Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

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Spangenberg mit seinem Schlosse 
Sehen in der Ferne wir. 
Otto, den man nennt den Schützen, 
Wohnte mit Gemahlin hier. 
Linnen, das man dort gemacht, 
Ward weit übers Meer gebracht. 
hier bei Siegenhain und Treise 
Saut man Weizen und viel Korn; 
Nach Neubirchen gehen wir, 
Dann nach Ober-Aula hier. 
Schöne Küũhe, stolze Pferde 
Gibt es hier im Schwälmerland, 
Und des Hirten weiße Herde 
Brajet an des Flusses Kand. 
Butter, Käs' den Gästen beut 
Hier die schmucke Schwälmermaid. 
Uber Hünfeld und Fulda reist der Versemacher mit einem 
Seitensprung nach Schmalkalden hinüber ins Hanauer Land, wo 
die Keisje ihren Abschluß findet: 
64. Und nun ist zu End die Keise 
Durch das liebe Vaterland. 
Wer viel lernt, wird blug und weise, 
Das ist Jedermann bebannt. 
Nehmt die Verse wohl in Acht, 
Die von Hessen ich gemacht. R. 
—4 
Dom Pulsschlag der Heimat. 
Dann geht die Reise werra- und weserabwärts ins Schaum- 
burger Land und von da mit einem Riesenluftsprung nach Marburg. 
Don den Kreisen Kirchhain und Siegenhain kündet uns die gereimte 
Schulgeographie: 
50 Mun zum Kreise Kirchhain, Lieber! 
Kauschenberg, Amöneburg; 
Kirchhain lieget gegenüber, 
Ohm und Wohre fließen durch. 
Schweinsberg hier, und Neustadt dort. 
Jetzt zum Schröcker Brunnen fort. 
In dem Siegenhainer Kreise 
Liegt am Knüllberg Schwarzenborn, 
31. 
Die Rampen. 
Die Fluren winterten ein. Der Schäfer zog mit seiner Herde 
ins Dorf und teilte jedem Heren seine Sahl Schafe zu. Ein 
mühsam Geschäft. Mit viel Goplärr war dies endlich beendet. 
„Gott Lobedaankb“, sjprach Hinnerch, der alte Schäfer, und hing 
Schäferschippe, Ranzen und Goßhorn hinter die Haustür. 
Wieder einmal hatte er Kuhe, und Wind und Wetter, Blitz 
und Donner waren glücklich überstanden. Wohlgenährt und rein 
waren jeine Schafe, hatten kein Grindchen am Fell. Ja, das war 
jein Stolz. Er bonnte seine Herde sehen lassen. 
Das wußten auch seine Schafherren und drückten deshalb auch 
manchmal ein Auge zu, wenn Hinnerch hin und wieder seine 
Schrullen hatte. 
Heute, bei der Abergabe der Schafe, hatten sie ihn gelobt. 
Das tat ihm wohl. Stolz war er ordentlich darauf, und die helle 
Freude sah man ihm aus den Nugen leuchten. Lejsewett, seine 
Frau, stellte den Kaffee auf den Tisch und fragte: „Hinnerch, bann 
wett du da dos Schof schlochte?“ 
Ja, daran hatte er in diesem Augenblick nicht gedacht. Ein 
Fieljchaf hatte er (lungenkrankes Schaf, das man am Husten 
erbennt und abgeschafft werden muß)“*). Dies wollte er in jeine 
Küche schlachten. 
„Jo, Frä, du host Käächt. Mornfrieh salls los gieh.“ ant- 
wortefe er. 
AUnd so geschah's. Gleich nach dem Kaffeetrinben ging's an 
die Schlachterei. Das ging ihm vom Krappen. In burzer Seit 
— dr Schaf abgezogen und ausgenommen am Nagel neben der 
austür. 
Es war nicht schlecht im Fleisch, und Hinnerch schmunzelte. 
Eben war er mit dem Brũhen der Rampen (Blättermagen) fertig 
geworden. Im Bach, der neben seiner Haustür hinfloß, waren 
sie jauber abgespült worden; und nun beträchtete er sie nach allen 
Seiten mit sichtůchem Behagen, im Vorgefühl der leckeren Mahl- 
zeit, die ihm heute Abend winbte. Sauere Rampen waren sein 
Leibgericht, die aß er für sein Leben gern. .Es gett nischt ewwer 
KRampe,“ war sein Wort. 
Lejsewett hatte eben das Schiebfenster zurũckgeschoben und sah 
wohlgefällig dem Treiben ihres Mannes zu. Sie wußte wohl, 
woran dieser im Augenblick dachte, und sprach zu sich: Gucke mol, 
dos Langmul.“ 
Doch mit einemmal veränderte sich ihr Gesichtsausdruck, und 
die helle Schadenfreude guckte ihr daraus. Sie sah einen der 
Schãferherren durchs Gäßchen kommen in etwas beserem Anzug, 
Gamaschen an, Pelzmütze auf und den Stecken in der Hand, und 
ahnte gleich, wo's geschossen hatte. 
Hinnerch war diesmal der Brei versalzen. Die Freude auf 
seine Rampen wurde arg gestört, denn schon rief der Ankömmling: 
„Schaäffer, mach, du dich oh. Mär wunn oh die Hännell“ NMa, 
das bäm unserem Hinnerch wie ein Blitz gus heiterem Himmel. 
Es war doch auch zu ärgerlich. „Hot's nitt Seht (Seit) bis monn?“ 
stieß er deshalb hervor. Er dachte an seine Rampen. 
„Noe, es schneit, o do säng die Lejt derheém,“ wurde ihm 
erwidert. Da war nun nichts zu machen. Er mußte wohl oder 
—— ——— 
deufsch), abgeleitet Pon vel — SF„llte 
ibel gehorchen. Die Rampen in der Hand ging er ins Haus. 
Zös war er, das sah man an seinem hastigen Gang. Sein linkes 
Bein hatte er in früheren Jahren gebrochen, und es war schief 
jeblieben. Bei guter Laune sang er daher manchmal: „Guͤrrer 
fFrengt, jo eß ming Nom, om lenkte Beeèng, do seng ich lohm.“ 
MAber jetzt war er bei beiner guten Laune, und Lejsewett 
rannte ihn zu genau. Sie nahm ihm die Rampen ab und jprach 
n gutmütigem Ton: „Gieh nur Hinnerch, ich wälls scho mache.“ 
„Jo, Frä, boch se schie gor. Mach se schie klee. — Vergeß 
des Saalz on de Essig nitt.“ 
Diese Mahnungen gab er beim Anziehen der Gamaschen. 
Kasch war er fertig. Nun noch den Stecken, und zum Abmarsch 
ereit stand er in der Stubentür. 
Doch die Rampen. „Lejsewett, ich sähe där, mach's ordentlich!“ 
Dieser Stoßseufzer mußte noch heraus. 
„So, nu kommt,“ rief er nun seinem Herrn zu, und fort wanderten 
ie nach Nauses (Nausis). Da ging's von Stall zu Stall, doch wurde 
ucht gehandelt. Die Nausisser machten zu hohe Preise. Also 
nach Hänche (Immichenhain). 
Hier wurde man nach langem Hin und Her handelseinig, und 
iun ging's an den Weinbauf. UAUnser Schäfer stellte auch hier seinen 
Mann. War ihm doch der Schäfer von Hänche ein gutes Vorbild. 
Es gab einen richtigen Weinkauf, und die Stunden vergingen im Flug. 
kẽndlich brach man auf. Die Schafe sollten später abgeholt werden. 
Der Heimweg war troß des hellen Mondscheines nicht leicht und 
»as Pfädchen oft zu schmal. Doch es gelang beiden, sie kamen 
oweit glücklich zu Hause an. 
„Gurre Nocht, Schäffer! Nu sah, bi du heémbimmst.“ Mit 
diesem Wunsch verließ ihn sein Herr. 
Hinnerch bam glücklich über das Wässerchen hin zu seiner 
haustür. Das Licht in der Stube brannte nicht. Die Frau lag 
icher und gewiß im Bett. Dies ärgerte ihn. Aber die Rampen. 
ohne die ging's nicht ins Bett. 
Er stemmte sich gegen die Haustür und rüttelte, in der 
Meinung, sie sei zugeriegelt. Aber dies war nicht so, und mit 
inem Krach fuhr sie gegen die Wand, daß das ganze Häuschen 
packelte und Hinnerch ins Dozzeln (Fallen) bam. Ebenso ging es 
hm mit der Stubentür. Die schlug gegen den alten Kachelofen, 
aß er zitterte. Unser Schäfer war hungrig, durstig und nun auch 
ornig dazu. „Lejsewett, bo —O —o — hoste — die Ram—pe,“ 
allte er. „Sässtinn en d'r Kachel,“ antwortete ihm die aus 
em Bett. 
„Lejsewett, stiehst du offl!“ „Es leit mer off. Die Fejs wärn 
ner baalt.“ „Lejsewett, stecks du's Licht ohl“ Der Mond schinnt 
»äll genung.“ 
So ging das Wortgefecht hin und her. Also zur Kachel und 
nit der Schüssel zum Tisch. Es gelang, denn zum Glück war der 
Veg kurz. 
Mun bam die erste Enttäuschung. „Lejsewett. du — hoßt binn 
däffel dinn,“ brummte Hinnerch. 
„Du woeeßt, bo des Kärbche hängt,“ war die Antwort. 
Auch das noch, sich den Löffel holen. Er stolperte zur Wand, 
tieß aber so heftig an das Körbche, daß es vom Nagel abrutschte 
ind in die Stube fiel. Nun mußteée er wohl oder übel auf die Knie, 
Vrge (uchte) nach dem Löffel und schimpfte dabei wie ein 
ohrspaßk.
	        
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