Erinnerungen erwähnt, gaben nochmals bei Übernahme des Schlosses
und seines Inventars durch das Königreich Preußen im Jahre 1866
Oeranlassung zu einer Rückfrage durch die Oberrechnungskammer
in Potsdam. Die Esel, die von ihren Wärtern nicht anders als
Brunnentiere bezeichnet worden waren, erschienen auch mit ihrem
Futtergeld in den Ausgaberegistern des Schlosses. Der prüfende
Seamte konnte sich jedoch von diesen merkwürdigen Brunnentieren,
die Futterkosten verurjachten, beine Vorstellung machen und fragte
deshalb an, was das für merbwürdige Tiere seien.
„Ein schauerliches Erlebnis an dem Spangenberger Schloß-
brunnen erzählt Hans Wilhelm Kirchhoff in seinem Wendunmut III
Nr. 125 unter der Aberschrift: „Gefährlichkeit im brunnen auff dem
ichloß Spangenberg.“
Anno (15)84 ʒerbrach das alt schadhafft brunnenseil, darmit
man in einem großen hölßern beschlagenen eimer eine ohm Waßer
auff einmal heraußzeucht, mit einer Wellen und Kad, das zween
Ejel tretten. Solch gemelt Seil unterstand sich einer, Hanß Nöding,
dorffman zu Bergheim, hart bey Spangenberg gelegen, wider zu
langen, umb eines Schäffels Korns willen. Wir hetten allerley
Schrot- und Scheurenseiler an einander gebnüpft, so viel. daß wir
jlche Tieff, nemlich
b5 Klaffter erreich⸗
ten, setzten gemelten
Hansen Nöding auff
einen Knebel und
ließen ihn aljo hinab.
Eine Leidern, unten
im Waßer darauf
zu stehen, liechte mit
einem Steckleuchter
und andere Rüstung
nahm er mit sich
Nun befahl ich ihm,
er solte das auß
dem Waßer gelang—
te Seil, am Ende,
damit es anknüpfft,
von der Ketten (der
Kufe) ablösen, und
erstlich das Seil oder
die Ketten, so auch
den Eimer, und sich
zuletzt ieglichs be—
sonders, oder eins
nach dem andern
laßen heraußziehen.
Er aber, voller
branten Wein, ver⸗
gaß des, hieng und
band das alte Brun⸗
nenseil mit Ketten
und Eimer zugleich an, und wie der Eimer schier biß in die 40
oder mehr Klafftern herauffgebracht, brach das Seil ab, nemlich
das alte, das im Brunnen gelegen, an dem Ende, da es an die
entlehneten Seiler gebunden war, fiel mit grewlichem Thon
SBrausen, und im Berg, als ob man etliche Schüsse thet auß
einer quarthaunen, Seile, Eimer und Ketten in toto bey ungefehr
fünff Centner schwer, wider hinunter, daß wir alle nicht. anders
gedachten, denn daß offtgenenter Hanß Nöding von solchem
großen Last in Kleine Trümmer zerschlagen, den doch Gott beim
Leben erhalten, beschützt und nicht weiter geschädigt, denn daß
im das Seil mit einem Ort (Ende) über ein Schenckel gehawen,
darauß ihm ein großer Geschwulst auffgelauffen. Noch mehr zu
berwundern, daß der Steckleuchter in der Mauer und das
Licht brennend blieben wie ichs oben hinein selbs gesehen,
sintemal doch das hineinfallend Seil und Eimer das Waßer mit
großem Brausen bewegt und über sich getrieben gehabt. Wunder
aber über die andern Wunder war noch dieses, daß die aneinander
gebundene Schrot- und Scheuern-Seiler, die ihnen an sich selbs,
in einer solchen großen Tiefen eine Last, und noch dazu das alte
Seil, Eimer und Menschen (wie wol wie gesagt, jedes zum letzten,
jedes bejondere) gehalten heraußzuzieben, so doch in wenig Tagen
hernach das eine Scheuern⸗Seil im Kenthof allein ein Gebund
Stroh mit auff zu ziehen nicht halten bonnte, sondern zerbrach.
Das lange und starke Brunnenseil war der Gegenfstand
dauernder schwerer Sorge. So berichtete der schon mehrerwähnte
Burggraf Hans Wilhelm Kirchhof im Jahre 1590 mehrfach an
den fürstlichen Kammermeister über den schlechten Sustand des
Brunnenseils, auch, daß die Wartung des Brunnenseils viel zu
wünschen übrig lasse, da der nachlässige Pförtner sich für solche
Arbeit für zu gut halte, troßdem er Zeit genug habe, weshalb
hitte diesen durch eine bessere und zuverläsjsigere Person zu
ꝛrsetzen.
Nach dreizehnjährigem Gebrauch war das Brunnenseil wieder
o schadhaft geworden, daß der Burggraf Kirchhof am 1J. Junĩ 1601
olgenden Brief an den Landgrafen Moritz von Hessen richtete:
Durchlauchtiger und hochgeborener,
gnediger furst und herr.
Euern furstlichen gnaden underthenig zu vermelden soll ich
nit unterlassen, daß das funf und siebenzig clafterige seil am
brunnen aufm Schloß, welchs zu hand dreizehen jar gebraucht,
deswegen fast in abgang und untuchtig worden. Ob man ander
chon ein guts an flickerlohn mit der Zeit dazu verwendet, ist doch
zu befahren, es möchte so etwa e. f. g. ihr furstlich hoflager alhie
»aben werde, gar abstendig werden. Und were itzo des wetters
ind langen tagen nach am besten, dem nechsten ein neues in
orrath zu machen, wie denn von e. f. g. wegen ich mit dem
eiler zu Cappel, Georg Merten genannt, allerlei abgeredt,
velcher ohne daß er f. g. hofarbeit, alß mit seilern zum jagwerk
etc. dieser zeit verrichtet. Dweil er nuhn itzo auf sontag Trinitatis
bei dem seiler hand⸗
werkb zu Cassel wird
und muß erscheinen,
donten e. f. g. was
ie gnediglich hier⸗
mit gesinnet, mit ihm
—
den hanf bequem—
ichst dazu nemen
olt, reden und din⸗
jen laßen. Solchs,
aß e. f. g. zum besten
gereicht, hab der
selben e. f. g. ich
underthenig zu ver⸗
tehen geben jsollen.
Deren e. f. g. ich
nich alß ein armer
schuldiger und gantz
williger Diener aller
zmnaden vertröste.
Datum auf e. f. g.
Hauß Spangenberg
J. Juni amo etc.
601.
E. f. g.
undertheniger
gehorsamer
Hannß Wilhelm
Kirchof.“
Federzeichnung von Frau M. Müller
Auf der Rächseite steht:
„Dem durchleuchtigen und hochgebornen fursten und heren,
»errn Moritzen, landgraven zu Hessen, Graven zu Catzeneln⸗
bogen, Dietz, Siegenhain und Nidda etc. meinem gnädigen
ursten und herrn.
Abwoesens s. f. g. dem obersten Steumburg von Lewenstein
zu erbrechen.
praes. Cassel 8. Junii anno 1601.“
Eine ähnliche Episode wie der Burggraf Kirchhof erzählt Frau
Anna Bölcke nach eigenem Erleben:
„Einmal ist zu meiner Seit ein Mann in die grausige Tiefe
inabgestiegen, als eine unserer Katzen in den Brunnen gestürzt
oar, die der Brunnenwärter Hartung. als er morgens die Brunnen⸗
iere im Rad gehen ließ, gar bläglich schreien hörte. Als der
ilte Hartung, ein Kämpfer aus den Freiheitskriegen, den Fall
neinem Dater vortrug, befragte dieser sofort die Soldaten auf der
Vache, wer wohl gegen eine angemessene Belohnung es unter—
ijehmen wollte, in die Tiefe zu steigen und das arme Kätzchen
vieder an das Tageslicht zu bringen; zudem lag die Gefahr nahe,
aß durch das Verenden der Katze das Wasser ungenießbar geworden
päre. Derlegen standen die tapferen Krieger da und braätzten sich
edenklich hinter den Ohren; beiner schien es wagen zu wollen,
is mein Dater sagte: „Nun!l dann will ich selber hinuntersteigen.“
Da faßte sich der Soldat Gerhard ein Herz und erblärte sich bereit,
as' Wagnis zu bestehen; er wurde in der großen Tonne fest-
jebunden, bebam eine Laterne mit, und wurde vorsichtig herunter-
zelassen. Als der Mann dann durch Anziehen des Seils zu
erstehen gab, daß die Auffahrt beginnen könne, wurde auch dies
nit der größten Vorsicht bewerkstelligt, denn durch Anstoßen an