Tiefes Schweigen liegt über der Menge, nur wenn die hohlen
Köpfe unversehens zusammenstoßen, dann murrts und knurrts einen
Augenblick schläfrig durch den Raum.
Immer mehr schwillt indessen die Versammlung an. Alle
Augenblick klinkt die Tür auf: „'n Dag, Drine, ich wollt mir 'n
bißchen Hefe langen. Für 'n Silberbatzen. Er lieg'n im Töpfchen“.
„Stoll's dahin“, bedeutet die geschäftige Wirtsfrau freundlich.
„Ich wollt sie gleich mitnehmen“, meinte Lotze Liß.
„Lißchen, das geht nicht, ich muß sie erst verteilen“, antwortet
die Wirtin gleichmütig, aber bestimmt und fährt fort aus der Mulde
die trübe Brühe, Bier und Hefe, in die verschiedenen Töpfchen
zu schütten. Dabei hat sie nicht gern Suschauer; denn die Arbeit
verlangt viel vergleichendes Nachdenben, allen gerecht zu werden.
Aber Lotze Liß blebt und bramt Neuigleiten aus: „Deine,
hast du's schont g'hört, mit Pauls Katterleis solls nun auch soweit
sein“.
„Och du!“ lautet die einsilbige Antwort.
„Mechels hab'n diese Nacht 'n bleines Mädchen gebriegt ...
Mulln ist der Knecht geschätzt. .. Ja, und Bösse Jabob ist die
Nacht g'storben ...“ GSo ratterts weiter.
Keine Antwort, nur die Augen der Wirtin, die prüfend von
Töpfchen zu Töpfchen! gewandert sind. halten einen Augenblick auf
diejem Wege inne.
„'n Tag!“ Die alte Waäse Kathrin erscheint jetzt auf der
Sildfläche. Sie hat den letzten Sipfel von den Neuigbeiten zwischen
Tür und Angel hindurch gehört und dreht sofort ihren Faden da
an: „Ja, er hat alles seiner Maad vermacht. 's ist auch nicht ganz
recht, wie“?
„Was!“ fährt aber da Lotze Liß auf, „seine Kinder sind all'
tot, und ich gönn's dem armen Mädchen lieber als der reichen
Freundschaft“.
Swei weitere Frauen betreten die Stube, die eine weiß von
ihrem Wilhelm zu erzählen, der allweil bei den „Trenbern“ (Train)
steht, und die andre vom Jostebauer, daß er über Feld gegangen
und nächt zu Abend nicht wieder nach Hause gebommen ist.
„Du liebes Gottchen, wo wird der wohl sein?“ tönts aus vier
„Mäulern“ zugleich, und über vier Rücken läuft dabei ein wohl-
tuendes Gruseln.
„Wo wird der wohl sein!“ tönt aber da die Antwort von
der Türschwelle her. „Er war nicht besoff'n, wie ihr vielleicht
denbt, bloß irr ware auf den Trieschern kommen, und da ist er in
Hauptschwend' beim Vetter Justus über Nacht geblieben“.
Das Weibsbild von Jostebäucrin, die das in bissigem Tone
zwischen das schwatzende vierblätterige Kleeblatt wirft, ist jo urplötzlich
da zur Stubentür hereingefahren, daß Lotze Liß und dest Waje
Kathrin und den beiden andern Weibsen das Konzept verrückt
und das Wort entfallen ist. Ganz bedäppert verläßt eine nach der
andern das ungemütlich gewordene Lobal, jede mit dem giftigen
Gedanken, dem Lotze Liß Ausdruck verleiht: „Der — und nicht
besoffen! ...“
„G'n Tag, Waj' Drine“, wisperts da schon wieder. Nells
Adde bringt ein Töpfchen, und zuletzt kommt noch Dietze Wilhelmchen.
Nun sind sie alle beisammen. Mutter Drine fuͤllt und verteilt
immer weiter, stundenlang, bald hier, bald da eine Aenderung
vornehmend, sie bann sich garnicht genug tun.
Nun bricht der Trubel des Abholens los. Schwalms Dreine
steht da wie ein Fichtenstamm im Sturme über die Töpfe gebeugt.
prüfend, suchend. Sie bann ein Töpfchen nicht finden.
„Wie sah's denn aus?“
„Kot“.
„Ist's dies?“
„Nei — ein“.
Dies?“
„Nein, nein“.
„Wer hat's denn vbracht?“
„Mein' Mutter“.
Dann schick dein' Mutter her. wir Lommen sonst nicht aus-
ocinandor“
„Schwalms Drine, habt ihr uns denn auch recht, recht viel
Hef' gegeben — wir wollen doch schlachten“, kommt der Anfall
»on einer andern Seite.
„Ja, ich weiß's“.
— in meinem Töpfchen ist bloß Brüh'“ schilt's von einer
ritten.
„Für zwei Heller bann man nicht mehr geben“.
„Drine, ich hab' gar kbeine briegt“, bost's von einer vierten.
„Ihr seid zu spät Lommen, ich sagt's gleich. Ich kann die Hefe
nicht — machen“.
Schluß ...
O woh, in dem NAugenblick kommt Dietze Wilhelmchen zurück
n die Stube geblärrt, Kotz und Wasser weinend, „Was' Orine,
Wäj' Drine, ich — ich bin gefall'n. 's Töpfchen ist ganz, ganz
aput. Die Scherbeln und die Hef' liegen im Gäßchen“.
Stillschweigend, aber leise seufzend geht Mutter Drine da hin
uind holt das bißchen Hefe, das sie für ihren eignen Haushalt
urückgestellt hat, füllt's in ein funkelnagelneues Töpfchen, streicht
dem Kerlchen über die seidenweichen weißen Haarlocken seiner
Bolkeankb und gibt's ihm.
Und einen MApfel so rot wie seine Pausbacken erhält Dietze
Wilhelmche auch noch von der Was' Deine.
Hofoekirmes*
:.:. . . ni Anerdoten. ......
Geritten.
Jemand „reiten“. das ist auch so eine Ungspeielei (Eulen-
piegelei).
Wenn der junge Wiesenmüller, dessen Mühle etwas seitab liegt,
ibends „im Dorf“ gewesen war, und er kam bis an eine gewisse
Stelle, dann huckte ihm ein Bursche auf, und der gute, dumme
Furchthase von Wiesemüller trug ihn ohne Wehelaut mit Esels-
jeduid bis ein Stück von seinem Vaterhaus. Dann hüpfte das
Hespenst“ von seinem Rücken.
Dasselbe geschah auch eines nachts dem „blenne Hännes“
blinden Johannes), einer schwalmbebannten Persönlichbeit. Dies—
nal hatte sich das „Wahnerding“ (Wanderding, Gespenst) auch noch
zjanz besonders gespenstermäßig zurechtgemacht, hatte ein Paar
»aarige Handschuhe angezogen, mit denen es dem armen Hännes,
er's ächzend trug, alszu im Gesicht herumfummelte. „Alle
Juten Geister loben ihren Meister!“ hat der da wohl ein Dutzend
nal gebetet. bis er von seiner Last befreit wurde. Schw.
Heuüte hatte der Herr Pfarrer ein Säulein geschlachtet, und
ein Nachbar, der ein armer Schlucker war, hätte gar zu gern eine
Sseite Speck davon gehabt, wußte aber nicht, wie er sie briegen
ollte. Lange sann er hin und her, endlich kam ihm ein gescheiter
Finfall. Er zog sich flinternackigt aus, wie ihn Gott geschaffen hatte,
berstrich seinen ganzen Körper mit Lampenruß und broch durch
zie Gosse in die Küche des Pfarrheren. Dort stieg er in den
5chornstein und machte nun einen Höllenspektabel. Der Pfarrer
pachte auf und rief die Magd, sie solle einmal nachsehen, was es
n der Küche gebe. Die ging zaghaft hinein, bkam aber um so
chneller und ganz verstört wieder in die Stube gesprungen: „Herr
ANarrer, in dem Schornsteine sitzt der leibhaftige Gottseibeiuns!“
Nun ging der Pfarrer selber in die Küche und fragte dem Schorn-
teine zu: „Alter Teufel, was willst du?“ Der „Schwarze“ antwortete
nit einer Stimme. die aus dem Grabe zu bommen schien: „Diener
Hottes, ich will dir eine Seite Speck bringen“. „Alter Teufel, ich
vill keine Seite Speck von dir“, entgegnete der Pfarrer, „hebe dich
zinweg von hier“. „Diener Gottes, dann öffne die Tür“. Der
ARarrer tat's, und der Dieb schritt nun unbehelligt mit der Seite
poeck hinaus. die er dem Mfarrer gestohlen hatte Schw.
a⸗⸗ —— —
VDom Büuchoertische der Heimat.
List.
Kosen am Schulhaus. Von Wilhelm Neuhaus. Im Ver—
lage der M. Westphalschen Buchhandlung, Hersfeld. Preis 2Mb.
Ja, das sind Kosen, rote Rosen voll träumenden Duftes, ge-
schlungen um des Lehrers seelsorgende Arbeit. Es wird mir schwer,
zu sagen, welchem Röslein ich den Preis geben darf. Am besten
hat mich „Wies geht“ und „Biblische Geschichte“ angesprochen;
aber die andern mögen nicht bös sein, gefallen haben sie mir alle.
In den Prosagedichften lernen wir Neuhaus von einer ganz neuen
Seite Lennen. Aber diese Art liegt ihm vorzüglich. Stücke wie
„Das be- und mißhandelte Lied“ und „Das bleine »o«“ sind ihm
jeradezu köstlich gelungen. Wir beglückwünschen den Dichter, der
en Mitgliedern des Knüllblubs seit der Herausgabe der Seitschrift
Mein Heimatland“ längst bein Fremder mehr ist, zu dieser neuen
östlichen Gabe. In einer Seit wie die heutige ist ein Buch wie
ies ein Trunk aus einem freischen Bergquell, der das Herz frijsch
ind die Augen hell macht. Gehe hin und kbaufe und seke dich ans