Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

Der Weihnachtsengel 
90 VDon Karl Engelhard. 
Sterne wandeln durch die blauen weihnachtlichen Himmelsweiten. 
Meine Träumeraugen schauen Bild um Bild aus Jugendzeiten. — 
Durch das Heimatdorf, das ferne, im verschwiegnen Werragrunde, 
Macht mit Spieß und mit Laterne jetzt der Wächter seine Kunde. 
Schnee liegt auf des Kirchleins Schiefer, auf den Kreuzen und den 
Steinen; 
UÜber einem Grab die Kiefer steht dort wie in stummem Weinen. 
Alles schläft .. im Schulhaus flimmert noch ein Licht, geht auf 
und nieder. 
Sieh, sein ruhlos Wandern schimmert in den Kirchenscheiben wieder. 
„Anjsre Glock' hat elf geschlagen —,“ langsam schleicht des Wächters 
Schemen. 
Könnt ich wie in Kindertagen einmal noch dies Lied vernehmen!. 
Aber, was so spät bedeutet noch im Haus des Lichtes Gleiten? 
Ach, in meinem Herzen läutet mirs von Jugendseligbeiten. 
Eingekuschelt in die Kisen lieg ich, glaubensfroher Knabe. 
Später, ach, um Weisheit. Wissen, wie ich da gelitten habe! 
Dor dem Bild das ich mir machte oft von ihm mit Glanz und 
Glimmer! 
zwar — der Mund, das Auge lachtel Doch ein Engel war es 
nimmer! 
Zein Gewand aus' Kosendüften, beine langen, goldnen Locken! 
Auch bein Lichtgurt um die Hüften, Diadem und Silbersocken! 
Sist du wach?“ ... Dann treug sie büssend mich ins helle Christ- 
baumzimmer ... 
Aber ich — nun war ich wissend; trüb war mir der Weihnachts- 
jchimmer! 
Denn nun war mir aufgegangen: Lang schon lebt' ich nur im 
Traume! 
Zwar die Mittnachtglocken klangen; manch Geschenk lag unterm 
Baume. 
Doch — die Mutter nur, o Jammer, war der Engel! Konnt' ich's 
fassen? 
Ach, ich mocht mich in der Kammer dann vor Schluchzen nicht 
mehr lassen! ... 
Jahre sind seitdem vergangen ... Jener Engel schloß die Lider; 
Der einst ohne Schmuck und Prangen auf mein Bett sich neigte 
nieder; 
Der mit süßem Wort mich küssend trug ins grüne Christbaum— 
gleißen ... 
Jene Nacht, da ward ich wissendl .. Jene Nacht, ich will sie 
preisen! 
Nur die Mutter! ... Ach, zerrissen war der schöne Sauberschleier. 
Doch mir ward ein Herzenswissen, eine ktiefre Traumesfeier! 
Vie gar schwer ist's, ew'ge Wahrheit aus dem Irdischen zu lesen! 
Dunble Stunden bringen Klarheit... Engel ist sie doch gewesen! 
Seh'n erst müssen wir durch Schmerzen — und auch Träume müssen 
werden! 
zchauet bis ins Herz im Herzen! Wahrlich, Engel gibts auf 
Erden! 
Aus alter Seit. 
Was wissen wir von dem chaͤttischen 
WMattium? 
VOon G. Eisentraut. 
Eiin schier undurchdringliches Dunbel liegt über den Grtlichkeiten, 
die mit den ersten großen Ereignissen aus der Geschichte der 
Germanen verbunden sind. Noch immer wissen wir nicht, wo 
die Darus-Schlacht stattgefunden hat, noch bonnte nicht mit Sicher- 
heit festgestellt werden, wo die römische Festung Aliso, der Haupt- 
stützpunkt der Kömer rechts des Niederrheins, lag, und ebenso hat 
nan bisher vergeblich geforscht, den im Jahre 15 n. Chr. durch 
Sermanicus zerstörten Hauptori der Chatten. das alte Mattium, 
aufzufinden. 
Waährend uns mehrereée römische und griechische Geschichts— 
schreiber über die Schlacht im Teutoburger Walde und über das 
õmische Kastell Alijo an der Lippe Aufzeichnungen hinterlassen 
zaben. ist es nur ein Einziger, durch den wir eiwas über den 
Feldzug des Germanicus gegen die Chatten und über die hierbei 
erfolgte Serstörung Mattiums erfahren. Kein anderer Geschichts- 
schreiber als Tacifus nennt den Namen dieses verjchollenen Ortes. 
Vir bonnen deshalb auch nicht feststellen, ob Tacitus den Namen 
Mattium erichtig wiedergegeben hat und ob durch die Abschreiber 
seiner Werke uns der Name richtiq überliefert worden ist. 
Tacitus, der in den letzten Jahrzehnten des 1. Jahrhunderts 
a. Chr. als Historiker tätig gewesen zu sein scheint, gehörte wegen 
seines Stiles nicht zu den Schriftstellern, die in den Klöstern viel 
abgeschrieben wurden. Im Mittelalter drohte er deshalb gänzlich 
der Vergessenheit anheim zu fallen. Den Feldzug des Germanicus 
gegen die Chatten hat uns Tacitus im 1. Buche seiner Annalen 
Leise heb' ich mich und lausche nach der Kammertür hinüber: 
Ist es nicht, als ob es rausche hinter ihr geheim vorrüber? 
Durch das Schlüsselloch fällt golden jetzt ein Streif auf meine Decke —: 
Eines Engels, eines holden, Widerstrahl? — Wie ich erschrecke; 
Seltsam-süb.... Auf meinen Händen laß ich jetzt das Glimmen 
spielen: 
O, was wird er mir wohl spenden? Neulich sah ich auf den Dielen 
Schon ein Goldhaar von ihm blinken: „Ja, er ist schon dagewesjen!“ 
Und mit ahndevollem Winken hab' ich es mir aufgelesen. 
In mein Griffelbästlein schloß ich es mir ein mit Frohgenügen —: 
Nie im Leben mehr genoß ich Vorglück mit so tiefen Sügen! ...
	        
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