Daß auch das Wasser, in dieser heiligen Seit geschöpft,
hesondere Eigenschaften aufweist, darf nicht wundernehmen. In
der Mitternachtsstunde der ersten Osternacht muß es geschöpft
vperden, größtes Schweigen ist erforderlich, man muß es gegen den
Strom schöpfen, mit nach Osten, der aufsteigenden Sonne entgegen—
gewandtem Gesicht und still nach Hause tragen. Würde das Licht
des Tagesgestirns es bescheinen, so würden die segnenden Geister
der Tiefe entfliehen.
So lehrt uns diese burze Betrachtung, an deren Schluß wir
unsere Leser bitten, recht viele Osterbräuche und Ostersitten“) der
Schriftleitung mitzuteilen, daß all unser Tuͤn nicht von gestern ist,
und daß in scheinbar Unverständlichem der gütige Geist einer schönen
und großen Vergangenheit waltei.
caufläden und, neusten Familienereignisse. Da tauchte plötzlich eĩne
frage am dorfpolitischen Himmel auf, die auf eine Seitlang alles
mdere in den Hintergrund treten ließ. Ob der strengen Winter
ãlte wũnschte, von einigen Dorfgenossen unterstützt, der Pfarrer
inen neuen Ofen für das Gotteshaus. Da bam Bewegung in
ie trägen Geister. Jedes Für und Wider wurde gründlich erdrtert.
Vas wird er bosten? Wieviel Brand wird er verschlingen? Ist
in Schornstein erforderlich? Wer wird den meisten Vorten haben?
Allmählich bilden sich zwei Parteien heraus. Der Wortführer
er Gegenpartei war der alte Liwwik, zuweilen auch Ludwig
senannt, d. h. wenn sein Name geschrieben wurde. Er war ein
leißiger Kirchenbesucher und erfreute sich als langjähriger Kirchen⸗
iltester einer gewissen Achtung und Verehrung. Er hatte eigent-
ich auch nur den einen Fehler, daß er stets mehr als ein Jahrzehnt
eistig nachhinkte. Aber er kannte seinen Pastor und wußte, voie
nan ihm imponieren bonnte. Der Tag der Entscheidung nahte.
daß er in jener denkwũrdigen Sitzung beinen leichten Stam haben
erde, war ihm blar geworden, als er bei seinen Gekreuen ein
ewisses Schwanben bemerkte. Wollte er obsiegen oder wenigstens
n Ehren bestehen, mußte er seinen Worten Würde und Weihe
erleihen. „In der Kirche muß man den Hauch sehen, jonst ist's
licht mehr heilig darin!“ in diesem Seichen wollte er siegen. Aber
iesmal schlugen jeine Gründe nicht durch. Man glaudte, daß es
och möglich sei, die äußere mit der inneren birchlichen Wärme
u vereinigen. Der Alte ist längst zu seinen Vätern abgereist.
Aber sein Ausspruch vom „Heiligen Haäuch“ hat schon einige Jahr⸗
ehnte überdauert. m.
aa⸗ —3 — —4
VDom Büuchertische der Heimat.
7 4
Der „Heilige Hauch“.
Es war in einem stillen oberhessischen Dorfe. Der Winter
hatte seinen Einzug gehalten. Die ziegelroten Dächer und der
schieferblaue Kirchturm erglänzten im reinsten Weiß. Die Spinn-
eäder schnurrten um die Wette. Die Männer zogen sich ebenfalls
in die stille Häuslichkeit zurück, stopften ihre Pfeifen und pflegten
an den langen Abenden der wohlverdienten KRuhe. Gute Freunde
und getreue Nachbarn gaben sich ein Stelldichein, tauschten ihre
Markterlebnisse aus oder unterhielten sich über Pferde. Holzber-
teigerungen, und die Predigt vom letzten Sonntäg. Frauen und
Mädchen plauderten über den Sonntagsstaat, die wohlfeilsten
) Auch Pfingst· Weihnachts · und andere Festbrãuche sind erwünscht. Die Schriftl.
Hoessengärtlein. Echte Dichtung ist verwachsen mit dem Volk
ind der Heimat. Jeder deutsche Gau hat jseine Volkslieder; auch
mser Hessenland ist reich an alten Weisen. In der dörflichen
Spinnstube, nach Feierabend oder Sonntags unter der Linde singt
die ländliche Jugend. Dort haben junge Wandervögel das Volbs—
lied für die Stadtmenschen neu entdeckt, die Verse aufgezeichnet
und in Noten gesetzt. Singend tragen sie auf frohen Wanderfaheten
die schönen Weisen durch die Heimat und wieder in das Volk.
Der Sammlung hessischer Lieder widmeten sich vor dem Kriege
Hans Wix und andere Mitglieder der Marburger Abademischen
dereinigung, die nach dem Tod vieler älteren Mitglieder (auch
Wix fiel im Weltkrieg) die Sammlung der Lieder als liebes Ver—
mächtnis übernommen und vollendet hat. Dem Freund unserer
Derbindung, Herrn Professor von Baußnern, verdanben wir die
Sätze zu dem im Hessengaärtlein (Verlag Elwert, Marburg) gebundenen
unten Blütenstrauß heimatlicher Volkslieder. Im schlichten Vorwort
gedenkt die Abademische Vereinigung unserer gefallenen Studenten—
reunde und Wandergefährten, mitf denen wir vor dem Kriege
diese Weisen sangen bei der Kast auf freier Bergeshöhe, im alten
Hochzeitshaus und Bückingsgarien, in bescheidener Stuͤdentenbude
und am lodernden Sonnwendfeuer auf den Schanzen bei Sterzhausen
oder den Drei Linden hinter Ockershausen. Werner Sunkel.
Franz Hein, Der Märchenmaler und dichter. Das
Maärchenland ist das Land der Farben. Es ist die Kinderwelt der
Kunst. Nur Meisjter der Farbe und bindlich reine Künstler dürfen
ich dahin wagen, um ihr höchstes auszusprechen in Wort oder
Sild. Das feinste Derarbeiten und das ätherisierendste Steigern
innlicher Eindrücke liegt im Märchenwort und bild. Das Märchen
»ewegt sich im Ewigen, Grenzenlojen und macht das Unwirkliche
virblich, das Geahnte geschaut.
Nur ganz Berufene sollten den geweihten Boden des Märchens
hetreten, Meister der Farbe und der Seelenzartheit und «liefe.
Der, Berufensten einer für das Märchenbild, wenn nicht augen-
blicklich der Berufenste, ist Franz Hein. Er gibt unserm Volke
unvergängliche deutschtiefe Schätze, dem Volk, das die schönsten
Märchen im Wort sein eigen nennt. Heins Bilder müßten Gemein—
gut des deutschen Volkes werden wie Grimms Märchen. Das
deutsche Volk müßte den Verlagen dankbar sein (Keutel, Lahr iĩ. B.,
Ooigtlãnder. Leipʒig und Seemann, Leipzig), die diese hohen Märchen⸗
schätze voll Innigkeit und Sinnigkeit dem Volke in wohlfeiler Aus-
gabe zugängig gemacht haben.
Im Verlag für Volkskunst, Keutel, sind zwei Hein-Mappen
sje 12,— Marh) erschienen. Jede enthäli sechs große farbige Kunst-
blätter nebst einem Begleitwort. Verlag E. A. Seemann bietet
ünf einzelne Kunstblätter von Hein in der Sammlung „Meijter
der Farbe“ und das prächtige Königskerzenbild als Postlarte. —
der Verlag Breitbopf 8 Härtel, Leipzig, hat in der Sammlung
Seitgenössijche Kunsiblätter“ Heins Rupprechts- Sild veroffentlicht.
derlag Doigtländer endlich hät von Hein einzelne Märchen und
Zlumenbilder als Steinzeichnungen und eine Holzschnittmappe
Deutscher Wald“. Vom Märchen zum Wald ist's nur ein Schritt.
hein ist auch ein Maler des deutschen Waldes. Er malt wir blich
en deutschen Wald, das heißt, wie ihn das deutsche Gemũt sieht.
Ddeutsches Gefühlsleben webt in jedem Strich des Künstlers.
Auch ein geschriebenes Maͤrchen besitzen wir von Hein, „Die
Nixe, ein Märchenspiel“, das weit mehr eine Aufführung verdient,
ils manche Machwerke, hinter denen beine Märchenseele schläft.
Vas von den Märchenbildern Heins gilt, güt auch von seinem
Märchenspiel. Märchen sind eben Seelengeschautes. Und wer
)as im Bild so gut und tief wiedergibt, dem kauns am Wort nicht
ehlen. Wer ein echtes neues Maͤrchenspiel lesen will, der greife
reudig zu Heins Märchenspiel (Verlag Braun, Karlsruhe).
Fritz Deubner.
Keuter, Wilhelm, Gott, dau host vill VDelcher. Gedichte.
Marburg, N. G. Elwerts VDerlagsbuchhandlung, 1920.
Das prãchtige nassauijche Heimatbuch des Heimatdichters Keuter
ʒerdient schon um deswillen hervorgehoben zu werden, weil es sich
on den reichlich ausgetretenen Geleisen der übrigen Mundart—
ichtung entfernt. Wie finden nicht die jonst so häufigen Spässe
ind Dönchen, wir finden nicht die Betonung der lächerlichen Seite
»es Volbslebens. Was hier geboten wird, ist echte, tiefe, ernste,
yrische Heimatdichtung, die zeigt, daß unsere heimatliche Sprache
ehr wohl geeignet ist, die feinsten Stimmungen in der Seele
ervorzurufen. Die Inhaltsübersicht gliedert sich in J. Allerhand
diddcher, 2. Heimat, 8. Nadur, 4. Salladen. Als Probe mõge
rin Gedicht aus dem ersten Teile folgen:
En heiliger Stunn.
venn drouß et dämmrig werd Un Steen noh Steenche blint,
Nann kbemmt mer kaaner renn Vie dausend Kãͤrzelicht,
)Jann gihn en meiner Welt ODom Himmel uff de ARer —
ie Geister ous un enn. Dann fellt mich Zouversicht.
de Dog lejht schun em Be Dann walle Engel stell,
die Sunn eß unnergang, Em dejwe Herzenegeond,
don driwe schlejcht die Noc Dann dhouft en heil'ger Stunn
seduckt de Wald entlang. Sich mir de Heregott bond.
— eete esblhu
Als wenn do drunne woejt dicht stiht mer en de Siel.
S Opperfejer wär. Mei Herz en Gott hätt Kouh. — W.
herausgeber: Konrad Bernecker-Meljungen, unter besonderer Mitarbeit von: Kreisschulrat Schwal m-Siegenhain und Taubstummen-Lehrer H. Ru l Homberg.
zu⸗ Heimatfreunde sind als Mitarbeiter willlommen. — Oerantwortlicher Schriftleiter: Paul Woiche-Mel)ungen. — Alle Zuschriften an die „Heimat· Schollen“ sind an
die Scheiftleitung in Melsungen zu eichten, Zahlungen auf Postjcheckbonto, A. Sernecker, Frankfurt a. M. Toss. Unberwertete Manuskeipte werden nur auf Verlangen zurũck⸗
gesandt. Der Nachdruck allee ——— mit Namenszeichnung ist nur nach Übereinbunft mit dem Herausgeber gestattet. — Druck und Verlag: A. Berneckee in Meljungen.