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eimat · Schollen
Blätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatbhunst
Fe 3102
Die Heimat · Schollen werden den Kreisblätteen im Homberg, Meljungen, Kotenburg und Siegenhain
beigelegt. Die Kreisblãtter in Fritzlar, Frankenberg, Hersfeld, Hünfeld, Kirchhain und Wolfhagen her
auf Bestellung. Außerdem kann der Bezug durch die Post und den Buchhandel erfolgen. Jahreepeeie 10 Mep.
12. Ihygan
Stille Treue 0 DVon Wilhelm Sunbel.
Gleich am ersten Tag des neuen Jahres erreichte uns
eine ernste Botschaft. Wir erhielten die Trauerbunde aus
unserm lieben Dorfe, daß unsere langjährige Helferin heim—
gegangen sei, die nicht nur in der engeren Gemeinde, sondern
auch in der ganzen Gegend als die treue Pfarrmagd bebannt
war. Ich kann es mie nicht versagen, ihr ein bescheidenes
Denbmal zu setzen für ihre große Treue.
Seit jeher hat es mir als ein Ideal vorgestanden, wenn
man von einer Magd sagen bonnte: treu und fleißig, und
ich besinne mich noch aus meiner Kindheit, daß es meinen
Eltern eine wichtige Angelegenheit war, wenn sie einem
aus dem Dienste scheidenden Mädchen dieses Seugnis ins
Dienstbuch schreiben konnten. Wir haben unserer von dieser
Erde scheidenden Anna nun bein Seugnis mehr zu erteilen, aber
ich denke, ihr gebührt mit vollem Kechte das anerbennende
Lob, das in den Worten treu und fleißig enthalten ist.
Als sie zu uns bam, war sie recht schwächlich. Sie hatte
bei Landwirten gedient und kbonnte die dort geforderte grobe
Arbeit nicht verlragen. Bei unserer kleinen Familie konnten
wir ihrer Schonungsbedürftigkeĩt gerecht werden, und bald
erholte sie sich soweit, daß sie den Anforderungen unseres
Haushalts genügte und zwar bei ihrem zarten Körper in
rührender, aufopfernder Weise. Wohl war es zu Zeiten
nötig, daß ihre Schwestern, Schwägerin und Nichten, darunter
besonders „die kleine Hilje“, mit einspreingen mußten und ihr
die Arme stützten, aber sobald ihre Kräfte sich wieder hoben,
stellte sie ihren Mann und leistete oft Wunderbares, indem
der eijerne treue Wille die Schwäche des Leibes überwand,
sodaß man bisweilen nicht verstehen konnte, woher der
gebrechliche Körper die Kraft zum Schaffen nahm.
Im Anfang sahen wir ihren Dienst nur als eine Probe
an. Ihre Vorfahren und Verwandten waren schon vor ihr
m Hause tätig gewesen, nun trat sie versuchsweise an ihre
Stelle, und die gute Seele hat sich als zäh und widerstandsfähig
oewiesen und sich glänzend bewährt. Wie freuten wir uns
alle, als wie ihr fünfjähriges Jubiläum feiern Kkonnten! All
hre Derwandten waren eingeladen, um mit Kaffee und
Kuchen und dem selbstbereiteten Heidelbeerwein ihr die Ehre
inzutun. Nach fünf weiteren Jahren wurde wieder gefeiert,
o reihten sich die Jahre aneinander, immer wieder nach einer
fFünfzahl von Jahren luden wir ihre Verwandten und Freunde
rin, daß sie sich mit uns freuen möchten. Wenn wir dann
jemütlich zusammensaßen, wurde aus einem guten Buche
orgelesen, der vergangenen Seiten gedacht, und in Scherz
ind Ernst verging der Tag, an dem wir Gott priesen,
der unserer guten Anng wieder ein Stück Weg in Güte
geholfen.
In der Schule haͤtte sie sich nicht als die blügste gezeigt,
es war ihr lieber gewesen, wenn sie der Frau Lehrer Wasser
»olen und andere Arbeiten für sie verrichten durfte, als
ich in die Geheimnisse der Wissenschaften zu pertiefen.
Aber was von ihr im Leben gefordert wurde, was sie als
Magd zu verrichten hatte, das hat sie gut, ja das meiste
orzüglich ausgeführt. Wie vortrefflich verstand sie es, in
der Küche zu walten, alles ging ihr flink von der Hand,
vie wußte sie meisterhaft zu bochen, nicht nur schmackhaft
und fein, sondern sie hatte auch die rechte Übersicht, sodaß
die Mahlzeit stets zu rechter Seit auf dem Tische stand!
Es war ihr eine dringende Angelegenheit, gute Wäsche
zu halten. Mit ihren geschickten Händen schaffte sie mit
Hilfe ihrer Gefährtinnen die größte Arbeit bald zur Seite,
vobei nach alter Wäscherinnenart die Reden hin- und her—
logen, nicht zum Schaden der Stücke, die am Ende blendend-
veiß im Schrank geborgen wurden