entstandenen Kämpfe in der Abgeschiedenheit des hessischen
Oberlandes ausgefochten werden.
Aber nicht nur des Inhalts wegen, der das Material
seiner Geschichten und RKomane ausmacht, und um seiner
bersönlichen Eignung für die Derarbeitung dieses Materials
willen ist Bock als ein Volbsdichter im besten Sinne anzu—
sprechen. Auch Lünstlerisch, hinsichtlich der Form haben
seine Werke berechtigten Anspruch auf Wirkung in die
Breite der deutschen Leserwelt. Denn Alfred Bock gehört,
wie bereits angedeutet, zu denen, die, bewußt oder nicht,
zur Masse zu sprechen bestrebt sind. Dem Dienste dieser
Absicht entspricht es naturgemäß, auf die ungemeinen Ver—
feinerungen des Stils und die zahlreichen Verästelungen und
Oertiefungen der psychologischen Arbeit, welche für die neuere
Erzählkunst so bezeichnend sind, möglichst zu verzichten und
riner — trotzdem mit Anrecht als altmodisch bezeichneten —
Prosa-Epik sich zu befleißigen, die, auf eine unterhaltsame
und lehrreiche, und zu diesem Behuf einfache und klare
Ausdrucksweise hinzielend, nur das Ergebnis einer ebenso
ursprünglichen wie geschulten Begabung sein kann. Daß
Alfred Bock über eine solche Begabung verfügt, erhellt
ꝛinwandfrei aus der meist steaffen, dramatisch gestimmten
Komposition seiner Erzählungen, aus den bildhaft wirbsamen
Szenen, in denen die Handlung abläuft, als welcher es
uchts verschlägt, daß der Autor Anebdoten in großer Sahl
einzuflechten liebt, die in ihrer schlichten Art an den treu—
herzigen Ton alter Kalendergeschichten erinnern.
Mit dieser vielleicht ein wenig trockenen, aber echt hessischen
Zuverlässigkeit der Darstellung, mit dieser geräuschlosen und
bescheidenen, dafür aber auch um so bodenständigeren Heimat—
zunst vermählt sich nun ein strotzender Humor, der irgend—
welche Sentimentalitäten, womit sonst so gern ein Mangel
an gestaltender Begabung verhüllt wird, gar nicht aufkommen
läßt und um der grotesLen Wirkbung willen vor Derbheiten
Die Lumpenmannsqritt
Wenn der Lumpenhannes abends heimkam und — was
»äufig der Fall war — schief geladen hatte, prügelte er
eine Frau, die Gritt. Das wußte die Nachbarschaft, wußte
das ganze Dorf, und das Gerede darüber nahm bein Ende.
Die Gritt wurde rechtschaffen bedauert. Die guten Tage,
die sie erlebte, waren zu zählen, sie hatte Unglück an allen
Ecken. Gebürtig war sie aus Kebgeshain, wo ihr VDater,
ein armer Leinweber, sein Gewerbe in einer dumpfen,
niedrigen Stube betrieb, die der Familie zugleich als Schlaf-
raum diente. Wenn Not am Mann war, wenn der Bettel—
jach an der Wand verzweifelte, ging die Mutter auf die
Ortjchaften schnurren. Immer fand sie milde Geber. Ein—
mal hatte der Seidenjoseph im Häuschen des Leinwebers
genächtigt. Kaum, daß er abgezogen war, brach in der
Bodenkammer Feuer aus. Zufällig bam die Joechelsdört
porüber. Schritt dreimal um das Haus, sagte ihre Sprüche
her, und das Feuer verlosch.
Die Joceckelsdört war's auch, die der Gritt nach deren
Konfirmation beim Brunnenbauer in Ruthardshausen eine
Stelle verschaffte. Die Dierzehnjährige war groß und bräftig
und bewährte sich als füchtige Schafferin. Der Brunnen-
bauer war der erste im Ort, der die altväterische Dreifelder-
wirtschaft beijeite warf und durch Fruchtwechselwirtschaft ersetzte.
Mancherlei, was er erntete, wurde in der nahen Kreisstadt
auf den Markt gebracht. Die Gritt hatte die Augen offen.
Den Haustieren war sie besonders zugetan. Diese lohnten
die gute Pflege mit Treue und Anhänalichkeit. Hatte eine
jelegentlich nicht zurückschreckt. Sind es nun auch nicht
jerade diese höchst erheiternden Geschichten und Histörchen,
vie sie sich besonders in „Hessenluft“ und „Hessijsche
S5chwänbe“ finden, die für den Schulgebrauch geeignet sind,
o ist doch manches ernstere Stück aus Alfred Bocks Büchern
vert, der heranwachsenden Jugend als Muster volkstüm-
icher Erzählkunst vorgelegt zu werden.
Jedenfalls ist es nicht zu bezweifeln, daß die Werbe
es oberhessijchen Erzählers in ihrer Gesamtheit ein tüch—
iges Bollwerk wider die Hochflut eines seichten Schrift-
ums darstellen, mit welchem das Gemükts- und Geistes—
eben des Volkes nach wie vor verseucht wird. Darum
ollten sie in beiner öffentlichen Bibliothek fehlen, und jeder,
er das Volk und füglich auch die Begriffe der Volks—
»ildung und Volbserziehung ebenso ernst nimmt, wie es sich
ür ernst zu nehmende Seitgenossen gehört, sollte sich um
dsie Derbreitung dieser soliden Bücher bemühen. Hiervon
bgesehen, ist zum Schluß noch Folgendes zu beherzigen:
die notwendige Wiedererstarkbung des nationalen
selbstgefühls als Grundlage der kbulturellen Würdigkeit
er Deutschen ist abhängig von einer grundsätzlichen Der—
iefung des Stammesbewußtseins. Hier, in dem inneren
zusammenhang mit der Heimaterde, liegen die Wurzeln der
Zraft, an deren neubelebtem Pulsieren allein das deutsche
olb genesen kann. Wenn also der hessische Teil des
eutschen Volles zum Wohl des Ganzen sich ermannen
oill, mag er sich auch auf die geistigen Werte besinnen, die
n seiner Heimat lebendig walten. Vor allem die Beschäftigung
nit den Dichtern der hessischen Heimat wird den Bewohnern
iejer wundervollen, märchentiefen deutschen Landschaft manche
Möglichkeit eröffnen, sich ihres eigentümlichen und doch
rdeutschen Wesens bewußt zu werden und vermittelst seiner
Rlege zu neuem Aufblühen des Gesamtvaterlandes und
des deutschen Gedankens in der Welt beizutragen.
Von Alfred Bocbh.
Zuh sich an frischem Klee überfressen und stöhnte vor Schmerz,
jing's der Gritt so nah, daß sie Tränen vergoß. Der Druck,
her in ihrem Elternhaus auf ihr gelastet, wich, und sie offen-
arte einen heiteren Sinn.
Sie bonnte für ein hübsches Mädchen gelten. Auf dem
Tanzboden hatte sie bei den Burschen das Geriß, doch hielt
ie sich ehrbar und brav. Just fünf Jahre diente sie beim
Brunnenbauer, da erschien ein Mann mit einem Wägelchen
iuf dem schön gepflasterten, sauberen Hof. Das war der
dausierer Hannes Schwenck von Kuppertsburg. Ein Dreißiger
on gedrungenem Körperbau. Um Wangen, Lippen und
zinn wuchs ihm ein rötlicher Bart. Obgleich sein Außeres
eineswegs angenehm war, verstand er's, in Miene und Blick
twas Einnehmendes zu legen. Er bot Pirmasenser Schuh—
varen feil, schwätzte dem Teufel ein Ohr ab. Sein Handel
lühte, wie er behauptete. Der Brunnenbauer lud ihn ein,
n die Stube zu kommen. Dort setzte ihm die Gritt Wurst,
Brot und Apfelwein vor. Er aß wenig, dreimal aber
nußte die Gritt das Glas ihm füllen. Früher, erzählte er,
voäre er als Schuster selbständig gewesen. Indessen behage
hm das Stillsitzen nicht. Kurzerhand habe er sein Werb—
eug verbauft und habe sich aufs Hausieren mit Schuhwaren
jeworfen. Die bezog er von Pirmasens. Er sei ledig,
chwaderte er. Wenn er einmal heirate, brauche seine Frau
nücht in geflickten Schuhen zu laufen. Vorm Jahr hatte
er am Gallenfieber auf den Tod krank gelegen. Ein Gericht
ürre Erbsen mit Speck hatte ihn gereftfet. Der Brunnen—