Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Wörterbuch von größtem Wert, und wir möchten denen, die sie 
me immer wieder sorgsam ausfüllen, auch an dieser Stelle herzlich 
anben. Vielleicht ist es möglich, hier gelegentlich einmal über das 
Ergebnis einer anderen Fragebogenfrage zu boerichten und dabei 
auf eine eigentümliche Tahjache, die stets wechselnde Verteilung der 
Wortgebiete, einzugehen. Dr. E. Berthold. 
Schnurrpfeifereĩen. 
Wie Henns Herzog und KRegierungsrat war. 
Nach einer arbeitsreichen Erntewoche saß der alte Schwieger⸗ 
hater mit übereinandergeschlagenen Beinen in der Abendkühle 
inter dem Glasapfelbaum neben seinem Ellerhaus und dachte an 
ergangene Seiten. 
We waren die doch anders gewesen! Früher, ja, als er noch 
Herr auf dem Hofe war, da litt er beinen Burst. „Bonn schmeckt 
inge be vonn. Bann mer pel dovon trenkt, wasse em die Bonn— 
ejde em Moje“, war immer sein Wort. Den Bonn (Born) 
danle er enipehren. Aber ein Kännchen Schnaps und ein Lühl 
Sias einfaches Bier, wie das der alte Hofmann in Oberaula so 
Jut zu brauen verstand, das war jein Laͤbjal nach anstrengender 
Tagesarbeit. Und in Gosellschaft mit den Duzbrüdern schmechkte 
Aes noch besser, auf einen Batzen mehr oder weniger Lam's ihm 
dann nicht an. 
DOoch nun? Der NAuszug war knapp. Sich einen Notpfennig 
auf die hohe Kante zu legen, hatte er nicht verstanden—⸗ Die 
aar Taler für das Kalb von der Auszugluh reichten nicht lange. 
Suttermachen, nein, damit gab er sich nicht ab, das war Weibs- 
utarbeit. Die Milch molk sich seine Tochter. Manchmal gab 
hym diese dann wohl heimlich einige Groschen, denn das durfte der 
Schwiegersohn nicht gewahr werden, der war gar gefährlich auf 
eden Heller. 
Oft Lam es dann vor, daß der Alte das Verlangen nach einem 
zuten Tropfen nicht stillen bonnte. So ging's ihm heute. Ach, wie 
hatte er sich geplagt. Wie war es ihm heute beim Einfahren so 
uer geworden. Und nun der Durst. Wie gern hätte er sich 
ein Kannchen und ein Glas Bier gekbauft. 
Wie er auch in allen Westenkippen rumfammelte, bein Silber- 
batzen hatte sich darin versteckt. 
Seinen Schwiegersohn darum angehn, nein, um beinen Preis. 
Dazu hatte er doch zu viel Echem (Stoiz, Ehrgeiz) im Leibe. Es 
war zum Verplatzen. 
Aus diesen jeinen trüben Gedanben wurde er plötzlich durch 
die Stimme seines Schwiegersohnes aufgeweckt. „Schwäher! Ihr 
önnt eigentlich noch diesen Abend nach Schorbach gehn. Dort 
jegt ein Fäßchen Schnaps für mich beim Wiet, das bönnt Ihr noch 
mit dem Schubbarren holen. Hier habt Ihr 20 Pfennig. Dafür 
rönnt Ihr mal trinken.“ 
Dos war eine Stimme in der Wüste. Doch unser Alter hatte 
jsich in der Gewalt. Nicht durfte der Schwiegersohn merben, daß 
hin der Auftrag Wasser auf seine Mühle war. Darum jprach 
er ganz gelassen? „Nur loß — das kann ich“. Eine andere Jacke 
ind die Schuͤhe wurden doch schneller angezogen als sonst. Der 
Schubkarren aus der Läng gehoit, die Trage über die Schultern 
gelegt, und Henns wanderte als „Herzog“ das Dorf hinaus durch 
den Kirschenwald dem nahen Schorbach zu. 
Als Herzog, denn er war gewöhnt, stets den Schubbarren 
inter sich herzuziehn. Er war daͤnn Herzog, wie er sprach. 
So Lam er denn nach Lurzer Seit in heitrer Stimmung in 
Schorbach an. Den Karren stellte er auf den Hof neben die 
Treppe und mit einem „Guerre Nowet“ trat er in die Wirtsstube. 
Gurre Nowet, Henns,“ rief ihm da als einziger Gast sein Freund, 
ʒer Schreiner Well, freudig entgegen. Noch so spät en Schorbach! 
Sos soll dos bediere?“ 
„Wott's ob, du wescht's noch früh genug gewohr“, war die 
Antiodet. Nun wurde eins getrunben. Die 20 Pfennige Boten⸗ 
ohn gaben die ersten Kännchen. 
Dann kam Well an die Keihe. Es schmeckte beiden prächtig, 
ind zu erzählen gab es viel. 
SDoch, als das Licht angesteckt wurde, dachte Henns an den 
Heimweg, lud das Faäßchen auf und marschierte wacker drauf los, 
bom Freunde bis an den Nusgang des Dorfes begleitet. 
Nuͤl einem Machs gutt, Henns!“ wollte dieser sich nun ver⸗ 
abschieden. „Des gett nischt“, jagte unser Herzog und dachte an 
hen steilen Aufstieg bis in den Wald. Das war beine leichte Sache für 
hyn allein. Sein Freund sollte ihm da hinauf am Schubbarren ziehn. 
Doch, wie sollte er den dazu bringen? Ein rettender Gedanke 
Well, du dennsit mer e winche donof beß of die Heh. Bann mer 
owe sing, hols du eh Poor Halme vom cker, ech mach en där 
Ziet de Stoppe vom Fäßche, on do wett mol fest getronbe.“ 
ODiese Worte zogen. Schnell war umgespannt, das Seil vorn 
ingebunden, und fsort ging's bei Mondenschein in froher Laune den 
Serg hinauf. Winbte doch beiden ein rosiges Ziel. Mühsam 
‚war, doch bald war's erreicht. 
Hun ging's rasch an's Werk. Well holte Halme. Henns 
Uopfte den Stopfen ab. Der einé setzte sich rechts, der andere 
ines an's Fäßchen, die Halme ins Spundloch, man trank mit vollen 
Zügen. Ha, schmeckst du prächtig. 
Henns, dos wor en gescheiter Gedanbe von der“, sprach Well 
ind steich sich seelenvergnügt den Bart. AUnter Erzählen und 
krinben verging rasch die Seit, und Henns schlief ein. Es war 
es so sein Mißgeschick. Jedesmal, wenn er jein gehöriges Quantum 
setrunken hatte, fielen ihm die Augen zu.— Er schlief ein, trotz 
ilem, was um ihn her vorging. So auch jetzt. 
Well erzahlte weiter, und Henns hörte nichts moehr, er schlief. 
endlich merkte dies Well und dachte nun auch an seine Heimbehr. 
denns war nun oben. Nun war's ja nur noch einen Katzensprung 
is nach Weißeborn. Doch ‚einige bräftige Süge aus dem Faß 
purden noch mitgenommen, das Spundloch ordentlich zugeklopft 
ind Henns seinem weiteren Schicksal überlassen. 
Ber schlief den Schlaf des Gerechten und hörte von alle dem 
nüchts. Endlich jedoch machte ihn die Nachtkühle munter. „Nur bo 
ing ich?“ fuhr's ihm durch den Sinn. Schiebkarren und Fäßchen 
hraͤchten ihn einigermaßen zur Besinnung. 
Er rief nach Well. Da jedoch beine Antwort erfolgte, dachte 
er: „Ra, es eß gutt, deß ich howe sing“ und halb noch im Dusel 
ockle er seine Schiebbarrentrage auf, und beide wacbelten drauf los. 
Es ging wie geschmiert. Nicht schnell genug Lonnte er vor 
hem Karren wegkommen. Immer schob ihm dieser wider die 
Seine. Das Lonnte er sich gar nicht erbllären. Kam das von 
em pißchen Ausruhen, daß es so jorsch ging? Doch munter weiter. 
Auf einmal — er traute seinen Ohren nicht — gings blippe, 
lappe — klippe, Llappe. War's denn moglich? „Ich sing'che wahr 
n wahrhaftig werre bei där Schorbächer Mehl. Himmeldonner- 
rätter So bos! Se gett dos zu? Hal Well donns mär. No wett 
nersch blor. Ich wor Kegierungsrat (er schob die Karre vor sich 
er) No jetz ich enn der Schlamassel. Wär ich Herzog blewwe, 
In hät dä Well derhem gelosse, so läg ich längst em Bett. Ewwer 
o gett's immer, bann mer singe Stand wesselt. Nachher komme 
mmer die Nachwehen“, so waren seine Gedanbken. 
In ganz mißmutiger Stimmung nahm er nun zum letztenmal 
den Schiebbarren auf und wanderte als Herzog durch die stille 
Nacht jeiner Behausung zu. 
On bann ich noch 100 Fässerche se lange hätt, Kegierungsrot, 
rä, ming Läwe wier ichs nef werre“, so schloß er jeine Erzählung 
ind traf ordentlich mit dem Fuß dabei auf. W. Günther. 
Schimpfreime. 
Gesammelt von Joh. H. Schwalm. 
Hännes Bobännes, Sãstche 
keäg Wasser ens Hous.“ Saß om Astchen. 
Modder, ach Modder, Do kracht d's Astchen 
Dd's Deppche left ous.“) On v8 Bãstche 
trurejabob, Trurejabob full ens Morästchen.) 
zaß of Pännesch Weire, 
dat in dicken Botterblos, 
onn' en net geschneire.?) 
eter 
Zatheder 
du best in bleener Kneder 
Und freßt die grine Heder.?) 
J Johannes Bobanus, 
Teag Wasser ins Haus.“ 
„Muͤtter, ach Mutter, 
Das Töpfchen läuft aus.“ 
Crauerjakob, Trauerjakob 
Saß auf Pfarrers Weiden, 
dat 'n dicken Butterkbloß. 
LZonnte ihn nicht schneiden. 
eter 
atheder 
u bist ein bleiner Knöter 
And frißt grüne Krauthäupter. 
derausgeber: Konrad Sernecher-⸗Melsungen, unter besonderer Mitarbeit von: Kreisschurat Schwalm⸗ Siegenhain und eee H. Ru el ·Homberg. 
Kiie Heimatfreunde sind als Mitarbeiter smen. — verantwortlicher Schriftleiter: Paul Wol q e⸗Melssungen. — Alle Suschriften an die „Heimat⸗ —2 sind an 
ie Schriftleitung in Melsungen ůͤ richten, Zahlungen auf Postscheckkonto, A. Sernecker, Frankfurt a. M. 0oss. Anderwertele Manustripte werden nur auf Verlangen zurũck⸗ 
Aandi.“Ser fachdruck aller Ärbeiten mit Namenszeichnung ist nur nach Abereinkunft mit dem Herausgeber gestattet. — SDerucẽ und Verlag: A. Bernecker in Melsungen.
	        
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