Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

„eimat-Schollen 
Slätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatbkunst 
Die Heimat Schollen werden den Kreisblattern in Homberg. Messungen, Kotenb —D in —. 
Ar 6 1022 373 2.Jahrgano 
Hessische Köpfe 0 
Alfred SGock. 
Wie paradox auch immer sie erscheint, so gang und gäbe 
ist sie auch: die Tatsache nämlich, daß ein Dichter außerhalb 
der Landschaft, deren Wesen und Bewohner er in seinen 
Werbken schildert, stärkeren Widerhall findet als in der Heimat 
selbst. Als Alfred Bock, der die Bergdörfer und Kleinstädte 
Oberhessens und ihre Bevölkerung wie bein anderer vor 
ihm als Erzähler gespiegelt hat, sechzig Jahre alt wurde, 
konnte er feststellen, daß sein Schaffen nicht umsonst gewesen 
ist, daß ein beträchtlicher Leserkreis um ihn sich gesammelt 
hat und ihm in treuer Derehrung huldigt. Aber er wird 
sich andererseits nicht verhehlt haben, daß gerade diejenigen, 
deren Leben und Treiben, Leiden und Freuden Anregung 
und Inhalt seiner Erzählungen ausmachen, seine hessischen 
Landsleute im allgemeinen und die Oberhessen im besonderen, 
einem Wirben gleichgültiger gegenüberstehen, als recht und 
dillig ist, und sich, in dieser Beziehung wenigstens, von dem 
übrigen Deutschland beschämen lassen. Und zweifellos zu 
hrem eigenen Schaden; denn die Geschichten und Komane 
BSocks gehören nicht zu den schwerer zugänglichen Werken 
der neuzeitlichen Literatur, sondern sie bieten sich dem Leser 
nit einer hellen und leicht einzusehenden Offenheit dar und 
assen beinen unerquickt und unbereichert von dannen ziehen. 
Es ist ũübrigens nicht schwer, die Geundlage dieser Wirkung 
zu Lennzeichnen. Denn die Erzählungen Bocks beschränken 
ich, dem Inhalt nach, nicht nur auf das Dorf und die Kleinstadt 
des oberhessischen Hügellandes, nicht nur auf die Bauern und 
Bürger, die dort ihr enges Leben führen, sondern auch hinsichtlich 
der Probleme, die den Dichter zur Darstellung dieses 
Don Will Scheller. 
debens reizen, auf bestimmte Kreise. Drei vor allem sind 
s, die ihm immer wieder Anlaß zu erzählerijcher Betätigung 
jeben. Sunächst ist es die unglückliche Liebe oder Ehe, 
ie beispielsweije in „Die Pflastermeisterin“ sowohl wie 
1 „Der Kuppelhof“ behandelt wird. Den erstgenannten 
doman bezeichnete Paul Heyse als „ein wahres Kabinettstück 
hter, feiner und derber Erzählungskunst, ergreifend bis ans 
tzte Wort“; während nun der Dichter in diesen Romanen der 
ragödie freien Lauf läßt, gelingt es ihm in „Grete 
jillunger“, das Tragische des Problems zu überwinden 
nd der Heldin nach mancher schweren Schicksalsprüfung 
en Weg zum Glück aufzuschließen. In „Der Flurschütz“ 
hiederum wird das ganze Geschehen mit wuchtiger Knapp- 
eit einem düsteren Ende zugeführt. Fernerhin fesseln den 
dichter die religiösen Kämpfe, die sich innerhalb der 
hangelischen Glaubensgemeinschaft im Lauf der Seiten 
emehrt und besonders innerhalb des grüblerisch veranlagten 
essischen Volksstammes zur Bildung unzähliger Sebten geführt 
aben, da es der Kirche auf die Dauer nicht gelang, die 
zesamtheit der Glaubensgenossen unter ihrer Autoritfät zu 
alten. 
Diese besonders neuzeitliche Problematik jpielt in manche 
ẽrzählung Bocks hinein und ist in „Die leere Kirche“ 
usschließlich und mit Nachdruck behandelt worden, wenn 
uch ohne eine entschiedene Antwort auf die schwebende 
frage zu finden. Endlich sind es die sozialen Gegen— 
ãtze, welche diesem Dichter Gelegenheit schaffen, das Dasein 
einer hesjsischen Stammesgenossen mit starken Farben abzu— 
ilden. Namentlich sind es die Komane „Die Pariser“ 
ind „Die Oberwälder“, in denen er schildert, mit welcher 
zähigkeit die aus den Suständen gesellschaftlicher Gärung
	        
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