Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Helene Brehm, die fast erblindete, ging als Dichterin 
unbeirrt ihren Weg, ohne Manier, ohne Beébkenntnis zu 
irgend einem Ismus, der gerade Tagesmode war, ohne 
die Aberheblichbeit, neue, große Siele weisen zu wollen, 
pie das die modernen Literaten, die sich in ihrer Verstiegen- 
eit als Erlöser ihrer Seit gebärden, volltönend versprechen. 
Veg in die Stille zu sein, zur stummen Tragik des Alltags- 
ebens, in den Sonntagsfrieden der Dorfheimat, wie sie einst 
jewesen, zu den Ouellen der Kraft in den heiligen Bezirben 
der Kindheit — ist das nicht Siel genug? 
Dorfabend.“ 
Fin Dörfchen liegt im Abschiedsglanz 
Der Sonne auf der Halde, 
Hanz dicht, im SchlehdornHeckenkranz, 
Drängt sich's zum Buchenwalde. 
Stilles Dorf.“ 
Es ruht des Dorfes Herrlichkeit 
Don Frieden ganz umschlossen, 
Ist wie ein leuchtend Krongeschmeid 
HDon Licht und Glanz umflossen. 
Im Feldgrün stehn aus Siegelstein 
Die schmucken, roten Häuschen, 
Heputzt, wie blanke Mägdelein, 
Mit Obstbaum-Blütensträußchen. 
Die Straßen wie in Schlaf gewiegt 
In Herbsttags goldner Helle, 
Fin weißes Kätzchen blinzelnd liegt 
Auf eines Hauses Schwelle. 
Es lockt entlang am Grabenrand 
Die Glucke ihre Kleinen, 
Im Bachbett läßt sich auf dem Grand'* 
Ein Gansvpolk sonnbescheinen. 
Bei jedem Haus ein Garftenjfleck, 
Umgrenzt von Saun und Latten, 
Fin Läubchen oder Baum im Ech, 
Und Tisch und Bank im Schatten. 
Es steigt in goldne Abendluft 
Holzruch aus jedem Schlote, 
Don Speck und Swiebel quillt der Duft, 
Geschmort zum Abendbrote. 
Die Kinder sind beim Hüupfespiel 
Dom armen, kranben Häschen. 
Fin Mann verfolgt ins Dorf sein Siel 
Auf ausgefahrnem Sträßchen. 
Er trägt noch den Soldatenrochk, 
Doch nicht mehr Wehr und Waffen., 
Es reden Beil und Sägebock 
Oon friedevollem Schaffen. 
In seinen Augen blinkt ein Licht 
Ihn bost des Glückes Welle: 
Ihm winbt mit frohem Angesicht 
Sein Weib von eigner Schwelle. 
Es drängt der bunten Astern Flor 
Sich auf den schmalen Beeten, 
Doch niemand naht dem kleinen Tor. 
Das Gärkchen zu betreten. 
Des Dörfchens Männer zogen aus. 
Den Feinden standzuhalten. 
Nun schaffen auf dem Acker drauß 
Die Frauen und die Alten. 
Des Dorfes Tagwork ist vollbracht, 
Müd' nahen die Gespanne, 
Und ihren Segen legt die Nacht 
Auf Menschen und Gewanne. Helene Brehm. 
Da tappt in holzgeschnitztem Schuh 
Ein Fremdling, kriegsgefangen, 
Und durch des stillen Dorfes Kuh 
Ist jäh der Krieg gegangen. Selene Brehm. 
—4 
Aus alter Seit. 
Der tiefe Brunnen auf Schloß 
Spangenberg. 
VODon E. Wenzel. Magdeburg. 
Wie auf allen alten Burgen war auch auf dem hoch gelegenen 
Spangenberg das Vorhandensein bzw. die Schaffung von Wasser 
von der allergrößten Wichtigkeit. Solches bonnte man entweder 
durch Sammlung von Regen- und Schneewasser in Cisternen oder 
durch Erbohrung einer wasserhaltigen Ader schaffen. So finden 
wir denn auch auf Schloß Spangenberg in einer Ecke des Hofes 
unweit des altken Brau und Schlachthauses, der heutigen Anstalts- 
rũche, eine alljeitig gemauerte und gewölbte Cisterne von etwo 
Meter Durchmesser mit einem bedeckten Schöpfloch, in die das 
Kegenwasser von den Dachrinnen und Abfallrohren lief und wo 
im Winter der Schnee zusammengeschaufelt wurde. Eine ausge— 
dehnte Cisternenanlage zeigt noch der obere Burghof der Wartburg 
Bei der Anzuverlässigkeit von Cisternen und durch ausgestandene 
Nõöõte belehrt, scheute man aber bei den meisten hochgelegenen 
Burgen nicht vor tiefen und recht bostspieligen Brunnenanlagen 
zurück. Man trieb senkrechte Schächte durch das Felsgestein bis 
zur Talsohle oder einer Wasserader, dichtete die Wände mit Lehm, 
etzte sie mit QOuadersteinen oder Kacheln aus oder verkleidete sie 
nit Holz. Das Abteufen des Schachtes bonnte nur durch Fach— 
eute, aljo Burgknappen und ihre Handlanger, geschehen unter 
*) Aus: Helene Brehm, Aus meinem Garten. Heimatschollen⸗Verlag, 
DA Sernecker. Melsungen. — **) arober Kiessand 
Anwendung von Meißel, Spißhacke und Bohrer, „Nagbor“, wie 
ein solcher Bohrer in einer alten Urkunde genannt wird. 
Die Anlage eines solchen Brunnens bostete viel Geld, zuweilen 
nehr als der ganze Burgbau. So beliefen sich die Kosten für den 
Schloßbrunnen zu Homberg a. d. Efze, der in den Jahren 1605 
»is 1601 gegraben und mit Quadern ausgemauert wurde, eine 
Tiefe von so Klaftern oder 150 Metern erreichte, heute aber leider 
nitsamt dem Brunnengewölbe und den Trögen verschüttet ist, auf 
5 000 Gulden, eine für damalige Derhältnisse außerordentlich hohe 
Heldsumme. 
Der Chronist Winckelmann führt eine Keihe von tiefen Burg- 
runnen an und sagt: „Wir bonnten eine ziemliche Sahl der größten 
Brunnen auf den hohen Schloössern und Berghäusern in Stein 
zehauen ũüber die massen tiefe Brunnen, als den Rheinfeljser, 
Marpurger, Homburger in Hessen, Rauschenberger, Spangenberger 
uind dergleichen .... erzehlen.“ 
Der Brunnen auf dem Marburger Schloß ist 70 Klafter tief 
ind wurde in der Seit zwischen 1613 und 1615 wiederhergestellt, 
st auch heute noch im Gange. Der Brunnen auf der Ronneburg 
st 82/, Meter, ein solcher auf Schloß Waldeck 120 Meter tief. 
Ddie Tiefe des Brunnens auf Vorwerk Teufelstal bei Wanfried 
eträgt 100 Meter, auf Schloß Sieberstein in der Khön 53 Meter, 
uuf Schloß Wildeck bei Kotenburg nach der Aberlieferung 213 Fuß, 
auf Schloß Birstein 60 Fuß. 
SZur Förderung des Wassers aus der Tiefe solcher Brunnen 
hediente man sich zuerst einer Winde mit Seil und daranhängendem 
Fimer. bei agrößeren Tiefen und namentlich da., wo man über
	        
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