Full text: Die Neugeburt des Abendlandes

Die reinen Sitten der Urzeit, auch im Liebesleben der Profan- 
welt, hatten ihr Vorbild im -Leben und Wandel der geweihten 
Führerschaften. Bis die Sinnenentartungen des Südens die zarte 
Inbrunstliebe der Zwillingsbündnisse trübte im römischen Welt- 
zerfall und zum klaffenden Zwiespalt führten zwischen späterer 
Klosteraskese und Lebensnatur. Damit erlosch auch die dem Pro- 
fanleben zuträgliche Macht des veredelnden Vorbildes. Jesus war 
hier der Letzte gewesen, der uns im geschwisterlichen Kreise 
geistiger Wahlverwandtschaft erscheint, voll inbrünstiger Neigung 
zu Maria, der geistlebenden Schwester der Martha, wie auch zu 
Johannes, dem Nahesten aus Jüngerkreis. 
Die tiefsinnigen Liebesspiele und hohen Lichtfeste der Weih- 
genossen hatten ursprünglich auch den kultischen Feiersitten der 
Außenwelt ihren Abglanz geliehen. Neben mancherlei Lokalfesten 
zur Feier des periodischen Jahresverlaufs von der Aussaat bis 
zur Ernte, fanden auch große Jahresfeste statt mit ihren Zu- 
sammenkünften zahlreicher Volksmassen von weither zum Aus- 
tausch von Gütern und sonstigen Lebenswerten, verbunden mit 
kultischen Festfreuden. Außerdem brachte eine Hauptfeier, in 
bestimmten Jahren nur üblich, Gelegenheit zu noch reicheren 
Völkerzusammenkünften. Sie galt, ähnlich unserem Schaltjahr, 
dem kalendarischen Ausgleich zwischen Mond- und Sonnenjahr. 
Seine Berechnungen gingen von jenen Pagoden aus, die in ihrer 
eigentümlichen, in allen Ländern erkennbaren Bauart, den großen 
Mathematikern der damals hochentwickelten Allforschung und 
Gestirnskunde diente; gleich den nach dem Polarstern nordwärts 
orientierten ägyptischen Tempelbauten. Uralte Kalendersteine in 
Peru, dem ältesten Goldland und Paradies der Peri gefunden, wie 
auch noch anderswo, legen Zeugnis dafür ab. 
XIX. 
Das Weltfest des großen Sonnenjahres (am 2. Mai) wurde des 
leichteren Seeweges halber auf dem davon bekanntesten Kult- 
boden Britanniens gefeiert. Ein Netz weltumfassenden Boten- 
dienstes ging allzeit von hier auch aus, von der Völkerschiffahrt 
wie glänzender Pferdezucht begünstigt. Der Reiterbote hatte von
	        
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