Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Jute Freunde und treue Berater ihrer Kaiser mit über die Alpen 
rach Italien zogen. Las dann auch von des Klosters sinkender 
Macht und unrühmlichem Ende: wie es, wie damals viele andere 
Leinstaatliche Gebilde, in zähem, stillem Ringen mit dem Städte 
uind Länder fressenden Landesfürstentum (hier war es die Land- 
grafjchaft Hessen-Cassel, auf deren Seite sich auch die Bürger der 
Stadt Hersfeld stellten) unterlag und schließlich in den gewaltigen 
Wellen der Reformation, ohne irgendwelchen Widerstand versücht 
zu haben, verschwand. Nun war Heesfeld ein bleines Landstädtchen 
der Landgrafschaft, deren Herrscher der Stadt die einstige stand— 
afte Treue ihrer Bürger schlecht vergalten und wenig für sie taten. 
Dazu bamen die Unwetter des Bauern-, Dreißigjährigen, Sieben- 
ährigen Krieges und weiter der Napoleonischen Kriege, von deren 
Leiden die Stadt ihr überfließend Maß hat trinben müssen. 
AUnd damit sind wir zur Gegenwart gekommen. Was bedeutet 
das Städtchen heute im Hessenlande? Nun, da steige ich auf einen 
er Berge, die mit ihrem Fuße hart an ihre Mauern stoßen. Wie 
iegt es so lieblich da in dem freundlichen, wiesengrünen Fuldatale, 
n dem dichten Kranz seiner Anlagen und Gärten! Wie wogen 
»on allen Seiten die Berge und Wälder heran! Hier der Knüll, 
ort die Vorberge des Dogelsberges, der Khön, des Thüringer 
Waldes und da die Wellen des Hessischen Berglandes. Und ich 
veiß, man wird lange im Hessenlande wandern müssen, ehe man 
ine gleiche Stadt findet, die die Natur ebenso freundlich begünstigte. 
Auch die Menschen schmückten sie. Da steht der wuchtige Stadt- 
lirchenturm, dem man nächstens zu seinem 600 jährigen Geburtstag 
gratulieren darf, das wundervolle Renaissance-KRathaus, mit seinen 
rõhlichen Schnörbelgiebeln und festlich umrahmten Toren; so manche 
rächtigen Fachwerkhäuser, heimlichen Winkel und stattlichen Plähe 
alten unser Auge fest. Was einst der Stadt Wehr und Ehr war, 
die trohßigen Festungsmauern und wehrhaften Türme, nun sind sie 
zu ihrem malerischen Schmuck geworden. Vor dem Johannistore 
iber liegt der Kurpark mit jeiner alten Brunnenallees und seinen 
reundlichen Häuser⸗ und Parkanlagen. 
Triumphbogen der Stiftsruine in Hersfeld 
Damit wären wie bei der Stiftsruine angelangt, jenen gewaltigen 
Überresten der Klosterbirche, die man anno 1038 zu bauen begann, 
in über hundertjähriger Arbeit anno 1144 vollendete und in Gegen— 
wart Kaijer Konrads III. feierlich weihte. Sie brachte mir den 
Ramen Hersfelds zum viertenmal nahe. Denn welche deutsche 
Kunstgeschichte Lann vorübergehen an diesem romanischen Bau, der 
noch als Ruine (die Franzosen haben ihn im Siebenjährigen Kriege 
zerstört) durch die Wucht seiner Steinmassjen, die Schönheit seiner 
Proportionen und die gewaltigen Maße, die ihm zugrunde gelegt 
wurden, unser Erstaunen und unsere Bewunderung erweckt. Noch 
mehr als bisher wird er den Namen Hersfelds hinaustragen in die 
deutsche Gelehrtenwelt; denn die Grabungen, die in und vor seinen 
Mauern unter der trefflichen Leitung des Professors Vonderau, 
Fulda, im vorigen Jahre begonnen wurden, fördern für die deutsche 
Baugeschichte immer neues interessantes und wichtiges Material 
zutage, über das nach Abschluß der Grabungen Ausfühelicheres zu 
berichten sein wird. 
So war mir die Stadt beine Unbebannte, als ich vor mehr 
als einem Dutzend Jahren in ihr eine neue Heimat fand, wenn 
ich sie nun auch erst genauer bennen lernte. Ich las in den Blättern 
der Chroniben von ihrer bedeutsamen, freuden- und leidenvollen 
Dergangenheit, ich las von den beiden Schülern des Bonifatius, 
die die ersten Samenbörner legten, aus denen sie erwachsen sollte: 
Sturm, der 136 die ersten Sellen hier baute, und Lullus, der 769 
das Kloster begründete. Daß aber diesen ersten christlichen An- 
siedelungen eine alte germanische vorausging, geradeso wie in Fulda, 
das haben die schon erwähnten Grabungen Professor Vonderau's 
mit Sicherheit ergeben und sei hier nebenbei bemerkt. Ich las von 
den Glanzzeiten der Abtei, deren Streubesitz von den Ufern des 
Kheins, wo sie sich in dem Weinnest Obexringelheim festgejsetz! 
hafte. bis an die Anstrut reichte. Von den Reichsäbten. die ass 
por dem Abbruch 
Kathausplatz 
der Bürdgerhäuschen zur Koechten 
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