Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Auf der H 
VDon der Mengshäuser Kuppe. Der Niederaulager Sweig- 
erein des Knüllgebirgsvereins hat auf der Mengshäuser Kuppe 
zwei Aussichtskanzeln errichtet und am 17. Juni in stimmungsvoller 
Feier eingeweiht. Damit ist ein schöner Höhepunbt, der prächtige 
Ausblicke in das Fulda- und Haunetal bietet, wieder voll zur 
Seltung gekommen. Und das sei dem Sweigverein Niederauld 
herzlich gedankt. Bei der Feier kam das Heimatspiel „Das Franzosen⸗ 
grab“ von Justizobersekretär Ottomar Kirchner zur Aufführung. 
Es verwertet die noch in den dortigen Dörfern lebende Sage vom 
„Franzosengold“, nach der beim Rückzug der großen Armee 1812/,18 
hier oben zwei französische Offiziere umgebracht worden sind. 
Das in wohlklingenden Versen geschriebene Stück fand eine gute 
Viedergabe und reichen Beifall. In einer von warmer Liebe zur 
heimat getragenen Ansprache übergab Amtsgerichtsrat Heußner, 
der Dorsitzende des Knüllgebirgsvereins, die beiden Kanzeln der 
vffentlichkeit und dankte der Forstverwaltung für ihre Mithilfe bei 
her Errichtung. Volkslieder und Volkstänze der Niederaulaer 
Jugend erfreuten die Versammelten, bis die Stunde des Aufbruchs 
kam. Trotz der Ungunst der Seit geht der Knällgebirgsverein 
unbeiret seinen Weg, erfüllt seine sich jelbst gestellten Aufgaben 
und richtet den niedergeschlagenen Blick zu den Höhen empor. 
Höhenwärts wandern — sei das Symbol nicht nur des Knüllgebirqs- 
ereins, sondern unseres ganzen Volkes! 
Ubergabe der Burg Ludwigstein an die Jugendbünde. 
Das war ein Tag, der in unseren Herzen geklungen hat und weiter 
lingen wird. Für uns war der erste Julijonntag ein Freudentag. 
Das hat gewiß schon jeder gefühlt, der die Schar Burschen und 
Mädchen am Morgen von Witzenhausen zur Burg ziehen sah und 
ijngen hörte: „Es lebt der Schütze froh und frei.“ — DVor dem 
Surgtore wehrte der Burgwart mit seinen Spießgesellen den Ein— 
»einglichen. Die Burg in ihrem Schmuckeée sollte für uns eine 
überraschung werden. Das wurde sie auch, als uns später der 
WMandervogelArchitett Enno Narten, der den Ausbau der Burg 
eitet, am Burgtore empfing. Der Burghof stand im Seichen einer 
ernsten, aber nicht traurigen Feier. Ernst deshalb, weil sie für uns 
ein Gelöbnis wuürde. VDiele von uns haben an das Gelöbnis auf 
dem hohen Meißner gedacht und sahen in der Burg ein Symbol 
für unser Wollen und ein Denkmal für die gefallenen Kameraden. — 
Wer all die Burschen und Mädchen im Burghof, auf den Vor— 
dauten in den Tür- und Fensteröffnungen sitzen und stehen sah, hat 
es wohl dunkel gefühlt und leise gedacht: „Das sind die rechten 
Erben der früheren Burgherren.“ AUnd als es einer der Redner 
aussprach, ist es einem jeden von uns zum Bewußtsein gekommen 
und hat ihn mit Freude und Stolz erfüllt. Den offenen Mut und 
die Eebensfreude wollen wir mit ihnen gemein haben. Unser Adel 
freilich soll innerlicher Art sein. Karl Laabs, der Gauwart, fügte 
noch hinzu: „Wir wollen nicht altertümliche Mauerreste romantisch 
umträumen. Dann sind wir der Ahnen nicht wert. Anser Leben 
joll einen festen Weg und ein bestimmtes Siel haben.“ Da war 
es auch bein Sufall mehr, daß der im Kreiege gefallene Walther 
Flex, der ein starbkes Menschentum predigt, erwähnt wurde. — Was 
in den Reden über Wege und Siele der Jugendbewegung gesagt 
wurde, haben die meisten gefühlt, aber die wenigsten bonnten es 
in eine Kede formen. Und da war für alle das Landsbknechtlied: 
„Ich habe Lust im weiten Feld zu streiten vor dem Feind“, der 
rechte Ausdruck. — Der Nachmittag war mit Wettbämpfen aus- 
gefüllt. — Der Ludwigstein ist uns nun durch den Kegierungs- 
Präsidenten übergeben worden. Der preußische Staat und der 
Bezirbsverband haben zusammen ein zinsenfreies Darlehn von 
350000 Mark gegeben. Was wir weiter für den Ludwigstein tun 
wBnnen ist neben materiellen Opfern vor allen Dingen das: dahin 
zu streben, daß der Ludwigstein unser „Eigentum“ wird. Dann 
ind wir in seinem Besitz der frühern Besitzer und der im Kriege 
gefallenen Kameraden würdig. i. 
Jugendherberge Tannenberg. Auf der Burgruine Tannen- 
herg beĩ Nentershausen (Kreis Kotenburg) ist eine Jugendherberge 
eingerichtet, die der wandernden Schuljugend (unter Führung) und 
allen Jugendlichen offensteht. In einem wohnlich eingerichteten 
Tagesraum ist auch Gelegenheit zum Abbochen für größere Gruppen 
gegeben. In zwei Schlafräumen sind 20 Bettstellen (5 und 15) 
mit Strohsäcken aufgestellt und 40 Decken. Da sich die Schlaf. 
räume trennen lassen, bönnen gleichzeitig Jungen und Mädchen 
ĩbernachfen. Auch sind weiftere Strohsäcke vorhanden. sodaß bis 
ezimafwarte. 
10 Wandervögel Unterbunft finden können. Bei Beginn der 
Jugendwanderungen sei auf diese herrlich gelegene Jugendherberge 
ingewiesen. Vorherige Anmeldung mit beigefügter Rückantwort- 
arte ist an den Herbergsleiter Dr. Schröder. Arzt in Nenters- 
ausen. zu richten. 
VDerfall der Sababurg. Seitungsstimmen berichten von dem 
ortschreitenden Verfall der Sababurg, die mitten im Reinhardts- 
oald sich erhebt, wo er noch Urwaldcharabter trägt und zum Natur- 
hutzgebiet erbllärt wurde. Die Mainzer erbauten die Burg um 1334 
n diejer Waldeinsambeit. Nach ihrer Serstörung wurde sie von 
hessen wieder aufgebaut, um dem Landgrafen als Jagdschloß zu 
ienen. Der Naturtierparb, von einer gewaltigen Mauer umgeben, 
egt heute noch viel Wild. Auf der Sababurg war der Silberschatz 
»es Kurfürsten Wilhelm J. verborgen, als er 1806 über Arolsen 
ach Schloß Gottorp bei Schleswig floh. Leider wurde der Silber— 
chatz mit manchen anderen Kostbarbeiten von den Franzosen geraubt. 
dach der Franzosenzeit begann der Serfall der Burg, dem jetzt 
kinhalt getan werden muß, will man überhaupt noch etwas retten. 
da die Mittel fehlen, ergeht ein Aufruf zu Spenden an alle 
heimatfreunde. Wer den Reinhardswald und seine stille Schönheit 
ennt und liebt. wird gern zu einem kleinen Opfer bereit sein. 
Der Ortsname Süschen hat schon manchem Sprachforscher zu 
enben gegeben. Die Seitschrift des historischen Vereins für Nicder- 
achsen (18583) bringt ihn in Verbindung mit Tuschensen⸗Swischenseen. 
förstemann stellt Süschen neben Twiste und vergleicht ihre älteren 
erwandten Schreibweisen. Eigentlich stellt F. vier Ortsnamen mit 
ielleicht ähnlichem Ursprung nebeneinander und zwar in folgender 
Veise: a) Twiste am Flusse gleichen Namens, Nebenfluß der Diemel, 
») Tüste bei Hildesheim, c) Süschen nordwestlich von Fritzllar, 
) Swesten westlich von Borben. Interessant ist die von F. ange— 
ührte Reihe älterer Schreibweisen: Tuistai, Tuista, Tuischtnum, 
zuschtnum 1074, Tuwesten, Twestni. Auch Förstemann will hiermit 
rur Dermufungen und Anrequndgen zum Ausdruck brinden. 
Alboholfreie Jugenderziehung. In Berlin fand in der 
hdimmelfahrtswoche eine Tagung statt, die unter diesem Gedanken 
kand. Die bedeutendsten Männer der Wissenschaft und des öffent- 
ichen Lebens Lamen zu Worte. So Geh. Medizinal-Kat Prof. 
duczel aus Marburg, Reichsjustizminister Prof. KRadbruch, Kultus— 
ninister Strecker aus Darmstadt, der Berliner Universitäts-Prof. 
sernst, der erste Beamte des evangelischen Kirchenvolkes Ober— 
onsistorialeat Busch in Berlin, der Dertreter des Kardinals von 
Zreslau für die batholische Kirche, der erste Vorsitzende der deutschen 
curnerschaft Dr. Berger und als Vertreter der Sportverbände 
)r. Wallwitz. Einmütig KLam zum Ausdruck, daß das deutsche Volk 
ie Gefahren des Albohols in jseinen gesundheitlichen, volkswirt- 
haftlichen und sittlichen SZusammenhängen auch nicht nur annähernd 
egriffen habe. Wie wäre sonst ein solcher volkswirtschaftlicher 
Vahnwitz möglich, daß ein hungerndes Voll die Nahrungsmittel 
on einer Anbaufläche in der Größe unserer Heimatprovinz und 
es Volksstaates Hessen dazu in Genußmittel umwandelt! Wie 
väre es sonst zu verstehen, daß ein valutaschwaches Volk seine 
Vährung durch freiwillige Selbstbesteuerung in Einfuhr ausländischer 
Alkoholika und Narkotißka im Jahre 1920 nach Schätzung des 
eutschen Banbiertages um 85 Milliarden (davon 20 Milliarden 
ür Sigaretten!) und 1921 sogar um 55 Milliarden schwächte! Wer 
»at Worte dafür, daß für französische Weine und Likböre 1 bis2 
Nilliarden Goldmark unserm Volbe verloren gehen! Ahnt niemand 
ie engen Susammenhänge zwischen Rauschtrank und Geschlechts- 
ranbheiten? Von der weiteren Herabminderung unjserer Volbsbraft, 
iachdem baum der Würgengel Krieg durch unser Volk geschritten 
jt? Und davon, daß der Albohol ein Feind ist aller göttlichen und 
nenschlichen Geseße? So gilt denn von diesem zweiten Kongreß 
as Wort Roseggers, mit dem er den ersten Kongreß vor neun 
Jahren begrüßte: In den Erfahrungen eines langen Lebens habe 
h die Überzeugung gewonnen, daß es baum ein notwendigeres 
iationales Werb gibt, als das: unser Volk vom Gifte des Albohols 
u befreien. Die Tatjachen sprechen furchtbar laut. Ich schweige 
ind flehe um des Himmels Segen für Ihre Arbeit! — Einsichtige 
ẽltern und Erzieher und Führer des Volbes mögen aber auch ein 
Vort Salzmanns beherzigen, das er als Leitwort über sein Krebs- 
wblee setzte: Ich werde all das tun. Däterchen, was ich dich zuerst 
un sah. D. 
A— Konead Berenecher-Meljungen, unter besonderer Mitarbeit von: Kreisschulrat Schwalm-Siegenhain und e eer H. Ru —e 
lle Heimatfreunde sind als Mitarbeiter willlommen. — Verantwortlicher Schriftleiter: Paul Woicke-Melsungen. — Alle Suschrijten an die Heimat-Schollen“ sind an 
die Schriftleitung in Melsungen H„ꝛ eichten, Zahlungen auf Postscheckkonto, A. Bernecker, Franbfurt a. M. Toss. Anberwertete Manusbripte werden nur auf Verlangen zurũck⸗ 
esandt. Der Nachdruch aljser Arbeifen mit Mamenszeichnung ist nur nach übereinkunft mit dem Herausgeber gestattet. — Druck und BVerlag: A. Beenecker in Melsungen.
	        
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