Dom Pulsschlag der Heimat.
VDom Bergsee bei Oberellenbach.
Im zweiten Bande seiner Wanderbilder „Hessische Höhenluft“
erzählt Heinrich Bertelmann, der den Wanderstab so früh schon
niederlegen mußte, von dem seltsamen Bergsee am Seebopf bei
Oberellenbach. Tiefen Gedanken sann der nun Heimgegangene
an seinen Afern nach und deutete mit feinen Worten die Symbolik
ꝛeiner alten Sage von der Wasserjungfrau, die zu den Menschen
ins Tal hinabstieg. Diese von Bertelmann nur angedeutete Sage
zing uns von K. St. in Oberellenbach für die Heimat-Schollen zu,
und wir wollen sie unseren Lesern nicht vorenthalten.
Der Bergsee bei Oberellenbach hat immer frisches, helles
Wasser, das selbst in trockenen Sommern baum un einen Meter
fällt. Sein Ursprung und seine Tiefe sind in Dunkel gehüllt. Alte
Leute erzählen aus früheren Seiten, bei einem Tanzvergnügen
eien drei schöͤne Jungfrauen auf dem Platz erschienen und nach
dem Tanze, als etliche Burschen sie nach Hause begleiten wollten,
in den See gesprungen und Wasserjungfern gewesen. Einmai
persuchten einige Bauern, die Tiefe des Wassers zu messen. Sie
anden, „Luchen- oder Lubenjseiler“ zusammen und hingen eine
Pflugschar daran. Als sie die wieder herauszogen, stand mit Kreide
darauf, geschrieben, die Leute sollten es nicht wieder tun, sonst würde
Oberellenbach untergehen. Und das Wässer sei blutrot gewesen.
Swischen den Jahren.
Es ist, als müsse die Seit „zwischen den Jahren“ stille stehn, als
müsse sie noch einmal den Alem anhalten und rückwärts blicken
— und wieder jung werden, jungtöricht und glücklich.
Ja, wenn du durch die stillen Straßen wandersi, dann pũrst
du, wie das große Erleben und jchnelle Geschehen den Atem
anhält und den leisen, fernen Stimmen der Vergangenheit lauscht.
Das war eine köstliche Seit, jene behaglichen, dämmerigen
Tage zwischen Weihnachten und Neujahr. In der warmen Wohn -
stube duftete es nach dem mit Kauschgold und Nüssen geschmüchten
Tannenbaum und nach den zischenden Bratäpfeln im Ofen. Die
Puppenbüche war noch reichlich mit Mandeln, Kosinen und Quitten.
würstchen gefüllt. Auf dem großen Puppenherd wurde so eifrig
gequielt, Aofelbrei gekocht und Pjannbuchen gebacken, daß darüber
das hölzerne Schaubelpferd völlig in VDergessenheit geriet und die
trahlende Puppenschönheit außer acht gelassen wurde.
Oraußen vor den beschlagenen Feñsternũ herrjchte der Winter
mit bitterer Kälte, blies die Backen Auf, daß ihnen eisige Nordluft
entströmte, und hauchte gegen die Scheiben, daß sie erystallhelle
Eisblumen bildeten.
Drinnen war's unendlich eng, unendlich warm und unsagbar
behaglich. Die Buchenscheité bnisterken im Ofen, die Hängelampe
summte eine feine Weise, und die neumodische Kaffeemaschine
brodelte und stieß den Dampf aus. Auf dem runden Tisch standen
die letzten Stücke Kosinenbuchen neben der schier unerschöpflichen
Fülle von Simtsternen, Anisplätzchen und Brentinen. Kein Ton
von draußen drang lärmend in die Stille — Leine Außenwoelt
störte den Frieden der vier Wänden. Mur Kinderlachen und
Om Baarg ⸗ Am Berg, Dorfteil in manchen Gemeinden.
Baarger, Berger. d. i. die am Berg Wohnenden.
Baarntrisch, das, Bärentriesch. Waldteilname, der beweist, daß
Meijter Petz auch einmal in unserer Gegend gelebt hat.
BZaãase, der, 1. wie hochdeutsch, R die Hure, Bäããasemensch, die Hure,
Baasebènger, der Besenbinder.
bächern, bechern, (viel) trinben.
Backeschbrod, das, Säckersbrot, 1. wie hochdeutsch, 2. leichte Ware.
enbaddel, das, Einbörtel (— die Sorte, bes. an der Betzel sam
Mützchen] der Schwälmer Frauen).
Baddsel, dis, Betzel. Baddselschnier, die, Betzelschnũre, Betzol⸗
bänder. Brombãddsel, die, Brambappe. Redensart: sich bãddseln,
sich leicht zanben. Néèt raadit enger d'r Bãddsel seng ( NRicht
richtig unter der Betzel lungescheit] sein). Die Bãddsel verkehrt
steh honn ( Die Behel verbehrt steben hahon. nicht aut
gelaunt sein). (Im Haungrund:
Hae hât de Kapp verkalirt of — ist
schlecht gelaunt))
Zähr, und Bahr, die, Tragbahre. Mest-
bahr. Mistbahre.
Tradubabree—
Veihnachtsliedersingen sprudelte zuweilen perlend wie ein silberner
»pringquell durch die weiche, warme, beschauliche Ruhe. .. Und
n der Dämmerstunde erzählte Großnama ein Märchen aus der
uten alten Seit, und es fing allemal an: Es war einmal ...!
And jetzt? — Ja, es ist, als müsse die Seit stille stehn und
den Atem anhalten und rückwärts blicken ...!
Freilich, in den Geschäftsstraßen merkt man nichts von Stille—
ehn und Atemanhalten. Dort braust der Alltag mächtig und
aut, und der Kampf um die Ware wird rücksichtslos fortgejsetzt.
Siehe, dort unten fließt die Fulda still und friedlich vorbei —
die einst. Und Krähen umflattern die Weidenbäume — wie einst.
Ddenn die Natur ist die gleiche geblieben, ob auch Menschen und
seschehen sich wandelten. Und die Natuer blicht freundlich auf die
Nenschen der Jetztzeit und speicht zu ihnen: „Wahrlich, ich sage
uch, ihr seid größer als die Menschen der guten alten Seit. Auch
ene haben entbehrt und entsagt; aber sie bannten nicht so sehr den
Iberfluß, wie ihr ihn banntet ..... Sie kannten die Stille und
»as Wohlbehagen. Mber ihr werdet Größeres bennen lernen,
en Feieden nach dem Sturm.“
And es wird eine Seit bommen, da sitzt Großmütterlein
zwischen den Jahren“ bei der elebtrischen Stehlampe am modernen
FZamin und erzählt ein Märchen. Es wird beginnen: „Es war
inmal,“ und wird berichten von einem Geschlecht, das nicht viel
Tohlen hatte und nicht viel Fett, wenig Brot und fast gar keine
Leckerbissen, und welches dennoch frohgemut, stolz und tapfer war
ind seinen Frieden fand. Neumann.
Schnurrpfeiferecien.
Christoph schwatzt hochdeutsch.
Der Christoph ist in der Kreisstadt und betritt einen Laden,
Einbäufe zu machen. Der Kaufmann fragt ihn nach dem Woher.
„Aus Leuchtenhagen,“ sagt der Christoph.
„Leuchtenhagen?!“ meint der Kaufmann verwundert, „wo liegt
denn das? Das gibt's doch gar nicht.“
„Na, dann us Lichtenhääng!“ sagt der Christoph aus Lichten-
agen. RK.
Es artet of sinn Vadder.
Ein Homberger Handwerksmeister ging an einem Sonntag-
norgen auf ein benachbartes Dorf. Vor dem Dorfe traf er seinen
Bekannten Justus, der geistig etwas beschränkt war, mit seinem
jungen. Sie begrüßten sich: „Gun Morjen, Justus!“
„Gun Morijen, Schorschel Wo bemmest du dann schonn her?“
„Ech honn hie was ze besorjen un wull ö en Halwes stechen.
hert dann der Jönge dä, Jastus? Es esche zu 'n echtes Kerlchen.“
Der Justus antwortete: „Ja, Schorsche, un du glöwest garnet,
er Jonge es unvernönftig gescheit, der artet ofs Teine.“
Die beiden Freunde gingen nun nach dem Justus seinem
dãuschen. Vor demselben stand dem Justus seine Trine mit einem
leinen Mädchen an der Hand. Das wollte nun dem Onkel
?chorsche durchaus bein Händchen geben. Da sprach dos Trine:
Met dem Mächen honn ech minne Last. Das es so dumm un
ickköppich — aber das artet of sinn Vadder.“ nn
altes Gold. —
——
zahrche, das, Bärchen, Milchgefäß mit
einem Stiel. —
Alamm, das, Bälamm — dummer Mensch,
auch in der Kinderjprache für das Schaft—
gebraucht, dort dann Bälämmche. Ders—
hen: Bährche
——A—— Da stieß sich's wider ein Steckolchen.
das Lämmchen ging ins Holz, Da tat ihm weh sein Bäckelchen.
Das trug sein Koͤpfschen stoiz, Bälämmche bä ..
anas, die, Schneckennaso; Kotznase (Kindersprache).
angel, der, J. wie hochdeutsch Bändel. Schnur, 2. ungezogener
Mensch. Hosebãngel. Hosenbandel, Hosenbander. Spoitvers
auf die Schwälmer: Seng d'r da die Hosebangel länger bie die
trémbe, èéß d'r da d's râachte Beèé langer bie ds lenke (- Sind
die denn die Hosenbänder länger als die Strümpfe, ist dir denn
das rechte BSein länger als das linte). Sackbängel, Sackbändel.
Henbar ursprünglich Strumpfband, wie mhd. und noch jetzt in
Mundarten, so im Westerwald. Häzzbängel, Herzbändel. Redens-
irt: Jemand kracht de Hazzbängel (2 Jemaänd bracht der Herz-
ändel, er stirbt)