Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

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eimat · Schollen 
Blätter zur Pflege hessischer Art. Geschichte und Heimatbhunst 
Fe 3102 
Die Heimat · Schollen werden den Kreisblätteen im Homberg, Meljungen, Kotenburg und Siegenhain 
beigelegt. Die Kreisblãtter in Fritzlar, Frankenberg, Hersfeld, Hünfeld, Kirchhain und Wolfhagen her 
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12. Ihygan 
Stille Treue 0 DVon Wilhelm Sunbel. 
Gleich am ersten Tag des neuen Jahres erreichte uns 
eine ernste Botschaft. Wir erhielten die Trauerbunde aus 
unserm lieben Dorfe, daß unsere langjährige Helferin heim— 
gegangen sei, die nicht nur in der engeren Gemeinde, sondern 
auch in der ganzen Gegend als die treue Pfarrmagd bebannt 
war. Ich kann es mie nicht versagen, ihr ein bescheidenes 
Denbmal zu setzen für ihre große Treue. 
Seit jeher hat es mir als ein Ideal vorgestanden, wenn 
man von einer Magd sagen bonnte: treu und fleißig, und 
ich besinne mich noch aus meiner Kindheit, daß es meinen 
Eltern eine wichtige Angelegenheit war, wenn sie einem 
aus dem Dienste scheidenden Mädchen dieses Seugnis ins 
Dienstbuch schreiben konnten. Wir haben unserer von dieser 
Erde scheidenden Anna nun bein Seugnis mehr zu erteilen, aber 
ich denke, ihr gebührt mit vollem Kechte das anerbennende 
Lob, das in den Worten treu und fleißig enthalten ist. 
Als sie zu uns bam, war sie recht schwächlich. Sie hatte 
bei Landwirten gedient und kbonnte die dort geforderte grobe 
Arbeit nicht verlragen. Bei unserer kleinen Familie konnten 
wir ihrer Schonungsbedürftigkeĩt gerecht werden, und bald 
erholte sie sich soweit, daß sie den Anforderungen unseres 
Haushalts genügte und zwar bei ihrem zarten Körper in 
rührender, aufopfernder Weise. Wohl war es zu Zeiten 
nötig, daß ihre Schwestern, Schwägerin und Nichten, darunter 
besonders „die kleine Hilje“, mit einspreingen mußten und ihr 
die Arme stützten, aber sobald ihre Kräfte sich wieder hoben, 
stellte sie ihren Mann und leistete oft Wunderbares, indem 
der eijerne treue Wille die Schwäche des Leibes überwand, 
sodaß man bisweilen nicht verstehen konnte, woher der 
gebrechliche Körper die Kraft zum Schaffen nahm. 
Im Anfang sahen wir ihren Dienst nur als eine Probe 
an. Ihre Vorfahren und Verwandten waren schon vor ihr 
m Hause tätig gewesen, nun trat sie versuchsweise an ihre 
Stelle, und die gute Seele hat sich als zäh und widerstandsfähig 
oewiesen und sich glänzend bewährt. Wie freuten wir uns 
alle, als wie ihr fünfjähriges Jubiläum feiern Kkonnten! All 
hre Derwandten waren eingeladen, um mit Kaffee und 
Kuchen und dem selbstbereiteten Heidelbeerwein ihr die Ehre 
inzutun. Nach fünf weiteren Jahren wurde wieder gefeiert, 
o reihten sich die Jahre aneinander, immer wieder nach einer 
fFünfzahl von Jahren luden wir ihre Verwandten und Freunde 
rin, daß sie sich mit uns freuen möchten. Wenn wir dann 
jemütlich zusammensaßen, wurde aus einem guten Buche 
orgelesen, der vergangenen Seiten gedacht, und in Scherz 
ind Ernst verging der Tag, an dem wir Gott priesen, 
der unserer guten Anng wieder ein Stück Weg in Güte 
geholfen. 
In der Schule haͤtte sie sich nicht als die blügste gezeigt, 
es war ihr lieber gewesen, wenn sie der Frau Lehrer Wasser 
»olen und andere Arbeiten für sie verrichten durfte, als 
ich in die Geheimnisse der Wissenschaften zu pertiefen. 
Aber was von ihr im Leben gefordert wurde, was sie als 
Magd zu verrichten hatte, das hat sie gut, ja das meiste 
orzüglich ausgeführt. Wie vortrefflich verstand sie es, in 
der Küche zu walten, alles ging ihr flink von der Hand, 
vie wußte sie meisterhaft zu bochen, nicht nur schmackhaft 
und fein, sondern sie hatte auch die rechte Übersicht, sodaß 
die Mahlzeit stets zu rechter Seit auf dem Tische stand! 
Es war ihr eine dringende Angelegenheit, gute Wäsche 
zu halten. Mit ihren geschickten Händen schaffte sie mit 
Hilfe ihrer Gefährtinnen die größte Arbeit bald zur Seite, 
vobei nach alter Wäscherinnenart die Reden hin- und her— 
logen, nicht zum Schaden der Stücke, die am Ende blendend- 
veiß im Schrank geborgen wurden
	        
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