Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

bis Schlüchtern. Durch diese Schmuggelei wurde die Regierung 
des Landes um beträchtliche Solleinnahmen geschädigt, und die 
Zollbeamten hatten strenge Anweisung, diesem Treiben aufs schärfste 
entgegenzutreten. Doch der erfinderische Geist des Menschen suchte 
den Wächtern öfters ein „Schnippchen“ zu schlagen. So fiel den 
Zollwächtern das häufige Vorübergehen einer Frau auf, die ein 
anscheinend schwerkrankes Kind auf dem Rücken trug. Die Beamten 
örten die im seufzenden Tone gehaltenen Worte: Ach, mein armes 
Kind, sei ruhig, der Dobtor wird dir auch schöne Sachen geben 
und dich wieder gesund machen.“ Mehrmals ließen die Sollwächter 
die Frau unbehelligt vorübergehen, bis einst ein mitleidiger Soll- 
mann sich das branke Kind näher ansehen wollte. Da ließ die 
sonst so besorgte Frau das Kind fallen, um eiligst zu verschwinden. 
Staunend betrachkete es der Sollwächter und fand in Tüchern ein— 
gewickelt eine große Holzpuppe; diese war innen hohl und mit 
Salz gefüllt. — 
Ein „KRumbenner“, ein ehemaliger Handwerkber aus Fürsten- 
hagen, ging häufig ins „Hanndversche“, um dort seine „Derwandten“ 
zu bejuchen. Dort ließ er sich eine Pferdeblase, an der oben ein 
Ausflußbränchen angebracht war, mit Rum füllen. Diese band 
ee in sein rotes „Schnupptuch“ und trug das „wertlose“ Päckchen 
mit der harmlosesten Miene an den Sollwächtern vorbei. 
Hessische Musikanten spielten häufig im „Hannöverschen“ bei 
Festlichbeiten zum Tanze auf. Auf ihrem Nachhausewege brachten 
sie in ihren Instrumenten die billig eingekauften Lebensmittel mit. 
Besonders war es der Baßspieler, der in dem Bauche des Basses 
große Mengen Kaffee schmuggelte. Dieses „Musizieren“ ging so 
lange gut, bis sie eines Tages von den Sollwächtern ertappt wurden. 
Ein ander Mal mietete sich ein Jude namens Feibes Jitzig 
ein paar Burschen, damit sie ihm an einer verabredeten Stelle 
Schmuggelwaren ũber die Grenze trügen. Einer von diesen Burschen 
berriet den Sollbeamten den Plan, und diese beschlossen, ihm auf- 
zupassen. Das war es, was Feibes Jitzig beabsichtigt hatte. In 
der Nacht legten sich die Sollbeamten an einer günstigen Stelle 
auf die Lauer, um Jitzig auf frischer Tat zu ertappen. Richtig 
kam auch der Jude zur mitternächtigen Stunde auf einem schwer⸗ 
deladenen Pferoͤe angeritten. Plötzlich stellten sich die Sollbeamten 
hm entgegen. Tief erschrocken fragte der Jude mit zitternder 
Stimme, was ihm die Ehre verschaffe, solch hohe Herrschaften zu 
ehen. Der Sollaufseher entgegnete: „Wir wollen Euch auf 
Schmuggelwaren untersuchen!“ „Au waih geschricen,“ rief der Jude, 
„oll mich Gott bewahren. Die hohen Herren mögen mirs glauben; 
habe ich doch nichts Verbotenes bei mir!“ „Das wird sich schon 
inden!“ Der Jude wurde untersucht, aber nichts Verdächtiges fand 
sich vor. Doch da war noch der dicke Mantelsack, er wurde auf. 
gerissen, und ein Sollaufseher faßte hinein und fühlte etwas Weiches. 
Schnell zog er die Hand heraus und hielt in derselben — Pferde- 
nist. Ein gerade geistreiches Gesicht mögen die Beamten nicht 
gemacht haben, als sie sich so getäuscht sahen. 
Die Schmuggler trugen besonders schwer benagelte Schuhe. 
Sie waren den Bewohnern an dem schweren Tritt bekannt. Daher 
stammt auch der Ausdruck: „Er tritt auf wie ein Sälzer.“ 
Als später Hessen an den preußischen Sollverein angeschlossen 
war, hörten diese Schmuggeleien auf, aber noch lange nachher 
lebten im Volbe die Erinnerungen an die Lühnen Taten dieser 
Schmuggler weiter 
Aus dem Verstagebuch 
eines urhessijchen Soldaten (1840). 
VDon Otto Stäückrath. 
An dem Befreiungskampfe der Schleswig -Holsteiner (1849) 
heteiligten sich auch kurhessische Truppen. Johannes Arend aus 
KFörle, geboren 1826, gestorben 1870, hat in einem Reimwerk den 
Feldzug des burhessischen Schützenbataillons gegen die Dänen 
beschrieben. Es ist keine wortgewaltige Dichtung, die auf uns 
gekommen ist, aber die Reime schildern mit großer Treue das 
Erleben, geben frische, anschauliche Bilder und entbehren nicht 
eines gewissen Humors; daneben macht sich eine unbeabsichtigte, 
durch die Kühnheit der Neben- und Nachecinanderreihung von völlig 
verschiedenen Situationen noch verstärkte Komik geltend. Ein 
Auszug aus dem Tagebuch dürfte deshalb nicht unwillkommen sein. 
Der 171. März 1849 ist der Tag des Ausmarsches. Die 
Soldaten, von einer gewaltigen Volbsmenge umgeben, werden 
durch die Eisenbahn nach Karlshafen gebracht. Sum letztenmale 
ehen sie „die Weinenden und DVerwandten an“ 
„Und plötzlich dringt ein lauter Pfiff 
In aller Menschen Seele ein, 
kẽs zieht die wilde Lobomotiv 
Und läßt sein Lieb allein.“ 
Als der Sug Karlshafen naht, wird den Soldaten manch 
hurrah zugerufen; sie singen „Schleswig Holstein Heil“, genau 
bie sie es in Cassel taten und verlassen das bequeme Beförderungs- 
nittel, um nun zu Fuß nach Lichtringen zu gelangen. Der Warsch 
orthin war nicht leicht; er forderte Schweiß in Menge und ließ 
ier und da auch einen schlapp werden: 
„Da kbonnte man das Hemd ausringen, 
Das uns der Marsch hat naß gemacht, 
So mancher hinkt und schleppt die Knochen, 
Man glaubt, sie wären ihm zerbrochen, 
Kückgrat und Bein', beide Füß' und Arm'. 
Auch auf den Wagen sieht man schon 
So manchen Lazarus verweilen, 
AUnd sehet da, dem wird noch Hohn...“ 
Weiter geht es nach Hildesheim und von dort mit der Eisen- 
»ahn nach Harburg. Dort bietet ihnen die Elbe manch schönes 
Dampfboot an und zu Schiff geht's nach Altona. Die große Stadt 
st eine willlommene Abwechselung, „nach hessischer Manier“ wird 
sie Nacht bei Spiel, Tanz, Becherblang und fröhlichen Mädchen 
erbracht. „Weil's Geld schon endet vor der Seit,“ stellt sich am 
lächsten Tage wohl so etwas wie Katzenjammer ein, aber man 
rõstet sich: Holstein ist erreicht. 
„Es wallte hoch des Kriegers Blut 
In sjeinem Schlachtbereich, 
Doch gab es hier nicht mehr das Brot. 
Das Cassel uns gebeut. 
Dies war denn unsre erste Not, 
Doch gut wars mit der Seit, 
Der Pumpernickel schmeckte bald 
Dem tapfern Hessen besser; 
Wenn er uns nur nicht ist so alt 
Und hat ein gutes Messer, 
So schneiden wir ihn wie Papier, 
Und Butter drauf gestrichen, 
Auch Schinken drauf, wie's die Manier 
Mit uns hat ausgeglichen.“ 
Sei der angewiesenen Kost lebte es sich bald recht schön 
ind gut; der Grimm, mit dem man erst über all das Ungewohnte 
eschimpft hatte, verschwand. Bald erreichte man die Stadt Itzehoe. 
Ddort hatte der Frohsinn seinen Tempel; bei Trunk, Spiel und 
Tanz vergingen die Tage schnell. Weiter ging's nach Schleswig 
ind Christiansfeld: 
„Nun stehen wir an Feindes Land, 
Gerüstet zu dem Streite, 
Wo kburz zuvor der Däne stand 
Zu Koldings großem Leide. 
Leer steht das Haus des Bürgers hier 
HDon seinem Eigentümer, 
Es wohnt Soldat und Offizier 
Im schönen, prächtgen Simmer; 
Der Marbketender macht sich hier 
Im fremden Eigentume 
So heimisch, ja, er glaubet hier 
Er sei zuhaus, der Dumme.“ 
Die leerstehenden Schanzen, die verbrannten Häuser, die Gräber 
der Gefallenen machen einen tiefen Eindruck auf die Soldaten. 
In beschwörendem Tone wendet sich der Verseschreiber an den 
König von Dänemarb: 
„O Dänenkönig, schlechter Fürst, 
Du schändest deine Städte, 
Obgleich du heimgesuchet wirst, 
Schläfst ruhig du im Bette. 
Hott zeigte dir im Schleswigland, 
Daß er dich zwingen wollte, 
Weil Wasser hier von seiner Hand 
Die Minen dämpfen sollte. 
Sei Eckernförde warst du bereit 
Der eignen Stadt zu geben 
Tod, Feuer, Gram und Herzeleid 
Und trauriges Leben; 
Allein der alte deutsche Gott 
Sollt's zeigen dir, du Schuft, 
Dein „Christian der Achte“ ging 
Mit Krachen in die Luft.“ 
Er gedenbt auch der schlechten KRäte des Dänenkönigs und 
edauert es, daß der Wüterich nicht zur Hand ist; aber auch Weile, 
zie Stadt, die man jetzt besetzt, hat er verlassen. Leider dauert 
zer Aufenthalt in dieser „Gegend schönem Sauberbild“ nur einen
	        
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