Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

vom Swinegel erinnert. Nur sah dieser Gute sauberer aus 
und war glatt gebämmt. 
Ich dachte auch an Shakbesspeares Wort von den dicken 
Leuten, die fröhlich sind und nachts gut schlafen, und nahm 
ihn mit. 
Ein wenig mißtrauisch, die Brauen hoch in die niedrige 
Stirn gezogen, so trat er in die Stube. 
Wie erstrahlte sein feistes Gesicht, als er seine zukünftige 
Lagerstätte jahl Im ewigen Halbdunbel stand da ein Bett 
hinter einem riesigen Kamin. 
„Ich hab immer schon in so'ner Ecken gelègen,“ begann 
er. „Wie ich in de Kasern n'einkam, gleich hab ich mir 
n'en Bett in so'ner Ecken ausgesucht. Wenn dann der 
Feldwebel Lam und wollt' gucken, ob ich's ordentlich gebaut 
hatt', dann rannt er sich die Platten ein und bam so bald 
net wieder.“ 
Dort richtete er sich nun häuslich ein. Dort lag er 
immer, wenn er nicht gerade Posten stand. Er lag auf 
dem weißen Linnen wie ein rosiges Schweinchen, ein herz- 
erfreuender Anblick von jeder Seite. Er lag da, als die 
Winterstürme um den alten Bau fauchten, und er brachte 
dort seine Tage zu, als die Junisonne das Land röstete. 
Als der Krieg aber gar bein Ende nehmen wollte, verschwor 
er sich, überhaupt nicht mehr von seinem Strohsack herunter 
zu gehen. Aber manchmal mußte er von dem geliebten 
Lager herunter. Er hatte jeden zweifen Tag Wache. Doch 
bermied er das Wachtlokal. Karl Bellmaus zog von seinem 
Bett aus auf Posten, und nach den bösen zwei Stunden 
behrte er immer sehr eilig und höchst eigenmächtig dorthin 
zurück. Übrigens wußte Karl Bellmaus auch hier sogleich, 
wo er sich bei der schweren Arbeit des Postenstehens hin— 
zustellen hatte. Sein Stammplatz war der dritte Flur oben 
in dem alten Schlosse, und bein Anteroffizier hätte gewagt, 
Karl Bellmaus wo anders hinzuschicken. 
„Da gehören ordentliche Leut' hin,“ war seine Begründung. 
Aber einmal kam ein junger Anteroffizier aus dem Felde. 
Der kbannte das idyllische Gefangenenlager mit seinen gemüt— 
lichen Gebräuchen noch nicht. Der steckte den guten Karl 
Bellmaus auf die zugige Ostfront auf Außenposten. Die 
ernsten Warnungen des Dicken, daß auf den dritten Flur 
nur „zuverlässige Leut“ hingehörten, schlug er erst gänzlich 
in den Wind; aber schließlich tat er ihm doch den Gefallen. 
In der langen Nacht Lbamen dem pflichteifrigen Wacht— 
habenden allerlei Bedenken, und er wollte gern mal sehen, 
was es denn eigentlich mit dem Posten auf dem dritten 
Flur für eine Bewandtnis habe. 
Da fand er auf dem Flur dicht neben der Sentral— 
eizung ein Bänkchen aus einem Brett und zwei Backhsteinen 
ꝛrrichtet. Darauf saß der „ordentliche und zuverlässige“ 
Mann und schlief wie ein Katz. 
Bald verschaffte ihm ein freundliches Schicksal einen 
ielbeneideten „Druckposten“, für den er ganz der geeignete 
Mann war. Man wollte nämlich wegen der vielen Flucht— 
ersuche jeden Gefangenen äußerlich kennzeichnen und zwar 
nittels eines bräftigen Strichs in weißer Glfarbe auf dem 
Zücken der Siviljacke. Karl Bellmaus erhielt als Weiß— 
inder und Fachmann diese höchst wichtigste Arbeit. So 
ange war er von allem Wachtdienst befreit. Nach wochen- 
angem Pinseln hatte er wirblich die vierhundert Leutchen 
nit Strichen versehen, und so sehr unser Dicker die Arbeit 
u strecken suchte, eines Tages bam es doch, daß er wieder 
)osten stehen mußte. Nur wenn ein neuer Gefangenen— 
ransport bam, gab es wieder „ODruck“ für ihn. 
„Bellmaus,“ hieß es dann am Morgen beim Einkteilen 
er Wachen, „heut brauchen Sie nicht aufzuziehen. Heut 
nachen Sie die fehlenden Striche. Aber fangen Sie gleich 
amit an!“ 
Mit behaglichem Schmunzeln nahm Karl Bellmaus davon 
Zenntnis. 
„Sond“) werd sich erst mal aufs Bett gelät,“ sagte er 
ind verbrachte den Morgen in stiller Beschaulichbeit auf 
einem Strohsach. 
Sei der Parole am Mittag wurde er gefragt, ob er 
ald fertig wäre. 
„Ich hab doch kbeine Farb' net, Herr Feldwebel,“ ant- 
vortete er mit pfiffig zwinbernden Auglein. 
Dann stellte der Feldwebel bei der Kommandantur den 
iesbezüglichen Antrag. Die Kommandantur wies den Zahl- 
aeister zur Auszahlung von 3 Wark an, womit Karl Bell— 
aaus im nächsten bayerischen Flecken Farbe kbaufen sollte. 
Der Antrag ging also den Dienstweg, und wenn's ganz 
jut ging, hatte Karl Bellmaus schon am dritten Tag die 
rei Keichsmark und wanderte damit über die baherische 
ßrenze. Drüben gab es noch gutes Bier. Vor Nacht 
»am er darum nicht wieder. Den nächsten Vormittag ruhte 
r erst gewissenhaft von den Strapazen der Keise aus. 
dielleicht rührte er auch noch am Nachmittag die Farbe an. 
Aber mehr bonnte er für diesen Tag nicht tun. 
Am andern Worgen fing er an zu streichen. 20 Neu— 
inkömmlinge, das war für ihn gleichbedeutend mit 14 Tagen 
Druchposten“. GSchluß folat.) 
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Auf Heimatwegen 
Khönbilder. 
Don Heinrich Schweitzer, Frankfurt a. M.Miederrad. 
angsam aus der mattblauen Wand, die gierig seine Glut aufsaugt, 
n das zarte, hellrote Band und taucht dann zögeend in einen 
oldgeränderten, lichtumflossenen See. Englein auf grüngoldenem 
Nachen schaukeln in dem Lichtjseec. 
„Goldne Abendsonne, 
Wie bist du so schön!“ 
Gegenüber aus der Kichtung des Wallbacher Forstes erscheinen 
ben am Horizont die ersten Pagen der Königin Nacht als Ouartier- 
nacher in feuerfarbenen Röckchen. Die Frau Königin selbst mit 
»em dunklen, faltigen, sternenbejäten Samtmantel, in der Hand die 
zroße, runde Leuchte mit dem zufriedenen Gesicht, ist freilich auf 
hrer Reise zu den Menschenkindern noch weit wegq hinter den 
schönauer Bergen. 
UÜber dem Himmeldunkberg fürmen sich dicke, schwere 
Volken. Wie ein Argebirge steigen sie auf. Ihre Gipfel um— 
lossen vom Gold der untergehenden Sonne. Weite Gletscherfelder 
eblicke ich auf dem von meinen Händen umrahmten Himmelsbilde. 
kine feurige Schlange züngelt eben schroffe Wolkenhöhen hinan. 
settt wird ein Schneefeld auf Sebunden matt beleuchtet 
Süße, heilige Natur, 
Laß mich gehn auf deiner Spur, 
Leite mich an deiner Hand, 
Wie ein Kind am Gängelband! 
Wenn ich dann ermüdet bin, 
Sink ich dir am Busen hin. 
Atme süße Himmelslust, 
Hangend an der Mutterbrust. 
Ach, wie wohl ist mir bei dire! 
Will dich lieben für und für; 
Laß mich gehn auf deiner Spur, 
Süße. heilige Natur!“ 
Stolboera. 
3 
Ich steige vom Kloster Kreuzberg hinauf zu dem 2MMeter 
hohen Kreuz, das dem Berge seinen Namen gegeben hat. — Der 
Abend sinbt hernieder, ganz leise, man merkt es baum. Noch stehe 
ich im Sonnengold. Wie freundlich und weich sind die letzten 
Sonnenstrahlen hier oben auf dem Berg! Wie frei und wohlig 
lassen sie die Seele aufatmen! Wie feierlich und traut ist es auf 
dem Kreuzberg beim Sonnenuntergang! 
UÜber Wildflecken liegt ein mattblauer Abendhimmel, ruhend 
auf zartrotem Wolkenband. Der feuridstrahlende Sonnenball sinkt
	        
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