtigkeit
ind geruhsamer Kraft und Herzenseinfalt. Wer uns den Geist
er Unruhe in unsere Dörfer trägt, der müßte ersäuft werden, da,
vo das Meer am tiefsten ist. Wenn ich den Kopf aus dem Fenster
tecke und die Nase links wende, dann sehe ich den Gottesacker.
)er hat schon immer was Trauliches gehabt. Seit wir aber die
ebensbäume pflanzten und die acht Hängebirben und die drei
Zänke aufstellten, ist er richtig zum Garten geworden. Es sollte
bas Grausliches haben, da in der Erde zu schlafen? Der Gedanke
st mie nie gekommen. Ich sehne mich nicht danach, hinzukommen,
ber wenn das mal soweit ist, dann, denke ich, ist es grade so, als
venn meine Mutter sagte: Nun, mein Junge, wollen wie schlafen gehm!
Es ist in den bösen Jahren vieles anders geworden. Macht
insere Abende auf dem Anger wieder lebendig. Das gibt
Susammenhalt. und mir ist der qute Mensch mehr wert als der
Iuge.
Gott helse unseren Bauern zu rechten Freunden. Gegen ihre
feinde wehren sie sich schon. Er helfe ihnen zu rechten Freunden.
zu solchen, die sie so lieb haben, daß sie ihnen die Wahrheit sagen,
ind daß sie erhalten, was unseres Bauerntums Kern immer gewesen
jt: Schlichtheit undrein fromm Gemũt.
*) Aus dem Koman „Der Schulze von Wolfenhagen“ (Oerlag: Quelle und
Moeherꝰ
Von Heinrich Ruppel.
Gute Gedanben werden in stillen Stunden geboren. Und
zweifellos war's ein guter Gedanbe, das diesjährige Keformations-
jest mit dem vierhundertjährigen Gedenbtag der Lutherbibel zu
berbnüpfen und durch eine Ausstellung alter Bibeln und Andacht-
dũcher zu feiern. Vorerst war die Sammlung im Homberger
Seminar nur für Anterrichtszwecke gedacht; die Seminarijten sollten
durch die Anschauung „die Entstehung und Verbreitung der Luther⸗
bibel und ihre Bedeutung für das religiöse, kirchliche und kulturelle
Leben unserer engeren Heimat“ bennen lernen. Aber dann, da
die Sammlung so viel ungeahnte Schätze aus der Verborgenheit
ans Licht brachte, durfte und wollte man sie auch der reiferen
Schuljugend wie dem Volke überhaupt nicht vorenthalten. Und so
war in der Reformationswoche die Aula des Seminars das Siel
oieler Bejucher aus Dorf und Stadt, wie ja auch Dorf und Stadt
in gleicher Weise ihre bostbaren Bücherschätze beigesteuert hatten
Zunächst mag der Blick des Eintretenden wohl über die sieben
weißgedeckten, bücherbeladenen Tafeln hinweg gegangen sein, um
die Bilder der Reformatoren zu grüßen und dann auf den langen
Keihen durch Alter und Inhalt geheiligter Schriften zu verweilen.
Da ließ sich der ernste Betrachter festhalten von einer hebräischen
Pergamentrolle mit dem Buche Esther, und es fiel ihm ein, daß
es solche Schriftrollen waren, die Jejus in seinen Händen gehalten
hat. NReben der Bibel in ihren Ursprachen (hebräisch, aramäisch und
greiechisch) lagen die Septuaginta und die VDulgata. Alles ver—
borgene Schätze für das deutsche Volb, verborgen und ungenutzt
bis der große Schatzgräber Luther bkam und das rechte Wort fand,
sie zu erschließen und auszumünzen. Das hat er getan. Vor uns
reiht sich Lutherbibel an Lutherbibel, daß einen stfaunende Freude
ankommt. Der ältesten der Sammlung, einem Folianten von 16017,
schließen sich andere an, groß und blein im Format, prächtig und
jchlicht im Einband, gut erhalten und abgegriffen, je nachdem, ob
alt oder neu. Sie reden, diese Bücher, unhörbar, aber ein-
dringlich. Denn sie haben ihre Schicksale gehabt, wie die biblischen
Menschen sie hatten und unsere Väter in Notzeit, die sich an diesen
Schriften erbauten. Da liegt die Hugenottenbibel der französisjchen
Kolonie Franbenhain bei Treysa, vielleicht das einzige Gut, das
die Vertriebenen in die Fremde mitnehmen bonnten und wollten.
Sie vergaßen das Beste nicht. Und da lesen wir in einer anderen,
daß Johannes Kavior, der wie Abraham ausging von Vaterland
und Freundschaft um seines Glaubens willen und in Hessen eine
neue Heimat fand, sich als erstes eine deutsche Bibel Laufte. Da
hinein schrieb er die Namen jeiner Eltern und Taufpaten und fügte
hinzu „der Keligion Halben Verdeiben nach Hoffegeismar im
Hessenlandt und da das Erstemahl Commene Sieret vor Heren
Parr Klemand, frantzösische Parr, und daselbst das schumacher
Handt Werck gelernet Bey meister Henrich Kommor schumacher
in Hoffegeismar“. Vor diesen Büchern werden die gottsjuchenden
Seelen der Väter wieder lebendig. Alte und neue Bilderbibeln,
auch Schwälmer Bibeln mit roten Herzen und bunten Sternen
auf den Buchdeckeln heißen länger verweilen. Andacht-, Gebet—
und Gesangbücher sowie eine Blindenbibel vervollständigen die
Sammlung, die weit über 400 Bücher umfaßt, alle nur auf der
Heimatscholle gesammelt, d. h. in den Kreisen Homberg und
Siegenhain. Wer hätte gedacht, daß die Heimat noch so reich
daran seil Das stille Vertiefen der vielen Besucher in die alten
Folianten mag dem Veranstalter Prorebtor Dr. Körber und seinen
jungen Helfern Dank und Lohn für alle Mühe gewesen sein. Und
wenn in dieser wüsten Seit manch eine Seele wieder wortlose
Ehrfurcht vor diesen Bücherschätzen und Sehnsucht nach den
„Lebensquellen des inneren Menschen“ empfunden hat. so ist damit
das Beste gewonnen