Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Erinnerungen erwähnt, gaben nochmals bei Übernahme des Schlosses 
und seines Inventars durch das Königreich Preußen im Jahre 1866 
Oeranlassung zu einer Rückfrage durch die Oberrechnungskammer 
in Potsdam. Die Esel, die von ihren Wärtern nicht anders als 
Brunnentiere bezeichnet worden waren, erschienen auch mit ihrem 
Futtergeld in den Ausgaberegistern des Schlosses. Der prüfende 
Seamte konnte sich jedoch von diesen merkwürdigen Brunnentieren, 
die Futterkosten verurjachten, beine Vorstellung machen und fragte 
deshalb an, was das für merbwürdige Tiere seien. 
„Ein schauerliches Erlebnis an dem Spangenberger Schloß- 
brunnen erzählt Hans Wilhelm Kirchhoff in seinem Wendunmut III 
Nr. 125 unter der Aberschrift: „Gefährlichkeit im brunnen auff dem 
ichloß Spangenberg.“ 
Anno (15)84 ʒerbrach das alt schadhafft brunnenseil, darmit 
man in einem großen hölßern beschlagenen eimer eine ohm Waßer 
auff einmal heraußzeucht, mit einer Wellen und Kad, das zween 
Ejel tretten. Solch gemelt Seil unterstand sich einer, Hanß Nöding, 
dorffman zu Bergheim, hart bey Spangenberg gelegen, wider zu 
langen, umb eines Schäffels Korns willen. Wir hetten allerley 
Schrot- und Scheurenseiler an einander gebnüpft, so viel. daß wir 
jlche Tieff, nemlich 
b5 Klaffter erreich⸗ 
ten, setzten gemelten 
Hansen Nöding auff 
einen Knebel und 
ließen ihn aljo hinab. 
Eine Leidern, unten 
im Waßer darauf 
zu stehen, liechte mit 
einem Steckleuchter 
und andere Rüstung 
nahm er mit sich 
Nun befahl ich ihm, 
er solte das auß 
dem Waßer gelang— 
te Seil, am Ende, 
damit es anknüpfft, 
von der Ketten (der 
Kufe) ablösen, und 
erstlich das Seil oder 
die Ketten, so auch 
den Eimer, und sich 
zuletzt ieglichs be— 
sonders, oder eins 
nach dem andern 
laßen heraußziehen. 
Er aber, voller 
branten Wein, ver⸗ 
gaß des, hieng und 
band das alte Brun⸗ 
nenseil mit Ketten 
und Eimer zugleich an, und wie der Eimer schier biß in die 40 
oder mehr Klafftern herauffgebracht, brach das Seil ab, nemlich 
das alte, das im Brunnen gelegen, an dem Ende, da es an die 
entlehneten Seiler gebunden war, fiel mit grewlichem Thon 
SBrausen, und im Berg, als ob man etliche Schüsse thet auß 
einer quarthaunen, Seile, Eimer und Ketten in toto bey ungefehr 
fünff Centner schwer, wider hinunter, daß wir alle nicht. anders 
gedachten, denn daß offtgenenter Hanß Nöding von solchem 
großen Last in Kleine Trümmer zerschlagen, den doch Gott beim 
Leben erhalten, beschützt und nicht weiter geschädigt, denn daß 
im das Seil mit einem Ort (Ende) über ein Schenckel gehawen, 
darauß ihm ein großer Geschwulst auffgelauffen. Noch mehr zu 
berwundern, daß der Steckleuchter in der Mauer und das 
Licht brennend blieben wie ichs oben hinein selbs gesehen, 
sintemal doch das hineinfallend Seil und Eimer das Waßer mit 
großem Brausen bewegt und über sich getrieben gehabt. Wunder 
aber über die andern Wunder war noch dieses, daß die aneinander 
gebundene Schrot- und Scheuern-Seiler, die ihnen an sich selbs, 
in einer solchen großen Tiefen eine Last, und noch dazu das alte 
Seil, Eimer und Menschen (wie wol wie gesagt, jedes zum letzten, 
jedes bejondere) gehalten heraußzuzieben, so doch in wenig Tagen 
hernach das eine Scheuern⸗Seil im Kenthof allein ein Gebund 
Stroh mit auff zu ziehen nicht halten bonnte, sondern zerbrach. 
Das lange und starke Brunnenseil war der Gegenfstand 
dauernder schwerer Sorge. So berichtete der schon mehrerwähnte 
Burggraf Hans Wilhelm Kirchhof im Jahre 1590 mehrfach an 
den fürstlichen Kammermeister über den schlechten Sustand des 
Brunnenseils, auch, daß die Wartung des Brunnenseils viel zu 
wünschen übrig lasse, da der nachlässige Pförtner sich für solche 
Arbeit für zu gut halte, troßdem er Zeit genug habe, weshalb 
hitte diesen durch eine bessere und zuverläsjsigere Person zu 
ꝛrsetzen. 
Nach dreizehnjährigem Gebrauch war das Brunnenseil wieder 
o schadhaft geworden, daß der Burggraf Kirchhof am 1J. Junĩ 1601 
olgenden Brief an den Landgrafen Moritz von Hessen richtete: 
Durchlauchtiger und hochgeborener, 
gnediger furst und herr. 
Euern furstlichen gnaden underthenig zu vermelden soll ich 
nit unterlassen, daß das funf und siebenzig clafterige seil am 
brunnen aufm Schloß, welchs zu hand dreizehen jar gebraucht, 
deswegen fast in abgang und untuchtig worden. Ob man ander 
chon ein guts an flickerlohn mit der Zeit dazu verwendet, ist doch 
zu befahren, es möchte so etwa e. f. g. ihr furstlich hoflager alhie 
»aben werde, gar abstendig werden. Und were itzo des wetters 
ind langen tagen nach am besten, dem nechsten ein neues in 
orrath zu machen, wie denn von e. f. g. wegen ich mit dem 
eiler zu Cappel, Georg Merten genannt, allerlei abgeredt, 
velcher ohne daß er f. g. hofarbeit, alß mit seilern zum jagwerk 
etc. dieser zeit verrichtet. Dweil er nuhn itzo auf sontag Trinitatis 
bei dem seiler hand⸗ 
werkb zu Cassel wird 
und muß erscheinen, 
donten e. f. g. was 
ie gnediglich hier⸗ 
mit gesinnet, mit ihm 
— 
den hanf bequem— 
ichst dazu nemen 
olt, reden und din⸗ 
jen laßen. Solchs, 
aß e. f. g. zum besten 
gereicht, hab der 
selben e. f. g. ich 
underthenig zu ver⸗ 
tehen geben jsollen. 
Deren e. f. g. ich 
nich alß ein armer 
schuldiger und gantz 
williger Diener aller 
zmnaden vertröste. 
Datum auf e. f. g. 
Hauß Spangenberg 
J. Juni amo etc. 
601. 
E. f. g. 
undertheniger 
gehorsamer 
Hannß Wilhelm 
Kirchof.“ 
Federzeichnung von Frau M. Müller 
Auf der Rächseite steht: 
„Dem durchleuchtigen und hochgebornen fursten und heren, 
»errn Moritzen, landgraven zu Hessen, Graven zu Catzeneln⸗ 
bogen, Dietz, Siegenhain und Nidda etc. meinem gnädigen 
ursten und herrn. 
Abwoesens s. f. g. dem obersten Steumburg von Lewenstein 
zu erbrechen. 
praes. Cassel 8. Junii anno 1601.“ 
Eine ähnliche Episode wie der Burggraf Kirchhof erzählt Frau 
Anna Bölcke nach eigenem Erleben: 
„Einmal ist zu meiner Seit ein Mann in die grausige Tiefe 
inabgestiegen, als eine unserer Katzen in den Brunnen gestürzt 
oar, die der Brunnenwärter Hartung. als er morgens die Brunnen⸗ 
iere im Rad gehen ließ, gar bläglich schreien hörte. Als der 
ilte Hartung, ein Kämpfer aus den Freiheitskriegen, den Fall 
neinem Dater vortrug, befragte dieser sofort die Soldaten auf der 
Vache, wer wohl gegen eine angemessene Belohnung es unter— 
ijehmen wollte, in die Tiefe zu steigen und das arme Kätzchen 
vieder an das Tageslicht zu bringen; zudem lag die Gefahr nahe, 
aß durch das Verenden der Katze das Wasser ungenießbar geworden 
päre. Derlegen standen die tapferen Krieger da und braätzten sich 
edenklich hinter den Ohren; beiner schien es wagen zu wollen, 
is mein Dater sagte: „Nun!l dann will ich selber hinuntersteigen.“ 
Da faßte sich der Soldat Gerhard ein Herz und erblärte sich bereit, 
as' Wagnis zu bestehen; er wurde in der großen Tonne fest- 
jebunden, bebam eine Laterne mit, und wurde vorsichtig herunter- 
zelassen. Als der Mann dann durch Anziehen des Seils zu 
erstehen gab, daß die Auffahrt beginnen könne, wurde auch dies 
nit der größten Vorsicht bewerkstelligt, denn durch Anstoßen an
	        
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