Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Ach, der verdammte Kriegl Alszu Krieg und immer 
Krieg. Der Krieg wird net n'aus. Wenn doch nur so'n 
42 Sentimeter bäm und schlüg in den Kasten hier n'ein, 
und wenn meine Beine gleich nach Wörlsdorf flögen und 
mein Kopp nach Setersdorf zwirbelte! 
Der verdammte Säubriegl Ach Gutt, ach Gutt“ — 
immer matter: „ach Gutt, ach Gutt.“ Dann Stille, und 
gleich darauf gesundes Schnarchen. — 
Leider mußte ich den unterhaltsamen Karl Bellmaus 
bald verlassen. 
Erst 1917 traf ich ihn zufällig auf einem Heimaturlaub 
in der Bahn. 
„Nun, Karl,“ fragte ich, „was macht der böse Feind?“ 
„'nein komme se net, und 'naus geh ich net.“ Damit 
hatte er seine Stellung zum Weltbrieg auf die bnappste 
Formel gebracht. Was sollte ich dazu sagen? 
Er hatte ihn ja „net angefange“. — 
Jahre sind dahingegangen, und ich habe nichts mehr von 
dir gehört, trefflicher Karl Bellmaus. 
Aber ich bin überzeugt, daß auch die Nöte dieser bösen 
Seit dir wenig anhaben kLönnen. Du hast gewiß „auch so 
noch zu lebe“. 
Nun liegst du wieder in deinem geliebten weichen Feder⸗ 
»ett, und „oben guckt nur noch ein bißchen vom Koppe raus“. 
Im sanften Rhythmus werden deine Tage dahingehen wie 
»hedem. Du seltsamer Lebensbünstler wirst es schon wissen, 
vo du dich hinzustellen hast, um dir die guten Körnchen 
aus aller Spreu herauszublauben. 
Ob du dir ein Weib nehmen wirst und deine treffliche 
Art fortpflanzen? — Nein, ich weiß, du wirst dir nicht 
‚diese Arbeit gemach“. Als ein einsamer Weiser wirst 
)u deine Tage beschließen. 
Sollte ich dich nun heute hier bemoralisieren? — Man 
onnte dir nicht böse sein, du wunderlicher Kauz. Wie 
ollte ich auch gegen deine urwüchsige Lebensweisheit ankommen! 
Es gedeihen allenthalben schlimmere Gewächse in unsern 
Landen, Schieber und Wucherer ohne Sahl, und — man 
lann nicht mal über sie lachen. Du, Karl Bellmaus, bist 
uch schon gestraft genug mit deiner Angst, einmal vor 
Schwachheit umzufallen. Was wirst du da noch alles essen 
nüssen! 
Möge dir darum deine gesegnete Verdauung erhalten 
leiben und die beneidenswerte sichere Mitte, aus der du 
das blöde Treiben der Welt um dich herum beurteilst 
—4 
Auf Heimatwegen. 
Schwarzenborn. 
VDon Wilh. Meuhaus, Heesfeld. 
(Fortsetzung.) 
Aber jeien wir gerecht. So ganz Sufall ist es doch nicht 
gewesen, der Schwarzenborns Ruf begründet hat. Hat der 
Schwarzenbörner nicht oft und protzig auf den stattlichen Boden⸗ 
besitz seiner Gemeinde, der noch jetzt 1003 ha groß ist und aus viel 
Wald, Wiesen und Trieschern bejteht, hingewiejen und dadurch den 
Neid der ärmeren Gemeinden hervorgerufen, die ihm dafür mis 
bojem Spotte dienten? Hat er nicht auch den Dörflern ringsherum 
gegenũber sich als Städter gefühlt, auf die alten Stadtrechte seines 
Oetes gepocht und voller Stoiz auf die Seugen derselben, das 
Kathaus und die Keste der Festungsmauern, verwiesen? Das mag 
nun die Nachbarn gereizt haben, ihm immer neue Streiche, die 
hauptsächlich sein Städterkum arg verspotten, anzuhängen, auch der 
von dem „landgräflichen Frühstück“, der schon erzählt wurde, gehört 
in diese Kategorie. Mit Behagen erzählte man sich die Geschichte. 
die man vielleicht aus Schilda übernommen hat. 
Auf der Stadtmauer wuchs eines Sommees so schönes grũnes 
Gras (wer hört nicht den Spott auf die alte Festungsherrlichkeif 
herauss), daß es ein Jammer gewesen sei, wenn es da nutzlos ver⸗ 
dorben, wäre. Schließlich Lam man auf den Gedanken, den Stadt— 
bullen hinaufzubringen, der sollte es abweiden, damik es jo — auj 
einem bleinen Umwege allerdings — der Allgemeinheit wieder zu 
gute käme. Man legte also dem Bullen einen Strick um den 
Hals und wand ihn mit vieler Geduld und manchem Tropfen Schweiß 
empor. Das Tier, das das fette Gericht witterte, jtreckte schon 
die Sunge lang aus dem Halse, so daß die umstehenden Schwarzen⸗ 
börner in den Jubelruf: „Hei lecket schon!“ ausbrachen, aber es 
bonnte sie auch nicht wieder hereinziehen, da es eines unbermuteten 
Todes verblichen war. Bie tief erschrockenen und betrũübten 
Schwarzenbörner Weisen meinten zwar zunächst, ob nicht die 
freudige Aufregung über den köstlichen Fraß dem Bullen einen 
Herzschlag versetzt und das Leben gekostet —X 
sich schließlich doch davon ũberzeugen, daß er von ihnen selbst regel⸗ 
recht strangulierk worden war. Sie und ihre Nachkommenschaff 
wollten natürlich an diesen Streich nicht gern erinnert werden. 
Was kbümmerte das aber die jpottlustige Nachbarschaft, die mit dem 
höhnenden Suruf; „Hei lecket schont“ gleichsam den würzigen 
Extrakt aus der bösen Geschichte zog und dem Schwarzenborner 
zu bosten gab. 
Auch mit dem Stadttor beschaäftigten sich die hämischen Nach— 
barn. Als die Schwarzenbörner ihre Stadtmauer zogen, hatten 
sie nämlich das Tor vergessen. Die Notwendigkeit eines Tores 
aber leuchtete ihnen bald ein, und sie beschlossen, eins zu bauen. 
Aber als sie anfängen wollten, hatten sie vergessen, was sie eigent⸗ 
lich machen wollten. Sie dachien lange und scharf nach, bonnten 
ãch aber auf das vergessene Wort nicht besinnen. „Wer weiß das 
Phot. Ernst Bingel. Hersfeld 
Vort?“ jammerten sie, „wir haben das Wort verloren, das Wort 
jt uns entschlüpft!“ „Wenn es entschlüpft,“ meinte nun ein Neunmal- 
veiser, „und nirgends zu finden ist, so kann es nur in die Erde
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.