Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

an, die seinen Namen ins Voll hineintragen und diesem in 
der Dereinigung von Gemütswerten und künstlerijchen Fein— 
heiten vielerlei Freude bringen. Unter den mehr als hundert 
Weisen, die Lewalter vielfach zu eigenen Worten ersonnen 
und für eine oder mehrere Stimmen mit Klavier-, Orgel— 
oder Lauten-Begleitung gesetzt hat, finden sich infolgedessen 
noch manche, deren Volkstümlichkeit an die der Altmüllerschen 
Lieder heranreicht. Wie geen hört beispielsweise der Casselaner 
das in seiner Mundart von Heinrich Jonas verfaßte und 
von Lewalter vertonte „O Mensch, dhu dinne Augen uff“, 
und wie manchen Erfolg hat Heinz Clos, der hessische Sänger 
zur Laute, seinem anmutigen Vortrag von Lewalters „Spiel- 
mannslied“‘ zu danken! Es würde jedoch zu weit führen, 
allen einzelnen Erfolgen nachzugehen, die den Tondichter 
auf seinem blumenreichen Weg begleitet haben, und es sei 
deshalb nunmehr erwähnt, daß in seinen Liederschöpfungen 
neben der Stimme des Humors auch diejenige ernster 
Sesinnung sich äußert und auch in geistlichen Chören zur 
Wirkung gelangt. Daß übrigens ein Mensch, der eine 
grundlegende Sammlung von Kinderliedern veranstaltete, 
auch als Komponist viel für die Jugend geschaffen hat. bedarf 
wohl beiner näheren Erläuterung. 
Aber nicht genug damit. Er, dessen Beruf es ist, junge 
Menschen in die Welt der Töne prabtisch einzuführen, hat 
ihnen auch mit Kompositionen für Klavier viel Freude 
zu bereiten gewußt. Stücke wie „Aus Wintertagen“ und, Aus 
Sommertagen“, besonders aber die liebenswürdige Adbents- 
schöpfung „O freudenreiche Weihnachtszeit“ haben Eingang 
in unzähligen Häusern gefunden, wo die Pflege gemütvoller 
Musiß zum täglichen Leben gehört. Auch gewichtigere 
Sachen wie etwa die beiden „Präludien und Fugen in C-moll 
und G-moll“ oder des Andante cantabile „Ersehntes Glück“ 
für Geige und Klavier haben schnelle und weite Verbreitung 
gefunden, von dem Erfolg des zur Tausendjahrfeier der Stadt 
Cassel geschaffenen hessischen Soldatenmarsches „Schurri“ 
ganz zu schweigen. 
Wie reich nun auch diese Beute eines arbeitsreichen 
Lebens erscheinen mag, sie ist mit der Kennzeichnung der 
musibwissenschaftlichen und kunstschöpferischen Tätigkeit noch 
nicht erjchöpft. Lewalter — nebenbei gesagt, der erste, der 
die bis dahin mündlich überlieferten Schwälmer Tänze 
aufgezeichnet und weiterer DVerwertung zugänglich gemacht 
hat — ist in seinem Interesse für die naive Kunstbetätigung 
des Volbes noch weiter gegangen und hat sich um die 
Wiedererweckung des alten Puppenspiels verdient gemacht, 
indem er „Dobtor Fausts Leben und Höllenfahrt“ nach 
Simrocks Aufzeichnungen und verschiedenen, auf hossischen 
Jahrmärkten gesammelten Erinnerungen neu herausgab und 
einen „Dobtor Kasper“ unter Benutzung von Szenen aus 
Joh. Kabes niederdeutschen Puppenspielen und von Eindrücken 
aus der guten alten Seit der Casseler Messe folgen ließ. 
Auch in diesen scherzhaften Niederschriften, deren Bedeutung 
für die Wiedergeburt des Puppenspiels unverbennbar ist, 
flackert die Phantasie des hessischen Dolksstammes, wie sie 
in Grimms Märchensammlung den bervorragendsten Aus- 
druck gefunden hat. 
Karl Bellmaus 8 
Es gibt soviel Lebensbeschreibungen großer und weniger 
großer Männer aus dem Weltkriege. Wenn ich diesem 
Sweig der Literatur auch noch ein Blättlein anfüge, möge 
mir das niemand verargen. Ohne politische Hintergedanken, 
in holder Absichtslosigkeit ist diese Schilderung entstanden, 
aus reiner Freude an dem trefflichen Karl Bellmaus. 
Ein Mensch, dessen Wirkungsweise so nahe an das 
Keich der Poesie grenzt, wird es nicht vermeiden können, 
nuch dichterischen Anregungen Folge zu leisten. Und in der 
Tat ist Johann Lewalter auch als Dichter hervorgetreten 
ind hat zwei schmale Bändchen lyrischer Versschöpfungen, 
Feldblumen“ und „Herbstfäden“ (beide im Veriag von 
darl Dietor in Cassel), veröffentlicht. Wie vielen Lewalter, 
er Komponist munterer und besinnlicher Lieder, heiterer und 
enster Instrumentalmusik, innige und dauernde Freude ins 
)aus, ins Herz gebracht hat, wie manche in ihm den vor— 
ildlichen Sammler und Bewahrer schönsten Gutes, vom 
ꝛeutschen Volk in tausenderlei Wort und Weise aufgespeichert, 
uch verehren mögen, so wenige wissen freilich, daß dieser 
ach Goethes Prägung „über sich allein“ sitzende und schaffende 
Nusikant von Gottes Gnaden auch ein Mensch ist, in dem 
ichterische Kräfte lebendig sind. Gewiß, in der Bescheidenheit 
hres Anspruchs und ihrer Darstellung sind sie nicht geeignet, 
Aufsehen zu erregen. Dem aber, der Lewalter auf musikalischem 
ind volkskundlichem Gebiete bennen und schätzen gelernt' hat, 
ind sie eine wertvolle Ergänzung, um so mehr, als in ihnen 
das jugendfrische Empfinden, das ihren Autor durchseelt, 
reudvoll zum Leser spricht und ihn mit der liebenswürdigen 
Nenschlichkeit bekannt macht, die hinter all' den Liedern 
ind Klavierstücken und hinter all' dem Sammlerfleiß und 
en vielseitigen Interessen sich verbirgt. Heimatliche Land- 
haft, Wanderlust, Liebe in Gegenwart und Nachhall, in 
zcherz und Ernst, genießerische Stimmungen, Lebensgedanken 
ind Lebenslieder, kburz, alles, was die Gelegenheit eines 
on Geist und Gefühl durchpulsten Daseins bietet, bewahrt 
n diesen Gedichten Form und Farbe und präjentiert sich im 
Sanzen als das Manifest eines Menschen, der sich eine 
»igne, nach den Grundsätzen der Schönheit und der Güte 
nit lebendigem Herzensstoff erbaute Welt geschaffen hat und 
iun freimütig allen Einblick gewährt in dieses Keich, die 
mstande sind, an den lebensbejahenden Empfindungen teil- 
unehmen, die dort das Dasein erfüllen. 
Johann Lewalter wurde am 24. Januar 1862 in Cassel 
eboren. Er sollte sich zuerst der Buchdruckerkunst widmen. 
Aber die Musik besaß eine stärkere Anziehungsbraft als der 
etzlasten und war in Leipzig Gegenstand eingehenden 
5tudiums, dessen Früchte dann in der Heimat geerntet 
ourden. Hier wie in Leipzig fand Lewalter Anschluß an 
leichgesinnte Menschen künstlerischer Prägung, mit denen 
yn, wie mit dem hessischen Dichter Wilhelm Speck und den 
Villingshäuser Malern, heute noch innige Freundschaftsbande 
erknüpfen. Nicht umsonst aber fühlte sich Lewalter von je 
zuu einer Natur wie derjenigen Wilhelm Kaabes, mit dem 
yn ebenfalls persönliche Beziehungen verbanden, aufs Stärkste 
ingezogen: in der urwüchsigen, will sagen heimatlichen 
formung seines Wesens erscheint er als eine lebendige Ver— 
örperung jenes Deutschtums, wie es eben Kaabe in seinen 
löstlichsten Gestalten einzig unverfälschbar hingestellt hat. Daß 
er hessische Boden Lewalters Wachstum besonders günstig 
st, kann nicht Wunder nehmen; denn hejsisch sein. das heißt 
eutsch sein, deutsch an Leib und Seele. 
VDon Adolf Häger. 
Wer war Karl Bellmaus? Ihr bennt ihn nicht. Ich 
vill's glauben. Eins vorauszunchmen: er ist ganz unschuldig 
an dem großen Völkermorden. 
Wohl hat er auch das graue Tuch getragen und hat 
aier bitterlange Jahre die gute alte Erde mit Kommipstiefeln 
getrampelt. Mancher Brite, Franzmann und Russe ist ihm
	        
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