Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Gott noch einmal so viel — Von Sand und Ton bin ich gemacht, 
wer mich zerbricht, der Töpfer lacht — Diese (die Schüssel) ist von 
meinem Sinn, wenn sie zerbricht, so ist sie hin — Aus der Erd' 
und mit Verstand macht der Töpfer allerhand — Allen, die mich 
bennen, gebe Gott, was sie mir gönnen. Auf eine von Lüneburg 
aus bestellte Kaffeebanne schrieb der Meister den selbstverfaßten 
Spruch: Der deutsche Kuchen ist blond und schön wie die lieben 
deutschen Weibel, der deutsche Kaffec ist süß und mild wie deutsche 
Lyeik von Geibel. Es ist eine bunte VReihe von hausbackener 
Weisheit, launischem Volbshumor und ernster Tiefe. 
Die Lust am Sinnieren hat auch den Werbstattofen zu einem 
bleinen Lustwerb umgeschaffen. Da steht am Sockel: Glück und 
Kunst ist Gottes Gunst, und in vier Feldern verteilt: Draußen 
Schnee und Eis, im Sommer reger Fleiß, voll Korn die ganze 
Scheuer, im Ofen lustig Feuer, ist Frühling in Winterszeiten, Gott 
woll es uns bereiten. 
Das Glasieren war beine leichte Arbeit. Da hieß es erst die 
Glajur fein säuberlich auf der steineren Glasurmühle, die zugleich 
als Farbmühle dient, mahlen, ein hartes, mühevolles Tun. Auf 
einem schwach begelförmigen Bodenstein, der vom Steinhauermeister 
in der denkbar seinsten Weise bearbeitet worden ist, liegt der in 
der Mitte durchbohrte Läufer, der, auf den 
Bodenstein so fein eingeschliffen ist, daß er mit 
ihm durch die Kraft der Flächenanziehung zu 
zinem wasserdichten Gefäß wird. Ein Faß, 
die Sarge, umschließt Läufer und Bodenstein 
und eine Seite (Ausfluß) läßt die fertige 
Blajur in eine untergestellte Schüssel abfließen 
Die Drehvorrichtung ist außerordentlich einfach. 
An drei, an dem äußeren Umfang liegenden 
Stellen des Läufers sind bleine VDertiesungen, 
in die eine Stange, die durch eine einfache, 
zentral über dem Läufer angebrachte Führung 
gehalten wird, paßt. (Siehe Abbildung 2) 
An einer solchen Muhle mag wohl Simson 
gestanden haben, als er in Gaza zum Triumph 
seiner Feinde Getreide mahlen mußte. Jeden⸗ 
falls begegnet uns diese einfache Form der 
Mahlmühle schon in grauer Vorzeit, und im 
borigen Jahrhundert war sie noch in jeder 
Apothebeẽ gebräuchlich. Der Meister bennt 
auch andere Formen, er weiß, daß die ältere 
Zeit auch die Sarge aus Stein fertigte, bennt 
aber auch die Nachteile einer so unendlich 
schweren Maschine, deren Gewicht auf die 
Dauer auch einem starken Gewölbe Schaden 
tut, zumal in ihrer nächsten Nähe das Wasser 
geplantsch nicht ganz zu vermeiden ist. 
Endlich ist die Glasur so weit, daß sie 
o»hne BSedenkben Verwendung finden Lann 
Alle Geschirre sind sauber, Lein Sandbörnchen 
ꝛlebt an ihnen, sie sind lufttrocken, das Glasieren 
bann beginnen. Noch einmal wird das ganze 
Stũck weich, sorgfältig muß es getroͤcknet 
werden. Die Schuͤsseln werden paarweise auf⸗ 
einander gestülpt, gebördelt, damit sie sich im Trocknen nicht schief 
ziehen. Die obere trocknet nun schneller als die untere, sie werden 
umgeschwenkt, um ein gleichmäßiges Erhärten zu bewirken. Jetzt 
erst, nachdem die Ware hart geworden ist, kann an die Seschickung 
des Ofens gedacht werden. 
Es ist ein, Bauwerb für sich, so ein Töpferofen: ein lang- 
gestrecktes, spitzbogiges Gewölbe mit einer langen Feuerung davor. 
Am hinteren Ende steht der Schornstein, damt die Glut den ganzen 
Kaum durchziehen muß. 
Ein loses Gefũge, Ständer genannt, aus feuerfesten Steinen 
scheidet die Feuerung von dem eigentlichen Ofen, in den die Ware 
sorgfältig eingesetzt wird. Vasen und sonstwie heikle Sachen 
bekommen tongedrehte Dreifüße, die auf ihrer Unterlage wohl 
ein bißchen anbacken, aber mit einem leichten Schlag entfernt 
werden Lönnen. Etwa vier Stunden wird mit meterlangen Hölzern 
angeheizt, dann erst kommt etwa 3wei Meter langes Langholz 
dazu; der vorher kaum eine Rauchwoolke ausschickende Ofen wird 
zu einem qualmspuckenden, glühenden Ungetüm, eine Hitze von 
1200 Grad muß erreicht und je nach der Art der Ware längere 
oder bũrzere Seit erhalten werden. Da werden die Holzstoße, 
die vor dem Hause kunstreich aufgestapelt sind, rasch blein, schwinden 
zusammen wie Butter an der Sonne 
Gerät der Brand, so ist es aber auch ein Spaß, zu sehen, 
wie flink die Ware ihre Abnehmer jindet, denn es ist doch immer 
noch so, daß derjenige, der etwas Gutes leistet, gejucht wird, auch 
wenn er weitab von der eigentlichen Heerstraße wohnt. 
Abbildung 2 
Meister Gimpel hat in seinem Geschäft, das er nun über ein 
albes Jahrhundert führt, manchen Erfolg errungen. Anendliche 
Mengen der mannigfaltigsten Waren sind aus seiner Werbkstatt 
inausgegangen, sie haben ihm Freunde gemacht in der engeren 
ind weiteren Heimat, sind nach Sachsen, Ostpreußen, über den 
khein und gar nach Amerika gegangen; er hat sich schon bald 
iach seiner Geschäftseröffnung eine Frau heimführen Lönnen, und 
ie beiden haben, da ihnen eigene Kinder versäagt waren, an taub— 
tummen Kindern treulich Elternstelle versehen. Aus einem Leben 
oll unendlicher Arbeit hat sich der noch immer Rüstige als kböst 
ichstes Gut die Freude an seinem Werb gerettet. Mit Stolz zeigt 
x die Anerbennungen, die ihm von Ausstellungen und hohen 
derrschaften zuteil wurden, mit Freude erinnert er sich der lobenden 
Vorte eines Kenners, aber die größte Freude hat er doch an 
inem gutgeratenen Stück. Dann leuchten seine Augen, lauschend 
ängt sein Ohr den Klang, wenn er mit hartem Knöchel gegen 
as Stück pocht. 
Noch jehlt seinem Geschäfte der, der es fortführt; möge der 
iebzigiährige Meister einen Nachfolger finden, der handwerkliches, 
üchtiges Können mit ebensolch feinem kLünstlerischem Empfinden zu 
ereinigen vermag wie er! 
Wie weit geht der Hagel? 
In Blofeld, Kreis Büdingen, kennt man 
die Scherzfrage: Wieweit git dann de Neawel 
Nebel)? Antwort: Bis noch Schdoare (Staden, 
Kreis Friedberg). Dort nämlich heißt es nicht 
mehr Neawel, sondern Newel. Wendet inan diesen 
Scherz, den die Hessischen Blätter für Volks 
bunde berichten, auf das Hageln an, so hagelt 
es in der Provinz eigentlich nur in den größeren 
Stãdten oder wo sonst die Schriftsprache ihren 
Einfluß ausübt. Im ganzen übrigen Gébiet 
aber, dem eigentlichen Dialektgebiet, kisselt 
ieselt), schlooßt schluußt, schlautet) oder schoßt 
es. Das erste dieser oͤrei Worte, kisseln oder 
kieseln, ist mit dem schriftdeutschen Kiesel ver- 
wandt. Schon Erasmus Alberus, ein aus 
Sprendlingen in der heutigen Provinz Starkben- 
burg gebürtiger Schriftsteller des 16. Jahr- 
hunderts, braucht kisseln ĩim Sinne von hageln 
und schreibt: „da kam ein großer Regen und 
donnert und blitzt und bisselt, daß die Kisseln 
Hagelkörner) gefallen waren so hoch als 
Mewren (Mauern)“. Auch schlooßen kommt 
schon im älteren Deutsch als floozen (hageln) 
vor. Schossen endlich dũrfte mit Schoß (Spiel- 
kugel der Kinder) zusammenhängen, einem 
Wort, das erst die heutige Mundart bezeugt 
und zwar aus Nordthüringen und anscheinend 
auch dem östlichsten Hessen. Anter diese drei 
Kegenten ist das Reich nun ziemlich ungleich 
aufgeteilt. Im ganzen Südwesten, also in 
Nassau mit den angrenzenden Kreisen Wiitgen- 
tein, Marburg, Weßtzlar, aber auch in den hessendarmstädtischen 
Treisen Gießen, Friedberg, Büdingen, ja bis in den Kreis 
Helnhausen und hart vor die Tore von Fulda (Petersberg bei 
fulda) kisselt oder kieselt es. Möglich, daß dies Gebiet durch 
die Kreise Schlüchtern und Schotten vollkommen abgerundet 
vird. Im Nordosten hingegen schlooßt es und zwar von den 
Kreisen Gersfeld, Fulda (Nordteil), Alsfeld, Kirchhain bis hinauf 
nach Cassel. Nur im äußersten Osten wird schlooßen stellenweise 
)urch schossen abgelöst: aus dem östlichen Kreise Hünfeld und 
Dudenrode, Kreis Wißtzenhausen, ist es schoßt eingeliefert. Gern 
püßte man, ob und wie weit es auch in den öjstlichen Kreisen 
Kotenburg und Hersfeld vorkommt, aus deren Westteil übrigens 
e einmal hagelt eingesandt ist. 
Soweit das freilich nur sehr grobe und ergänzungs— 
»edürftige Bild, das wir von den Geltungsbereichen der drei 
Vorte zeichnen bLönnen und das jeder Leser dieser Seilen mit den 
infachsten Mitteln nachzuzeichnen vermag. Wie ist es zustande 
gekommen? In der Hauptsache durch die Antworten auf die 
jrage „es hagelt“, die einer der letzten Fragebogen des Hessen- 
Nassauischen Wörterbuchs stellte. Sieht man dieje Antworten auf 
hre örtliche Verteilung hin durch, so ergeben sie die oben um— 
grenzten Wortgebiete. So tragen uns also die Fragebogen zweierlei 
in: erstens die verschiedenen Ausdrücke, die gebräuchüch sind, 
weitens die Gebiete, in denen diese Ausdrücke gelten. Da dies 
iber Hauptpunkte sind, auf die ein modernes Mundartenwörterbuch 
ichten muß, so sind die Fragebogen dem Hessen.Nassauischen 
Zeichnung von J. Schulz
	        
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