Full text: Die Neugeburt des Abendlandes

kunde her. Alte Tugendgröße der Lateinwelt leitet sich auf das 
sagenhafte Volk der Sabiner zurück. Überall, wo wir der Ursilbe 
Sa begegnen, bekundet sie hermanische Samenträger, die Brin- 
ger hoher Kultursaaten im Volksgrund. Der Name der’ Sabiner 
weist zugleich auch noch auf das königspriesterliche Hoheits- 
zeichen der Geheimwelt, die Biene, hin. Die Sage vom „Raub der 
Sabinerinnen‘“ zeigt sich uns jetzt im Licht einer urzeitlichen 
Kultursitte, oder vielmehr Unsitte späterer Übergangsepochen, die 
den Frauenraub begünstigte. Es betraf zweifelsohne nur die auf 
anderem Wege unerreichbaren Hochpriesterinnen der Geheim- 
kreise. Sie waren wohl geeignet, die Mütter von Heldengeschlech- 
tern voll erlesener Tugend zu werden, wenn der Raub gelang und 
zuletzt im freiwilligen Liebesopfer endete. Denn kein Räuber 
hätte es gewagt, die göttlichen Jungfrauen unter unwürdigem 
Zwang sich zu gewinnen und keine hätte sich einem Räuber von 
niederer Menschenart vermählt. Nur heldische Jünglinge durften 
„Raub“ in diesem Sinne planen zur Durchbrechung strenger Kult- 
gesetze, ohne des Todes gewiß zu sein. Auch die strenge indische 
Kastenordnung, die den Töchtern der ersten Brahminenkaste ur- 
sprünglich noch die Ehe mit Königen als unebenbürtig verbot, 
hatte ihren Grund in den subtilen Dingen des Geheimnisses der 
Radiomagie, die vor jedem Schimmer des Verrates an nicht brah- 
minisches Halbwissen bewahrt sein mußten. Das orientalische 
Märchen ist erfüllt von Sklavinnen, deren Schönheit, Weis- 
heit und Güte sie zum köstlichsten Haremsbesitz der Großen 
machte. Oft verrät sich noch deutlich ihre geheimweltliche Her- 
kunft, was uns heute zu dem Schlusse führen kann, daß sie aus 
dem Kreise der feenidischen Kultpriesterinnen stammten, ihm 
durch Raub entführt. Oder zuweilen wohl auch nach freier, wis- 
sender Selbstbestimmung auf dem unverräterischen Wege des 
Sklavenkaufes in weltliche Machtkreise getreten. 
Die Zeiten lockerten diese Strenge, namentlich im Abend- 
lande, seit ihr Grund, das Radiomysterium, hier in sich erlosch. 
Indien bewahrt heute noch manche seiner Urtiefen und Übungs- 
methoden, darum auch untrennbar von den Resten der alten 
Kastenordnungen. Bei uns verfielen sie, ihres eigentlichen Sinnes 
beraubt, der zunehmenden Auflösung oder Entartung in leeren
	        
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