Wie die Begehrlichkeit wandern gegangen war.
Ein zeitgemäßes Märchen von Joh. H. Schwalm.
Die Begehrlichbeit, der Habsucht und des Geizes jüngste
Tochter, war wandern gegangen. Drei Teufelchen hatte sie
sich zur Gesellschaft mitgenommen: Die „pPfiffigkeit“, die
Hewissenlosigkeit und die Herzlosigkeit.
Gute Seiten herrschten für die vier im Lande. Der Krieg
tobte dort an allen Ecken und Enden.
Als sie so fürbaß gingen, begegnete ihnen zuerst die
Armut. Blaß und blutleer sahen ihre Wangen aus, zerrissen
hing ihr das zerwaschene Kleid vom Leibe.
St,“ flüsterte die Begehrlichbeit, „an der will ich ein-
nal meine Kunst versuchen.“
Sogleich begannen die Gedanken in Frau Armut ihr
verbendes Spiel: „Ein halbes Pfündchen Brot auf den Tag,
s ist doch gar zu wenig. Ja, ja, wer noch Kartoffeln hat und
ein Schweinchen schlachten kann und — Geld hat — ja der ...“
Die Armut war stehen geblieben, ihre Wangen hatten
ich gerötet, an ihrer Nase zog's vorüber wie der verlockende
Duft von allerlei Genüssen.
Sie seufzte.
Aber dann schritt sie tapfer weiter: „Es muß sein. Es
ist Kriegl — — Wenn nur mein Hans, mein Sohn, mein
einziger, wiederbehrt... Ich drücke mich schon durch. Gott,
erhalt' ihn mir — dann gönne ich gerne allen — alles.“
So kehrte die Begehrlichbeit zu den drei Teufelchen
zurück, ohne ihr Siel erreicht zu haben. und brauchte für
Spott nicht zu sorgen.
Nicht lange darauf begegneten sie dem Frohsinn. Auch
hdei ihm versuchte die Begehrlichkeit ihr Glück: „Hast du nicht
Lust,“ wisperte sie, „das und das kannst du jetzt ergattern,
jetzt in der Kriegszeit, Kriegsgewinne bannst du machen.“
„Schaffe mir den Krieg aus dem Lande und die trüben
Hedanken aus dem Herzen,“ antwortete der Frohsinn und
ieß den Kopf hängen, „daß ich mich wieder ohne Gewissens-
zisse, ohne Keue freuen kann. Jetzt — Geld — nein, nein,
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Hui, war die Begehrlichbeit auch aus diesem Herzen hinaus.
And gerade im richtigen Augenblick. Denn eben kam
des Frohsinns sorgenvergrämte Schwester, der Trübsinn,
langsam dahergegangen.
„Dir geht's traurig. Jetzt ist die rechte Seit, deiner Trübsal,
deinem Anglück ein Ende zu machen, dein Los zu wenden.
Das Geld liegt heuer auf der Straße. Heb's auf ...“
„Geld?“ echote der Trübsinn, „Geld — was nützt mich
Held — wenn meine Augen von Treänen überfließen! Siehst
zu sie nicht, alle die Unglücklichen, Tag für Tag? O, o, der
Jammer!“ Weinend verhüllte Frau Trübsinn ihr Angesicht ...
Weg war da die Begehrlichkeit.
Aber sie ließ nicht ab. Ihr verschlug's wenig oder nichts,
daß sie von der Ehrlichkeit zum Hause hinausgewiesen,
daß sie von der Daterlandsliebe mit der Peitsche bedroht,
daß sie von der Frömmigkeit in Acht und Bann erbklärt
purde. Weiter zog sie, die Begehelichbeit, weiter durchs Land.
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Aus der Schmugglerzeit in Hessen⸗
VDon Ed. Lange, Röhrenfurth.
Als unser Hessenland dem preußischen Sollverein noch nicht
ingeschlossen war, da waren manche Lebensmittel, die in unsrem
Lande nicht erzeugt und gewonnen wurden, recht teuer. So bostete
. B. ein Pfund Salz im „Hannöverschen“ 3 Heller, während bei
Zuletzt besuchte die Begehrlichbeit die Selbstsucht. Und
da war sie endlich vor die richtige Schmiede gekommen. Bei
der Selbstsucht behrten dann auch ihre drei Gesellen froh—
ockend ein: die Herzlosigkeit, die Gewissenlosigkeit, die
„Pfiffigkeit“.
AUnd nun rechneten sie mit der Selbstsucht und mit seiner
jrau, der Hartherzigbeit, des langen und breiten aus, „wenn
»as und das so und so viel Pfennige, so und so viel Marb
eurer wird, dann — ja dann bist du, Selbstsucht, fein raus.
Dazu brauchst du bein bißchen Regsambeit, bein bißchen
Topf, nein, nein, nur die Ellenbogen und deinen Großknecht,
ie Küchsichtslosigkeit.“
Wie da die Selbstsucht schmunzeltel Ja, ja, das war
jerade ihr Fall. Das war ihre goldne Seit.
Als aber so die gottvergessene Gesellschaft im besten
Zechnen war, ging die Tür auf. Die Klugheit machte der
Selbstsucht einen Besuch.
Gleich war die Selbstjucht dabei, der Klugheit vorzurechnen:
„Wenn — ja, dann ...*
„Hm, hm,“ knurrte die Klugheit, „was dann? Was dann,
venn die Engländer über deinen so erworbenen großen Geld—
ack herfallen und die Franzosen über deine Weibsleute und
ie Russen sengen und brennen dir Haus und Hof und
fabriken und Geschäftshäuser nieder, und deine Acker und
Viesen und Bauplätze und Parkanlagen verwandeln sie in
euerspeiende Schũtzengräben? Selbstsucht, rechne mal, ob's
angt, mit deinen 80 Pfennigen mehr oder weniger fürs
DRfund, hal“
„Hm, hm,“ knurrte nun auch die Selbstjucht. „Dor der
hand hab ich's aber — in der Hand — das liebe Geld.“
„Sooo? And zerrst damit die Not, den Tod herbei, mit
inem Wort, du trägst emsig dazu bei, daß wir ausgehungert
verden, daß wir den Krieg verlieren. Du warst zwar von
eher „gescheiter“ als ich, dafür heißt du ja auch mit dem
dornamen Benutzdienot, aber diesmal bist du mit allen deinen
derzensverwandten, der herzlosen Dummheit, der Gewinnsucht,
em Krämersinn, auf dem holzigsten Holzwege. Komm dicht
eran, ich will dir was laut ins Ohr sagen, du darfst es auch
ach Möglichbeit ausposaunen: „Wenn wir alle, so lange der
Zrieg dauert, schlicht gegen schlicht beinen roten Heller über
Hebühr verdienen — dann, ja dann machen wir das beste
Seschäft ...“
Ich weiß nicht, ob die Selbstsucht das goldene Wort zu
derzen genommen hat.
Die Begehrlichbeit aber und ihre drei Gesellen, husch,
varen sie fort. Wo die von da wohl hingewandert sein mögen?
Man munkelt so mancherlei. Neuerdings soll sich die Begehr-
ichkeit jogar ein Auto zugelegt und — ganze Stände ver—
estet haben.
Wo ist der David, der die Begehrlichkeit mit seiner
Sʒchleuder niederstreckt, der Hindenburg, sie in den Seen der
daterlandsliebe, des Kechts und der BSilligkeit zu ersäufen!
ter Seit.
ins für ein Pfund 10 Heller bezahlt werden mußten. Desgleichen
varen die Preise für Kaffee, Tee, Kum, Schnaps bedeutend höher
ils in Hannoper. Um die Waren billiger zu bekommen, versuchten
vagehalsige Leute sie bei Nacht und Nebel auf geheimen Pfaden
iber die Grenze' zu schaffen. Einer dieser bekanntesten Schmuggler-
fade ist der noch heuie bebannte Sälzerweg. Er führt von Hann.
Münden über Sooden, Melsungen, Homberg, Knüll, Vogelsberg