Full text: Die Neugeburt des Abendlandes

Stachel eigennütziger Habsucht und niederen Begehrens. Doch 
schon ringt die experimentelle Lichtforschung heutiger Wissen- 
schaft um erneute Meisterung des Ultrastrahls. Sein radioaktiver 
Genesungsatem streift schon wieder Leib und Seele des Menschen- 
geschlechtes, wenn auch noch fern der vollen Beherrschung von 
einst. Dem Geiste der Bewährung in Not und Tod aber trägt er 
schon manche Welle seherischer Weltinspirationen zu, voll kos- 
mischen Urerkennens aus ewigen Gottgründen. 
Lange hatte dem Leibe der Menschheit das Haupt gefehlt — 
das sinnreich in altem Sagenspuk angedeutete Geistfaktum. Mit 
dem Siren waren Arme und Hände des Rumpfes — Armeen und 
Händler — weltgebietend geworden, nachdem das Haupt gefallen. 
Doch heute rüstete sich der Füßler zum entscheidenden Schritt 
über den Abgrund der alten Gegenteiligkeiten im Völkerchaos. 
Drüben, jenseits seiner Todesschrecken, richtet das Haupt des 
ewigen Menschentums sich wieder auf, sein Reich der Weltgerech- 
tigkeit neu zu begründen, erfüllt vom urmütterlichen Liebesatem 
helfender Güte und Gegenseitigkeit. Die Domina der feenidischen 
Minenwelt — die hohe Fe-mina mit ihrem der Dame weit über- 
legenen seherisch-hermanischen Frauentum — steigt aus den 
Trümmern ihres Felsengrabes wieder empor, voll priesterlicher 
Würde und verschwiegener Hoheit. Der ewigen Lichtgeburt in 
Leben und Menschheit galt allzeit jedes Liebesopfer der urmütter- 
lich-gotthaften Frauengeistnatur. So ist es der meist noch viel zu 
wenig beachtete Kulturgedanke ältester Traditionsliteratur. Die 
Sultanin, Scheherasade, ist es auch im Orientmärchen, deren geist- 
gewaltige Erzählerkunst die rächende Mordsucht des Gatten an 
ihrem Geschlecht zu bändigen und zu neuen Höhen sittlicher 
Menschlichkeit zu heben weiß. So ist es die „Kulturtat der Frau“ 
als Führerin zum reinen Menschentum durch Liebe und Idee aus 
den Verblendungen verbrecherischer Leidenschaften und begeh- 
render Selbstsucht, wie auch die Bibel sie mannigfach spiegelt 
(David und Abigail).*) Mit dem neuen Wissen von den wunder- 
wirkenden Überpotenzen der Radioaktivität in den Welt- und 
*) Aus „Die Kulturtat der Frau‘ von Fanny Künstler. Universitätsverlag 
von Braumüller, Wien.
	        
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