Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

dauer hörte gern Neuigbeiten. Die packte der Hausierer, 
der weit herumkam und viel in den Wirtshäusern verkehrte, 
nassenhaft aus. Zu guter Letzt kaufte der Bauer ein Paar 
Schuhe, und die Gritt tat desgleichen. „Ich dank auchl!“ 
sagte der Hausierer. „Macht's gut, bis ich wiederkbomm!“ — 
„Glück auf die Kütschl“ rief ihm der Bauer nach und dachte: 
Der weiß großartige Geschichten und hat einen guten Sug! 
Don nun an kehrte der Kuppertsburger öfter beim Brunnen- 
bauer ein. Stets war er durstig wie ein Schwamm. Die 
Gritt gefiel ihm, das merkte man. Er hatte Acker daheim, 
bertraute er ihr, gute Stücke Land. Die wollte er gern 
selbst bewirtschaften; allein, er hatte sein Geschäft, Lonnte 
nicht alles zusammen leisten. Ohne Frau würde es auf die 
Dauer nicht gehen. Er hatte sich sagen lassen, die Gritt 
könne mehr als Brot essen, verstehe sich aufs Bauerieren 
und halte beim Mähen den Strich. Die Gritt antwortete: 
„Wer beim Brunnenbauer nix lernt, muß dumm sein wie 
Schuttestroh. Ich hab ein Arbeitchen hier, das hat sich 
gewaschen. Aber mich braucht beins zu dringelieren, ich 
ummel mich gern!“ Bald danach schickte er ihr einen Freiers- 
nann. Der legte die Verhältnisse des Heiratskandidaten 
dar und lobte ihn aus Leibesbräften. Die Gritt bat sich 
Bedenbzeit aus. Sie hatte Derehrer im Ort, beine Begehrer, 
denn sie war arm. Ewig zu dienen, war nicht ihr Wunsch. 
Jetzt bot sich ihr die Gelegenheit einer guten Dersorgung. 
Möglich, daß sie in einen Glückstopf griff. Ihr Entschluß 
var gefaßt, sie sagte ja. 
Das war auf Pjingsten. Im Herbst, da die Bauern 
sich nasse Buckel bei der Aussaat holten, zog die Gritt 
in Ruppertsburg ein. Anfangs ging alles glatt. Die 
unge Frau lag der Feldarbeit ob, der Mann fuhr draußen 
nit seinen Schuhwaren herum. Gegen Ostern traf der 
Keisende der Pirmasenser Schuhfabrik ein, mit der der 
Hausierer in Geschäftsverbindung stand. Der lange Kappes 
hvon Altenhain hatte dem Herrn durch ein paar Dörfer 
den Musterkboffer getragen, hatte mit wässerigem Mund 
zugeschaut, wie der Handlungsreisende in Aleichstein zu Mittag 
ipeiste. Eingeladen, mitzuhalten, stürzte er drei Teller Suppe 
hinunter. „Tut langsam,“ sagte der Gastgeber, „'s kommt 
och was nach.“ — „MWacht nix,“ brudelte der Kappes, 
„ich sein gut zu Fuß!“ Das erzählte der Pirmasenser und 
achte, daß sich die Balken bogen. Nachdem er die Muster 
borgelegt und einen MAuftrag erhalten hatte, forderte er 
einen Geschäftsfreund auf, ihn in die Kreisstadt zu begleiten. 
Das tat der Hannes gern. Mbends behrte er betrunken 
zurück und warf die Kartoffelklöße, die seine Frau auf den 
Tisch brachte, zum Fenster hinaus. Die Gritt zitterte wie 
Ejpenlaub. Sie erwartete ihre Niederbkbunft. Die Nachbarn 
sprachen: „Sie sieht blaß aus, 's gibt ein Mädchen!“ Das 
Mädchen wurde geboren, war schon aus dem Gröbsten heraus, 
da fiel es in Krämpfe und starb. 
Die Gritt meinte vor Leid zu vergehen. In ihrer 
Kümmernis gewahrte sie, daß ihr Mann sich dem Trunk 
ꝛegab, daß die Wirte ihm den Säckel leerten. „Das Trinken 
iegt in der Familie,“ sagte die Bäckersuttel. „Bei seinem 
Dater ging auch alles die Saufgass' herunter, und das Kupfer 
schlug ihm aus dem Gesicht!“ 
Sobald die Fabrik in Pirmasens die Erfahrung machte, 
daß die Sahlungen ihres Abnehmers in Ruppertsburg 
stockten, stellte sie die Lieferungen an ihn ein. Notgedrungen 
vurden die Acker verbauft. „Was jsoll ich etz schaffen?“ 
ragte die Gritt bestürzt. „Den Bettelsack umhängen,“ 
anzte ihr Mann sie an, „das hast du bei deiner Mutter 
doch vor dir gesehen!“ Um etwas zu verdienen, taglöhnerte 
»ie Geitt im Dorf. Mit dem Schuhwarenhandel war's 
orbei. Der Hannes hausierte mit Schuhbändeln, Knöpfen 
ind Bürsten. Der Gewinn dabei war ihm zu gering. Des— 
alb ließ er die Artikel wieder fallen und sammelte auf den 
Ddörfern Lumpen. Die verbaufte er mit Vorteil in der 
5fadt. Dort geriet er dem Spielteufel in die Krallen, 
erlor Geld und Gewissen. Als er die Gritt zum ersten- 
nal mit Schlägen traktierte, ohne daß sie ihm hierzu Der— 
mnlassung gab, rannte sie in ihrer Verzweiflung an die Horloff, 
poo sie am tiefsten war, in der Absicht, sich zu ertränken. 
Doch stand sie von ihrem Vorhaben ab. Wenn der Lumpen- 
annes sich auch an ihr vergriffen hatte, er war und blieb 
hr Mann. Sie mußte in Gottes Namen Geduld mit ihm 
»aben. Vielleicht, daß sie's fertig brachte, ihm aus seinem 
heidenleben herauszuhelfen. An gutem Willen sollte es 
hr nicht fehlen. Sie trat ihm mit Güte und Sanftmut 
intgegen, redete ihm freundlich zu. Es war tauben Ohren 
epredigt. Die Mißhandlungen wiederholten sich. Seigte 
ie Gritt sich braun und blau geschlagen mit verschwollenem 
Hesicht, schauten die Leute ihr mitleidvoll nach und sprachen: 
„Einmal muß es dem Garstvogel zum Bauchbiß bommen, 
ie Stein' auf der Gass' helfen dazul“ Die Gritt ward von 
itterer Keue gepackt, daß sie die Ehe eingegangen. Lieber 
ils Magd schanzen und schuften, als solch rohem Kerl sich 
rusgeliefert sehen. Haß gegen den Lumpenhannes begann 
n ihr Wurzel zu fassen. Sie würde sich sein Karniffeln 
ucht mehr gefallen lassen, schwor sie sich zu, sie würde sich 
zur Wehr setzen. Sie preßte die Zähne zusammen, ballte 
zie Fäuste. Sie hatte die Stärke und würde sie brauchen. 
Die Kuppertsburger hatten die letzte Frucht geschnitten. 
Auf bekränzten Wagen fuhren die Burschen durchs Dorf. 
Es wurde geschmaust und getanzt. Der Lumpenhannes kam 
nit seinem Wägelchen aus der Stadt. Die Buben johlten: 
„Huppe, huppe, Lumpenmann, 
Hast zerriss'ne Hosen an!“ 
Er blieb stehen und fluchte. Er hatte an der allgemeinen 
freude beinen Teil. In der Erbitterung über seine Der— 
ommenheit brach er daheim einen Streit mit seiner Frau 
om Saun und zerbleute sie. 
Ihr Gesicht überzog eine dunkle Röte. 
„Hör auf,“ beuchte sie mit unterdrücktem Schluchzen, „oder 
»u wirst was erlebenl!“ 
Er tobte wie ein Wilder. 
„Der Duft soll dich drücken! Willst wohl ein Abtchen 
nachen?“ 
Katsch! schlug er wieder auf sie los. 
Die Adern schwollen ihr an der Stirn. Ihre Augen 
raten aus den Höhlen. Sie sprang zurück. In der Ecke 
tand ein Eichenknüppel. Den riß sie an sich. 
„Säumagen,“ brüllte er, „den Klöppel her!“ 
Sie stemmte die Füße gegen den Boden. Ein gurgelnder 
daut rang sich aus ihrer Kehle. Sie hob den Knüppel. 
der sauste auf den Lumpenhannes nieder. Traf mit voller 
Vucht seinen Kopf. Er brach zujsammen. Blieb regungs- 
os liegen. Er war tot. 
Die Nachbarn hatten die wüste Szene mit angehört. 
Drangen herein. 
Hochaufgerichtet, mit halbgeschlossenen Lidern stand die 
Hritt da: „Ich hab getan, was ich tun mußt,“ stieß sie 
eraus, „etz macht mit mir, was ihr wollt!“ 
Ein paar Männer rannten fort. Brachten den Bürger— 
aeister und den Ortsdiener herbei. Die nahmen den vor— 
ãufigen Tatbestand auf. Die Gritt ward ins Spritzenhaus 
ibgeführt.
	        
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