Full text: Die Neugeburt des Abendlandes

stört. Auch originale Schriftzeugnisse der westländischen Druiden, 
die in Wales den Hauptsitz ihrer Barden hatten, scheinen vernich- 
tet worden zu sein. Doch als spätere Niederschriften jahrtausende 
alter, sorgfältig vererbter, mündlicher Urtraditionen erloschen 
diese keineswegs mit ihnen, sondern bildeten weiter den Wissens- 
schatz geheimer Bruderschaften und den lange blühenden Grund 
heilig gehaltener Volkssitten. Als solche gingen sie in mancherlei 
Formen der Anpassung auch in die Glaubensüberlieferungen der 
mittelalterlichen Kirche über und bilden bis heute den Kern ihrer 
kultischen Einrichtungen auch im christlichen Gewand. 
Vom östlichen Tibet bis zum westlichen Rom finden wir diese 
Zeugnisse gemeinsamen Kerngehaltes religiöser Kulte aus dem ur- 
sprünglichen Einheitsgeiste unserer Weltkultur. Namentlich aber 
waren sie der verborgene Quell des Glanzes aller ritterlichen 
Ordensgründungen des Mittelalters gewesen. Der darin wesent- 
liche Geist enger Verknüpfung von Mönchs- und Rittertum war 
das später freilich immer mehr entartende Erbe urkultischer 
Sitten und Lehrpraxis gewesen. Er gehörte zu den Prüfungsstufen 
des Einweihungsweges, auf dem die Erwählten zum Dienste hoch- 
priesterlicher Weltregentschaft sich geistig und sittlich bewähren 
mußten, ehe sich ihnen letzte Tore des urmütterlichen Waltens 
und Wissens erschlossen. Kämpfe ohne Unterlaß und Lohn gegen 
jebensfeindliche Elemente der Außenwelt als Ritter, und als 
Mönch ‚gegen die eignen Mängel noch unvollendeter sittlicher 
Selbstreife — ein Tatenweg voll Entbehrungen und Ertragens oft 
unverschuldeter Schande — war der schmale Pfad zum hohen 
Heilsgewinn. Wir finden noch Anklänge daran in den Ordens- 
prüfungen der Tempelherrn. Der Lohn hoher, reiner Frauen- 
minne, der am Ende des Weges des bewährten Siegers harrte, 
gehörte zum überlegenen Artwissen der urpriesterlichen Welt- 
mütter und seinen Zuchtprinzipien. So erblühten die machtvollen 
Heldengeschlechter der Vorzeit, verkörpert in königlichen Män- 
nern und Frauen aus starkem Volksgrund. 
Heute, da auch der letzte Schimmer dieses Geistes erloschen 
scheint im Haßdunkel der Völkerrivalität und im Rauch der In- 
dustrie-Essen, heute, da die alte Sprache heiliger Bücher uns 
übersättigt findet von den Auslegungen platter Schulmethoden,
	        
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