Das waren die Gedanben, die ich hegte, als ich in der
Heimat im Steinbruch unter der hohen, roten Buntsand-
steinwand und dem mächtigen Föhrenbaum stand, der jeden
Augenblick im Sturz herniederzubrachen drohte.
Irgendwo klang Tropfenfall vom Gestein in den krüben
Wassertümpel, regelmäßig wie das Ticken einer Ahr, die
ganz gelassen eines Sterbenden letzte Sebunden zählt. Ein
bperlorener Sonnenstrahl brach von hoch oben durch die
Kiefernkeonen in die dunble Kühle des Steinbruches und
huschte mit goldner Helle durch das Geäst des Baumes
über dem Abgrund.
Der Herbststurm kam und warf sich mit wilder Wucht auf die
orausenden Wipfel. Das riß mich aus meinen Gedanken. Wie
eine wilde Weise umrauschte mich das Brausen des Waldes,
wie die alte Heimwehballade, darin der jüße Ton anblingt:
Der ist in tiefster Seele treu, wer die Heimat liebt ...
Jedem Heimatlosen sollst du, heimatfroher Mensch, es
stolz und froh bekennen: Ich habe eine Heimat, und die
will ich festhalten! —
Dorfkind, Hessenkind, wenn es dir auf der Heimatscholle
aicht mehr gefallen will, weil dich die Großstadt lockti —
denk an den Baum über dem Abgrund!
Wenn mein Büblein erst ein großer Mann⸗. 0 Von Olga Stückrath⸗Stawitz.
Ja, wenn mein Büblein erst ein großer Mann.
Dann fangen meine guten Tage an!
Letzt bam er mir auf den Schoß gebrochen
Und hat mir hereliche Dinge versprochen:
Einen warmen Mantel und warme Schuh,
AUnd ein Häuslein mit einem Gärktlein dazu,
And für alle Tage — ich wills verraten —
VDersprach er mir die schönsten Braten,
And für Sonntags süßen Kosinenkuchen —
Dann wollt er mich Sonntags immer besuchen —
And ein Pferdlein mit einem samtenen Wagen,
Damit ich in meinen alten Tagen
Immer kbönnt hübsch in die Sonne fahren,
And nimmer braucht ich zu sorgen und sparen,
Und nichts mehr zu arbeiten, — könnt immer schön
Am Fenster sitzen und den Kindern zusjehn!
Er drückte mich fest an die bleine Brust,
Da hab ich es ganz bestimmt gewußt:
Ja, wenn mein Büblein erst ein großer Wann,
Dann fangen meine guten Tage an!
Melsungen 0 Von M. Herbert.
Du Stadt der silbernen Tauben!
Ob flutendem Fuldastrand,
Hoch über den Gärten und Lauben
Ziehn sie ihr silbernes Band.
Sie streifen mit lachendem Flimmer
Den dusteren Eulenturm;
Sie werfen den leuchtenden Schimmer
Auf Wolben voll Kegen und Sturm,
Aeber den Dächern und Schloten
Fliegen sie weiß wie der Schnee,
Funben wie jelige Noten
Aeber menschlichem Weh.
Moch seh ich sie blitzen und blinben
Im jubelnden Sonnenschein;
Noch hör ich sie rauschend versinken
In goldene Neckher hinein.
Und seh sie sich strahlend erheben
Im wogenden, gleitenden Flug,
Seh über die Wälder entschweben
Den reinen, heiligen Sug.
Seh in den Wolkben ihn schwinden,
Eins werden mit himmlischem Licht
Es war ein Jenseitsverkbünden,
Ein überirdisch Gesicht.
Nie hat noch ein Grenzstein geboten
Der Freiheit des Flügelschlags.
Die silbernen Tauben sind Boten
Des jungen, siegenden Tags.
Du Stadt der silbernen Tauben!
Der Eulenturm in Melsungen. Nach einer Seichnung von H. Breul