wieder nach seiner Mutter sah, da war sie entschlafen; die
Engel hatten sie hinübergetragen in Abrahams Schoß.
Nun lebte der Mann ganz einsam, die Kinder hielten
sich fern, da das Spiel seiner Geige nach dem Tode der
alten Frau verstummt war.
Da — eines Abends hörten sie wieder die wunder—
schönen Laute so lieblich und so zart, wie sie dieselben niemals
zuvor vernommen hatten. Die Töne blangen so lockend und
einladend, daß die Kinder es nicht unterlassen bonnten zu
folgen. Der Mann hieß sie wieder freundlich willkommen
und spielte ihnen unermüdlich vor.
DAber unter dem Fenster hatten sich noch andere Suhörer
eingefunden, Leute, die tiefbetrübten Herzens auf dem Fried-
hof gewesen waren, um ein geliebtes Grab zu besuchen, den
Hügel zu schmücken und dort zu beten. Die Töne, welche
aus dem Dachbämmerlein zu ihnen herabschwebten, schienen
ein Gruß aus Himmelshöhen zu sein:
„Tröste dich in deinem Leide,
Schau zum Himmelszelt hinauf;
Deoben winbt die ew'ge Freude
Nach des Lebens schwerem Lauf
Mag der Erde Glück zergehn,
Deroben dibts ein Wiedersehn.“
Und die da unten lauschten, empfanden wundersame
Tröstung aus der Kraft der lieblichen Töne.
Jeden Abend bamen sie wieder, die Betrübten, unter
das Fenster des einsamen Mannes und schöpften himmlischen
Trost aus den Klängen, welche er seiner Geige entlockte.
Es war für ihn selbst die größte Freude in seiner Einsambeit,
penn er sah, wie viele Herzen er durch sein Spiel aufgö-
richtet und mit himmlischer Freude erfüllt hatte.
Eines Morgens aber fand man ihn entschlummert in
einem Bette liegen, still und bleich; ein wunderbarer Friede
glänzte auf seinem Angesicht. Die Geige hatte er für seinen
ungen Freund Wartin bestimmt.
Der Kleine lernte das Spielen auf der Geige mit seltener
deichtigkeit. Wenn seine noch zarte Hand den Bogen mit
Kraft, Sicherheit und Schönheit führte, dann war es bald,
als ob das Meer brauste mit seinen mächtigen Wogen,
bald aber, als wenn ein sanfter Windhauch in den Blättern
spielte. Groß und blein versammelte sich um den Spieler,
und wer betrübten Sinnes gekbommen, war seines Leides
ledig; die Töne gossen Friede in das bekümmerte Herz, das
auf unsichtbaren Schwingen über den Erdenschmerz erhoben
wurde.
Im Slätterfallen õ
Von Adolf Häger.
Am Rande der Stadt dehnt sich ein weiter Park mit
sonnenfrohen Bäumen und sammetdunblen Kasenflächen.
Zur Stunde ist es so still dort, daß man das spröde Auf—
fallen der bunten Blätter hört. NAus den Baumkbkuppeln,
die golden in der Morgensonne prunbken, fallen sie mũde
herunter in den schattendunklen Kasen, immerzu. immer⸗
zu ...
Da kommen durch die Stille des Parks drei Mädchen
gespeungen — blond, braun und schwarz von Haaren. Ihr
klingendes Lachen scheucht die feierliche Trauer der Stunde,
daß sie erschrocken seitab flieht. Sie haschen jauchzend die
Siätter aus der Luft und flechten sie zum bunten Kranze.
Hell flammt der Purpur des Herbstes im blonden, braunen
und schwarzen Haare.
Sie sehen nur den Purpurmantel des Herbstes und
wissen nichts von dem kalten Gerippe darunter, das jeine
Falten nur schlecht verhüllen. — —
Ein junges Paar bommt den blätterbunten Weg daher.
Ein Windstoß läßt die Blätter fallen wie ein Schwarm
hunter Vögel. Die Liebenden schauen zu dem geplünderten
Baume auf, wo erste bahle Aste hart vor dem mabellosen
Slau des Herbsthimmels stehen.
Er sagt: „Schau Liebste, siehst du die braunen Knospen
an den Sweigen? Wenn diese Knospen Blätter treiben.
bist du mein fürs Leben!“
Mit einem wundersamen Lächeln schaut das junge Weib
hinauf und bricht einen Sweig.
„Ich will ihn an mein sonnigstes Fenster stellen. Diel⸗
leicht brechen seine Knospen noch früher auf, mein Liebster!“
Da preßt er in jäher Freude ihren Arm, daß sie das
erglühende Gesicht abwendet; aber das tiefe Leuchten bleibt
in den Mädchenaugen.
Sie schreiten weiter durch den Herbst, wie durch ein
dunkles Tor, dahinter offen das lachende Leben liegt. — —
Ein Gréis kommt langsam am Stocke daher. Schon
»üllt die alten gebückten Schultern der schwarze, schwere
Wintermantel. So tritt er unter den goldenen Baum, wo
Sonne wie ein Sturzbad durchs Laubwerkb fällt. Blätter
iberriejeln seinen Hut und Mantel. Wie in Demut steht
der Greis. Alles Leuchten ringsum trinkben seine alten
Augen ein. Schmerzlich nickt er mit dem weißen Haupt.
— Sieht es ihn auch zur Erde, wie die welben Blätter?
Müde biegt er in den schmalen Weg, der schon tief im
Schatten liegt .
Auf Heimatwegen.
Die Gartenkunst in ihrer Anwendung
auf ältere hessische Anlagen.
ODon Ernst Wenzel, Magdeburg.
Linie liegen mit dem Schloß die große Hauptallee und zwei von
Alleen begleitete Wassergräben, der Hirschgraben und der Küchen-
graben. Die Hauptallee führt sodann um, das mehrfach regulär
usgebuchtete Bassin mit dem reizvollen Pavillon auf der Schwanen-
injel im FPoint de vue des Schlosses. Französischer Einfluß ist unver-
jennbar, der Landgraf hatte seinen Gartenentwurf auch dem großen
denötre zur Begutachtung eingesandt.
AUnter Landgraf Karls Nachfolger erfuhr die Anlage manche
Oeränderung. So entstand in Ansehnung an den Auepark der
Harten des Prinzen Maximilian und am Bergabhang unter der
Sellevue der Prinz Georgengarten mit seinen schonen Terrassen-
inlagen, bei dem Schloß das Marmorbad und als Pendant, der
Züchenpavillon. Das in französisch-holländijchem Stil gehaltene
Darterte vor der Orangerie mußte der großen Rajsenfläche des
Sowlinggreens weichen, als Landgraf Wilhelm IX. der spätere erste
Kurfürst, den Park in einen englischen Garten umwandelte.
Des Landgrafen Schöpfungen auf dem Karlsberg gehen unzweijel ⸗
haft auf italienische Vorbiider zurück. Unter dem Eindruck seiner
(Fortietkung und Schluß.)
Dem Landgrafen Karl war es vorbehalten, die schon beschriebenen
Anlagen in der Aue und am Weißenstein zu erweitern und zu
höchster Vollendung zu bringen. Im Anschluß an den Garten in
der Aue schuf er 1151 das Orangerie-Schloß und in Verbindung
damit den unvbergleichlichen Aueparb. Sentralpunbt der gesamten
Anlage des Aueparkes ist der Mittelpavillon des als Sommer-
resideñnz ausersehenen Orangerie-Schlosses. Von ihm aus blickt
man über die Terrasse mit den schönen Figuren und Blumenkörben
auf der Balustrade auf das ausgedehnte, von Statuen umgebene
Sowlinggreen, das frũher zierliche Blumenparterres teug, wie auch
solche in der Vordue hinter dem Schlosse lagen. In der geradon