Full text: Heimatschollen 1921-1925 (1. Jahrgang - 5. Jahrgang, 1921-1925)

zu Hause fand. In Mahes Familie freilich ist das Weberhandwerkb 
his auf den heutigen Tag in Ehren gehalten worden. 
VDon dem reichen Stoff, den daͤs Keijsebuch enthält, ist nur 
Weniges hier herausgegriffen. Was Mahr von den Bauwerken 
und den Denkmälern der Städte erzählt, das Lann man ja heute 
in den Keijeführern lesen. Für jein Wesen freilich ist das alles 
sehr bezeichnend, beweijt es doch, ein wie offenes Auge und welch 
wache Anteilnahme dieses Kind des Volbes an allem Schönen 
hatte, ein entwickeltes Interesje, das manchen Gebildeten beschämen 
muß. Höchst erfreulich ist es auch, daß das Buch so wohlbehalten 
Auf Heim 
Die Heimat. 
Sum Teuersten und Liebsten, das wir auf Erden besitzen, gehört 
insere liebe Heimat. Wenn wir nach langen, langen Jahren zur 
Heimat zurückbehren, all die alten trauted Gesichter wiedersehen, 
die Heimatglocken blingen hören, die heimischen Berge und Täler 
und die Statten unserer Kindheit wieder jchauen, dann treten uns 
die Tränen in die Augen. Ein Dichter hat einmal schön und 
sinnig gesagt, daß in dem Namen Heimat sich alle guten Engel 
umarmen. Für das liebe Heim sind unsere Väter und Söhne 
hinausgezogen in den blutigen Kampf. Ihre schmerzzuckenden 
Lippen haben diesen lieben Namen noch zuletzt beim Abschiede 
ausgesprochen, ihr brechender Slick vielleicht in der Todesstunde 
nach ihr ausgeschaut. 
Singen und sagen nicht auch die Lieder aller Sprachen von 
der Heimat, der süßen Heimat! Der einsame Wanderer, der sich 
vergeblich nach ihr sehnt, der Alpler, der vom wilden Heimweh 
erfaßt, alle seine Pflichten vergißt und nach Haufse stürmt, sie alle, 
alle sind uns durch das Lied bekannte Gestalten und Heimatsucher. 
Dich, liebe Heimat, erschauten wir in den perschiedensten Tages- 
und Jahreszeiten. Des Worgens, wenn im Frührotjchein der Tau 
auf den Wiesen perlte, des Abends, wenn beim majestätijchen 
Niedersteigen des Tagesgestirns die Dämmerung mählig durchs 
Land zog, die Glocken gingen und all jene unnennbaren Gefühle 
und dunklen Rätselfragen in der Menschenbrust aufstiegen. Im 
Frühling, wenn sich die Lerche über Saatengrün zum lichtblauen 
Himmel aufschwang, im Herbst, wenn die jchwielige Hand des 
Landmannes die letzten Früchte einsammelte. Immer und immer 
wieder erscheinst du uns herrlich und schön. 
Aber dich, du liebe Heimatscholie, eilt unser flüchtiger Fuß. 
Uber dich sind unsere Vorfahren mit ehrenfestein Schritte danee 
uf den Enbel gebommen ijt. Dielleicht hat das Mitgeteilte hier 
ind da Gefallen gefunden, dann möchte ich um z3weierlei bitien: 
inmal, alle alten Schriften, und wenn sie auch nicht so interessant 
rscheinen, wenn es nur trockene Geschäftsabten sind, sorgfältig zu 
erwahren. Sie Lönnen späteren Geschlechtern noch einmal jehr 
vpertvoll werden — und dann, auch unsere Seit wird bald Ber— 
langenheit sein; es gilt auch so viel wie möglich unsere eigenen 
eiden und Freuden schriftlich niederzulegen. Unsere Kinder werden 
s uns danben, wie wir Johann Adam Mahr jfũr sein Reijebuch 
ankbar sind. Ernst Paulus, Breitenbach am Hersxberge. 
atwegen. 
egangen. Aber dich werden noch viele Geschlechter nach uns dahin 
ilen. Du wiest uns einst nach des Lebeus Mäühe und Anraͤst, 
venn uns das letzte große Heimweh heimtoäris zieht, in deinen 
reuen Mutterschoß aufnehmen und decken, wie eine siebende Mutfee 
im Abend ihr Kind zur Ruhe bettet. Aug. Knoch. Kirchhein. 
VDom Vogelsberq. 
Su Beginn des Herbstes ist auch für den Kanarienvogelzüchter 
ie Seit der Ernte gekommen. Die Zucht dieser Singvögel bietet 
m Vogelsberg wie in anderen Gebirgsgegenden, 3. B. im Harz, 
ielen, durch ihren Beruf ans Haus gefesselten Leuten, besonders 
dandwerbern, eine willkommene Nebeneinnahme. Jetzt werden 
iele der in diesem Sommer gezüchteten Junghaähne an herum— 
eisende Vogelhändler verbauft, die begabteren Sänger werden 
agegen noch weiter durch erstblassige Vorsänger in ihren musibalischen 
eistungen vervollkommnet, um gegen die Weihnachtszeit zu höheren 
)reisen abgesetzt zu werden. Da diese Vögel dann nicht selten 
iehrere hundert Marb einbringen, kommt der ZSüchter trotz der 
zit dem Kreieg sehr gestiegenen Ausgaben für Futter und dergl. 
ut auf seine Rechnung. Neben Kanqarien wird diel mit Gimpeln 
der Blutfinken gehandelt, die man jung dem Nest entnimmt und 
ie zu Hause durch Vorpfeifen im Vortragen einfacher Melodien 
usbildet. Früher, als wir noch nicht die strengen Vogelschutzgeseße 
atten, waren Vogelfang und Aiebhaberei noch verbreiteter. Jeßt 
eschrãnben sich die „Dogelhannese“ auf den gesetzlich noch erlaubten 
herbstfang einzelner Hänflinge, Stieglitze und Rotbehlchen. Besonders 
n den bescheidenen Stuben alter Handwerker findet man in hessischen 
Hörfern noch öfters solche gefiederten Hausgenossen, während die 
Jugend das Verständnis für die Natur leider mehr und mehr dem 
hasten nach „Dergnũgungen“ geopfert hat. — 
Dom Pulsschlag der Heimat. 
Der Grenzbegang. 
Alljährlich im Monat Obktober, wenn der Herbst die Blätter der 
Säume in Wald und Feld zu färben beginnt, findet in Neustadt der 
jeit vielen Jahron behördlich angeordnete Grenzbegang gegen die 
angrenzenden Gemeinden des früheren Großherzogtums Hessen, 
jetzt Volbsstaat Hessen, statt. Die Gemarkbung Reustadt grenzi 
ockanntlich im Suͤdosten an die hessischen Gemeinden Bernsburg, 
Wahlen und Gleimenhain. Sur Erhaltung der gegenjseitigen Hoheits 
grenzen des Peeußischen und des früheren Großherzoglich· Hessischen 
Staates ist dieser Grenzʒzbegang vereinbart und sowohl das Landrats- 
amt Kirchhain preußischerseils, als auch das Kreisamt Alsfeld 
hessischerjeits haben die Ausführung dieser Vereinbarung zu über— 
wachen. An einem, von den Ortsborständen der hier in Betracht 
bommenden vier Gemeinden zu bestimmenden Tage versammeln 
sich der Bürgermeister oder dessen Vertreter und der Stadtförster 
von Neustadt mit dem Bürgermeister und den Feldgeschworenen 
von Bernsburg an dem äußersten Grenzpunbte, „den Dreiherren⸗ 
steinen“, deshalb so genannt, weil hier die drei Grenzsteine der 
Gemarkungen Bernsburg)), Neustadt?) und Willingshausen?) direbt 
nebeneinander stehen. Von hier aus beginnt nun der Begang durch 
Wald und Feld bis zur nächsten Grenze der Gemeinden Wahlen 
und Gleimenhain, deren Orisvorstände und Feldgeschworenen sich 
gleichfalls an ihren Gemarbungsgrenzen einfinden. Hierbei wird 
nun festgestellt, ob die Landesgrenzen deutlich sichtbar, nicht durch 
Säume verwachsen, Grenzsteine vorhanden ünd unbeschädigt sind. 
Letztere sind mächtige Quarzitsteine und mit fortlaufenden Nummern 
bersehen. Diese führen auf der preußischen Seite die Inschrift K. P. 
Köonigreich Preußen) und teilweise das Mainzer Rad, wegen der 
frũheren Sugehsrigkeit Neustadts ʒum Kurfürstentum Mainz bis 
i Kurmainz. — N Hessen-Cassel — 5) Hessen-Darmstadt 
um Jahre 1802. Auf der hessischen Seite stehen die Buchstaben 
5. H. (Großherzogtum Hessen). Die Erneuerung schadhafter oder 
ie Wiederaufrichtung umgefallener Steine erfolgt im Einverständnis 
eider Staaten durch einen zu bestimmenden Geomelter j. Klasse, 
der in Gegenwart der Vertreter der beteiligten Grenzgemeinden 
iese Steine, die gleichzeitig GemarbungsKreis und Staats- 
renzzeichen bilden, aufrichtet. Die hierdurch entstehenden Kosten, 
ils auch die durch den älljährlich vorzunehmenden Grenzbegang, 
verden von Preußen und Hessen gemeinschaftlich getragen. Auch 
n andern Gemeinden z. B. in der Stadt Wetler finden ähnliche 
ßrenzbegänge gegen die verschiedenen Gemarbungen statt, womit 
estliche Veranstaldungen und uͤralte Gebräuche verbunden sind. 
Neustadt Joh. Keppler. Sparbassen-Kendant. 
Schnurrpfeifereien. 
Fein herausgeredet. 
Der berühmte Arzt W. in Wiesbaden war gebürtig aus dem 
leinen Dorfe K. im Kreise Homberg. Als Stdent unternahm 
x eine Wanderung nach C. Bei dem Dorfe S. ging er zur 
Abbürzung des Weges durch ein Wiesental, das sich an dem 
flüßchen KRinne entlang hinzieht. In S. wohnte ein alter Flur— 
chütz, der sehr wortkarg war. Kichtschnur seines Lebens schien 
hm das Bibelwort zu sein: Der Mensch muß Rechenschaft geben 
on jedem unnützen Wort, das er geredet hat. Seines Amtes 
valtete er pflichtgemäß und gewissenhaft. So ertappte er denn 
uch Herrn W. auf dem verbotenen Weg und redete ihn an: 
Wessen Sä dann ned, daß Sä derren Wek ned gen derfen.“ 
derr W. entgegnete: „Das ijst aber jehr, jschön von Ihnen, daß 
Sie mich hierüber belehren, dafür bin ich Ihnen jehr dankbar.“ 
Ech wäll wessen. wie Sä hesen.“ fuhr dee Wächtee des Goesektes
	        
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