Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

durch eine Eidesleistung von dem Verdachte zu reinigen suchte. 
Tatsächlich lag auch für den Erzbischof nicht der geringste Anlaß 
bor für eine solch ruchlose Tat, zumal der Herzog von Braunschweig 
als Bewerber für den Kaiserthron, den der Mainzer einem anderen 
zugedacht hatte, gar nicht in Betracht gekommen ist. — Das Denkmal 
ist offenbar ein Sühnekreuz. Wer es gesetzt hat, und wann das 
geschehen, ist bis heute nicht bekannt. Einige behaupten, Herzog 
Heinrich, der Bruder des Erschlagenen, habe das fertige Denkmal 
hierher geschafft und — vielleicht aus Furcht vor 
Mainz — unter dem Schutze der Nacht aufrichten 
lassen. Sicher ist das Errichten aber bald nach 
der Tat geschehen; die rätselhaften Buchstaben- 
formen am Denbmal gleichen nämlich denen 
an einem Bau in Großenenglis aus 1415. Die 
Inschrift selbst hat noch Lein Mensch glaub— 
würdig entziffert. Es sind wahrscheinlich gotische 
Minusbeln (Kleinbuchstaben). Vielleicht hat man 
auch eine für die Allgemeinheit nicht lesbare 
Schrift gewählt, um bestimmte Personen in der 
Achtung des Vollkes nicht herabzusetzen. Einige 
wollten einen lateinischen Vers wiederfinden, 
dejsjen Anfangszeichen Fre. De. Ri. Cus. lauten 
—A 
Chr. Gebort MCCC am Pyngstabend wort der 
Hochgebohrene Fürst Herr Friedrich Herzog 
zu Brunschwig und Lüneburg erschlagen. Des 
Seele ruhe in Frieden.“ Einen Teil dieser 
Worte will Schminke noch gesehen haben 
Pfarrer Sülch, der 17139 —42 die Buchstaben 
zu entziffern suchte und ũber seine, regen Fleiß 
bezeugende Tätigbeit eine Arbeit schrieb, die 
er dem Landgrafen Wilhelm VIII. (1.7330 - 60) 
zuschickte, Lommt zu dem Ergebnis, daß die 
lateinijche Injchrift lauter abgekürzte Wörter 
wãren, teilweise durcheinander geworfen, teil- 
weise rückwärts zu lesen, dem Inhalte nach 
nur dem Herzog von Braunschweig und dem da— 
maligen Landgrafen von Hessen bekannt. Sur Seit 
des Landgrafen Carl (160111130) lag das Kreuz bereits umgestürzt. 
Der genannte Fürst ließ es wieder aufstellen und mit einem hoölzernen 
Zaune umgeben. Von den Steinarmen sind — namentlich von gläubigen 
Katholiken — Stückchen abgeschlagen worden, die eingefaßt als 
Amulett getragen wurden. Vielleicht sind auch von dem Querstein 
an jedem Ende Stücke abgehauen worden, um den Namen zu 
verwischen. Von dem Kreuze ging die Legende, daß die Teile 
desselben von einer geheimen Kraft zusammengehalten würden. 
Vorbeifahrende Lũtticher Fuhrleute, die es daraufhin prüfen wollten, 
wackelten, um die Wette ihre Kräfte messend, solänge daran herum, 
bis es glũcklich umlag. Die verborgene Kraft bestand in nichts anderem 
als in Holzpflöcken, die in die Löcher fassend die drei Teile zusammen- 
gehalten hatten. Landgraf Friedrich II. richtete das Denkmal wieder 
auf und umgab es mit einem eisernen Gitter C. Divpel. 
Schwarzenborn⸗ 
Don Wilh. Neuhaus, Hersfeld 
GSchluß.) 
Seinen NVamen hat der Ort von dem sogenannten Teufelsborn, 
der in der Nähe auf den Wiesen entjpringt und ihm das Trink— 
wasser zuführt. Er wird auch der „schwarze Born“ genannt, weil 
er aus Basaltboden Lommt, im Gegensatz zu dem „weißen Born“, 
der auf Kalkboden zu finden ist. 
Aber die älteste Geschichte des Ortes lassen uns die Urkunden 
im Stich. Als er im 12. Jahrhundert sicher bezeugt wird, befindet 
er sich im Besitz der Grafen von Siegenhain, die als Schirmherren 
des filldischen Gerichts Oberaula, zu dem Schwarzenborn gehörte, 
sich hier festgejetzt hatten. Sie haben für den Ort eiwa im 13. Jahr 
hundert, als es üblich wurde, daß jeder Herr sein Gebiet durch 
eine Feste sicherte, das Stadtprivileg erwirkt, ihn mit Mauern 
umgeben und darin eine Burg erbaut. Im Anfang des 14. Jahr- 
hunderts ist Stadt und Burg sicher vorhanden, 1329 wird sie als 
„oppidum in Swarzenburne“ ausdrũcklich genannt, die damals schon 
eine eigene Pfarrbirche hatte. Nach dem Aussterben der Siegen- 
hainer (1450) kLam es an Hessen. Der letzte Siegenhainer war 
Graf Johann II. der Starbe, er hatte Schloß und Städt Siegen- 
hain, den Soll zu Treysa und Schloß und Stadt Schwarzenborn 
sjeiner Gemahlin als Witwensitz und Einnahmequelle ausgesetzt. 
Dem Städtchen ist bein heiteres Los zugefallen, denn selten 
berichtet die Geschichte von ihn, ohne von fürchtbarem Brand und 
ichwerer Feindesnot erzählen zu müssen. Schon 1372, als der 
dandgraf Hermann von Hessen, der Babkalaureus, sich mit dem 
zitterbunde der Sterner, in dem die Grafen von Siegenhain eine 
ihrende Rolle spielten, in den Haaren lag, sank es in Asche. 
Ein Jahrhundert später blicken wir wieder auf rauchende 
crümmer. Landgraf LSudwig der Friedsame hatte Hessen unter 
eine beiden Söhne Ludwig III. und Heinrich III. geteilt, die aber 
ucht den Ehrentitel ihres Vaters beanspruchen bonnten. Um einer 
dappalie willen bLam es 14608 z3u einem Bruderbrieg, und da in 
dieser „guten“ alten Seit bei jedem Fürsten und 
Kitter der Spruch: „Wie du mir, so ich dir!“ 
uinsichtbar im Wappen stand, so meinte Ludwig, 
als Heinrich ihm seine Stadt Borben erobert und 
Jeplündert hatte, nichts besseres tun zu Lönnen, 
ils nun seines Bruders getreues Schwarzenborn 
zründlich heimzusuchen und niederzubrennen. 
Denn am eigenen Leibe pflegte man obigen 
Spruch nicht auszufechten. Seit jener Seit lag 
die Burg in Schutt und Scherben, sie ist auch 
richt wieder aufgebaut worden. 
Als Philipp der Großmütige aus der 
itteren Gefangenschaft Kaiser Karls V. in sein 
Land zurückkehrte, schenbte er, der — wie schon 
zesjagt — eine so gute Meinung von seinen 
Schwarzenbörnern hatte, ihnen die Ruinen 
amt dem Platze. Diese wußten nichts Besseres 
damit anzufangen, als sich dorthin ein Rathaus 
zu erbauen, wenn schließlich auch das Städtchen 
von einer Stube aus zu regieren gewesen wäre. 
Man war nun einmal Stadt, und noblesse oblige! 
Den anderen Städten wollte man nicht nach— 
tehen. Daß man die Fenster vergessen habe 
und das fehlende Licht in Säcken habe herein- 
tragen wollen, ist natürlich eine böswillige 
Erfindung mißgünstiger Nachbarschaft. Aber 
viel Glück hat man mit dem Rathaus nicht 
gehabt. Der dreißigjährige Krieg fand mit 
ODerwũstung und Brandschatzung seinen Weg 
auch in diese weltabgeschiedene Gegend. 1036 
varen von den 86 Häusern, die damals der Ort zählte, 48 wüst, 
). h. unbewohnt, ausgebrannt oder eingestürzt, auch Rathaus und 
—An 
oll außer glimmenden Feuerstätten und jammernden Menschen 
ichts übrig geblieben sein. 
Ja, zu der Winters- und Hungersnot hat als dritter im Bunde 
ich oft die Feuersnot gejellt, aber stärker als alle drei war bei 
en Schwarzenbörnern die Liebe zu ihrer Heimat. Wie manche 
Ortjchaft, die früher auf dieser rauhen Hochfläche lag, ist verjschwunden, 
o verschwunden, daß nur noch ihr Name in alten Urkunden von 
he übrig bliebl Da sind Eckenrod und Hornsbach nach Friedige- 
ode zu, da ist Eppenhain ! Stunde westlich und Heucheln- 
»eim “ Stunde östlich von Schwarzenborn, und nördlich von ihm 
5chlufft, das schon 1419 wüst war, ferner Hunigerod zwischen 
dem Wilsberg und dem Dorfe Salzberg, das schon 182 urbkundlich 
ꝛrwähnt wird und noch 600 Jahre später vorhanden ist: Sie alle 
ind den drei Nöten unterlegen, aber die Schwarzenbörner wanbten 
ind wichen nicht von ihrer angestammten Scholle, und immer wieder 
rstand das Städtlein mit Hilfe des nahen Waldes aus der Asche, 
mmer wieder bämpften trutßzige Herzen und sehnige Arme gegen 
Vind und Wetter um des Lebens Nahrung und Notdurft. 
Daß man sich aber, gewitzigt durch die vielen Heimsuchungen, 
egen Feuersgefahr wohl wappnete, zumal man bei der abgelegenen 
dage in dieser Beziehung auf sich selbst angewiesen, ist begreiflich. 
5o entstand nicht nur der große Feuerteich oberhalb des Ortes, 
uch in der Stadt selbst baute man große Wasserkümpe, und in bezug 
luf das Spritzenwesen hielt man sich stets auf der Höhe. Mit 
ztolz führte man hohen BSesuchern die Löscheinrichtungen vor. 
Allerdings einmal, wie man erzählt, in recht drastischer Weise. 
)a hatte Landgraf Wilhelm IX. — sogar das Jahr wird angegeben — 
I81 den Weg zu seinen Landeskindern von Schwarzenborn gefunden, 
ie sicherlich über allzuhäufigen Besuch ihrer Fürsten nicht zu blagen 
ehabt haben und deshalb die seltene Ehre mit einem hochfeierlichen 
zmpfang vergalten. Aber so ein mehrstündiger Ritt den Berg 
inauf ist recht beschwerlich, und Wilhelms Sinn stand weniger 
ach feierlichen Ansprachen und ehrenjungfräulichen Blumensträußen 
ils nach einem füchtigen Trunk. Wenn er nun schlichtweg nach 
inem Glas Wasser oder Wein verlangt hätte, so wäre ihm wohl 
as rechte geworden, so aber erbat er „eine Erfrischung“. Die 
chwarzenbörner sahen sich verwundert an, das Wort war in ihrem 
sprachschatze nicht vorhanden. Man riet hin und her, schließlich 
ing ihnen ein Licht auf. Rasch fuhr ihre Feuerwehr, die wohl 
hon beim Empfande paoraodiorfe. an. ein poar kräftige Pumpen- 
Kaiserbreuz bei Kleinenglis. 
Photographie von C. Dippel.
	        
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