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Stuͤck 35.
Gemeinnuͤtzige Sachen.
171
angeht; bei welchem die allermoͤglichste Bekanntmachung von keinem alleinigen und groͤßerm Nutzen
seyn kan; und der bei so vieler Kuͤrze und Deutlichkeit dennoch alles zusammenfasst, auch durch diese
Blaͤtter Stuͤckweise, so wie es der Raum verstattet, bekannt gemacht zu werden.
Herr Hufeland faͤngt seinen Aufsatz folgendermassen an?: .3..
Einer unserer besten Naturforscher, Sontana, beschaͤftigte sich lange mit Versuchen uͤber die Reiz⸗
barkeit und die Dauer der Lebenskraft. Er trocknete in dieser Absicht einen Haarwurm beim Feuer
zanz ein und nach einer halben Stunde wurde er doch im Wasser wieder lebendig. Ein Kaͤderthier,
eine Art von Polypen, die im Wasser lebt, legte er drittehalb Jahr lang in die duͤrre Erde, ließ es
den Sommer hindurch von den heissesten Sonnenstrahlen ausbrennen, und nun goß er wieder Wasser
daruͤber; es dauerte nur zwei Stunden, so bekam es Leben und Bewegung wieder, wovon es dritte⸗
halb Jahre lang nicht das geringste Zeichen gegeben hatte. Ein anderes wurde auf einer Glasscheibe
einen ganzen Sommer hindurch der Sonnenhitze ausgesetzt; es trocknete so zusammen, daß man es fuͤr
nichts anders als einen Tropfen duͤrren Leim halten konie. Nun troͤpfelte man etwas Wasser darauf,
und siehe, der Leim fing wieder an zu leben und sich zu bewegen.
Wer kan diese merkwuͤrdigen Versuche lesen, ohne zu erstaunen, ohne von dem Gedaͤnken er⸗
schuͤttert zu werden, “ein todtes qusgetrocknetes Geschoͤpf kan Jahre lang den Funken des. Lebens
unsichtbar in sich tragen!“ Aus seinem Element gerissen, zur Mumie gebrannt, ohne Nahrung, ja
ja dem Anscheine nach, ohne alle Lebensorgane, bleibt ihm diese unbegreifliche Kraft treu. Nur ein
schickliches Erweckungsmittel, die bloße Beruͤhrung des gewoͤhnlichen Elements, so wird die schlafende
Kraft wieder rege, die verschrumpften Organe sind wieder frei und beweglich, nnd der todte Leim ist
wieder lebendiges Thier.
. Es scheint also die Grenzlinie zwischen Tod und Leben bei weitem nicht so bestimmt und ent⸗
schieden zu seyn, als man gewoͤhnlich glaubt, und nach den gewoͤhnlichen Begriffen von Tod und Le—⸗
ben erwarten koͤnte. Es existirt ein Zustand, der auf keine Weise Leben, aber eben so wenig Tod
genannt werden kan; ein Zustand, in welchem nicht nur unsere Sinne nicht die mindeste Spur von
deben entdecken koͤnnen, sondern in welchem die Lebenskraft wirklich nicht lebt, und ohne Wirksam⸗
keit, ohne Einfluß auf den mit ihr verbundenen Koͤrper ist. — Es ist bekannt, daß das sinnliche Bild
des Lebens, oder auch vielleicht sein Urstoff, das Feuer, in einem freien, aber auch in gebundenem Zu⸗
tand existiren kan; das Holz, das wir jetzt kalt und todt in die Hand nehmen, kan durch den kleinsten
Innken in Hitze und Flammen gesetzt werden. Man kan diese wieder loͤschen, das heißt, den Feuer⸗
doff wieder in den vorigen Zustand von Unwirksamkeit versetzen, und die Kohle wird nun dieses un⸗
ichtbar gebundene Feuer, diese Faͤhigkeit wieder zu entbrentngen, viele Jahre lang behalten, bis die
Zeit ihre Bestandtheile aufloͤset. Eben so scheint es mit dem Leben zu seyn. Die Lebensflanime, das
heißt, sein freier wirksamer Zustand, kan fehlen, und doch der Lebensstoff noch in reichem Maaße
horraͤthig seyn, immer bereit, wieder flammend und wirksaim zu werden, wenn das Bindungsmittel
geloͤset, oder die schlafende Kraft auf solche Art erweckt wird, daß sie selbst jenen Widerstand uͤber⸗
waͤltigt und sich frei macht. Jedes Ei, jedes Saamenkorn ist Beweis hiervon. Es enthaͤlt schon
die ganze Lebenskraft eines kuͤnftigen Wesens; aber noch schlaͤft sie, noch ist sie gebunden: man gebe
F Waͤrme und Feuchtigkeit, und sie wird erwachen, und uns auch sinnlich von ihrem Daseyn
aͤberzeugen.
Diese merkwuͤrdige Eigenschaft der Lebenskraft ist so allgemein, daß wir durch die ganze
lebende Natur ihre Spuren entdecken. Es scheint kein lebendiges Wesen zu existiren, was nicht in
diesen Mittelzustand zwischen Leben und Tod gerathen koͤnnte; ja es giebt viele, die nach einer vest⸗
gesetzten Ordnung zuweilen in denselben gerathen muͤssen. So stirbt ein großer Theil der Pflanzen⸗
welt mit Eintrit des Winters, um im Fruͤhling wieder zu erwachen. So bringen Baͤren, Schwal⸗
ben,. Ratzen und andere Thiere den kaͤltesten Theil des Jahrs in diesem todaͤhnlichen Schlaf zu, und
die wiedetkehrende Waͤrme macht die so lange gebundene Lebenskraft wieder frei. So besitzen eine
Menge Wassergeschoͤpfe und Sumpfbewohner, deren Cxistenz hoͤchst precair ist, das Vermoͤgen, mit
hren Wohnungen zu vertrocknen, und dennoch A eoxborgenes Leben Monate und Jahre lang uhe
3 alten
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