Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Am Bowlinggreen entstanden ein Fontänenbassin, ein Triumph- 
bogen, ein Bogengang von Lattenwerb, ein Schneckenberg und 
Kondelle. In Laubennischen standen Figuren von Göͤttern und 
Heroen auf Sockeln. Im Rojsengarten mit dem alten Klosterteich 
vwurden ein Selt, einige Bildsäulen und eine 
Moschee errichtet. 
Westlich des Rosengartens entstand das 
Elysium. darin die Lethe rauschte. Darin 
war ein Bassin mit einem kEleinen Wasserfall. 
Oberhalb des Elysiums lagen Kalypfo, das 
Dianenbad, das Sabyrinth mit dem Mino- 
laurus, Orpheus und das Arteil des Paris. 
Sũdlich wurde ein Tiergarten angelegt. 
Elysium, Wald der Circe, die Pflanzung 
der Arethusa und die ganze, auf Nätur 
timmung behandelte, mit Ruinen und Wasser- 
ãllen durchsetzte Umgebung zeigen schon den 
englischen Gartenstil. 
Die Meierei Mulang (nach der moulin 
oder Můühle daselbst genannt) ist in englisch 
chinesijchem Stil gehallen. Auf Mulang stan⸗ 
den ein Wohnhaus, chine⸗ 
ijcher Salon, ein Milch- 
uind ein Küchenhãuschen, 
die Milchkammer, eine 
Hirten⸗Wohnung, zwei 
Kuhställe, dreischeunen, 
weiĩ Schafställe und eine 
Keihe kleiner und klein⸗ 
ter Wohnhäuser. Das 
Hauptstũck ijst die chine⸗ 
ische Pagode. In der 
Nähe des Elysiums schuf 
Landgraf Friedrich das Philosophental mit Klausen und Eremitagen 
ind einer Schießhütte am Entenfang. 
An das Philosophental schloß sich das Tal des Peneus an mit 
rlen Anlagen. Eremitagen, Häuschen, Grotten. Tempeln und 
Statuen. 
Swischen dem Philosophen- und Peneustal liegen noch heute 
die antiben Gräber, so die Pyramide mit dem Grab des Cestius 
und das Vergilgrab. Von diesen stehen aber nur noch die 
Bebäude selbst. 
Weiter befand sich unter den Schöpfungen des Landgrafen 
Friedrich ein Wald der Sauberin Circe, eine Pflanzung der Arethusa, 
zin Platanusplatz mit dem gemalten Bad des Apollo. ein Obst- 
—— 
W 
Abbildung 9: Gartenhäuschen auf dem großen Finbenherd bei Cassel 
Alles übrige mit Ausnahme der älteren Plutogrotte und der Kas— 
aden wurde von Friedrichs Nachfolger Wilhelm XI. gründlich entfernt. 
Ehe wir die Neugestaltung der Weißensteiner Anlagen zu der 
eutigen Wilhelmshöhe näher betrachten, wollen wir einen Blick 
uf das Wilhelmsbad bei Hanau werfen, das zwar auch noch ähnliche 
⸗pielereien im Sinne von Hirschfelds Theorie der Gartenkunst 
eigt, aber als Vorstudie zu der Wilhelmshöhe bewertet werden 
nuß. Hier schuf der Erbprinz Wilhelm, der spätere Landgraf 
Vilhelm IX, an der Stelle eines schon seit 1709 bestehenden 
ßejundbrunnens eine Anlage, die noch heute die Bewunderung 
iller Besucher, namentlich aus Frankfurt am Main, erregt. Am 
Juli 11177 erfolgte die Grundsteinlegung des monumentalen 
Brunnentempels, dem viele andere Anlagen bis zum Jahre 1181 
olgten. Längs der schönen Kastanienallee entstanden die Arbaden, 
die Kavalier- und Sogierhäuser, ein Theater, Bäder, Küchenbau, 
gegenüber Naturtheater, Spielplätze, ein Kanal, auf dem Lustschiffe 
uhren, ein Schneckenberg, eine Insel mit einer Pyhramide, eine 
Insel mit der im Innern prachtvoll ausgestatteten Kuine mit der 
unweit ebenfalls als Ruine gebauten Küche, Schießstände und das 
rntzũckende, noch heute in Betrieb befindliche Karusseil. Im Waldes 
hunkel liegt die Grotte des Einsiedlers und im Gehölz etwas ent— 
fernter die große Fasanerie. Das ganze war ein Volkspark im 
zminenten Sinne, eine Schöpfung des späteren russischen Bergrats 
Franz Ludwig von Caucrin, der sein Werb ausführlich in der von 
hm verfaßten bürgerlichen Baukunst beschreibt. Die Ruine auf 
der Insel ist eine freie Nachbildung der Krukenburg bei Helmars— 
hausen und wurde das Vorbild für den Turm auf dem Feljsen, aus 
em sich dann die Löwenburg auf Wilhelmshöhe entwickelte, wie 
ch auf Grund meiner Forschungen ũber das Wilhelmsbad hier 
rusdrücklich feststelle. Wehmütig gedenkbe ich heute der glücklichen 
5tunden in dem Park und den KRäumen der Ruine. 
Die Wilhelmsbader Anlagen sind ganz im Sinne von Hirschfelds 
Theorie der Gartenkunst gehalten, nur ist hier der Eindruck der 
pielerei, wie in so vielen Anlagen an anderen Orten, nicht zu 
püren. 
Daß auch bei dem Hofgeismarer Gesundbrunnen ähnliche An— 
agen entstanden, sei nur kurz erwähnt. 
Auf Wilhelmshöhe schuf Landgraf Wilhelm . das große Schloß 
nit dem Lak davor und dem in ihn fallenden Jussop-Kanal, das 
eue Bowlinggreen mit dem Fontänenbassin, Tempel und Wajsserfall, 
ie Säulenhalle, vor Wilhelmshöhe den Neuen Obstgarten mit 
treibhäusern, einem Speisesaal und einem kleinen Pavillon, im 
zchloßpark den unvergleichlichen Aquadubt, die neue Fasanerie, 
ie Teufelsbrũcke und den Steinhöferschen Wasserfall. Reben der 
öwenburg, die nach den Vorbildern alter hejsijcher Burgen und 
inter teilweiser Verwendung älterer Architekturteile erbaut wurde, 
atstanden ein holländischer Garten mit Fontftänenbassin und einer 
Abhildung 10: Gartenlaube zu Cassel 
zarten, ein Theater, ein Pavillon der vier Jahreszeiten, viele Bassins 
ind ein Karussell, Spielplätze, eine Fasanerie, eine Maulbeerplantage, 
Dogelhäuser, eine Menagerie. An alle diese Anlagen Friedrichs 
die Holtmeyer in dem Inventar des Landbreises Cassel beschreibt, 
erinnern heute nur noch Mulang, die Sobrateseremitage, die Sibyllen⸗ 
arotte. der Merkurtempel. die Phramide und das Grah Voergils.
	        
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