Full text: Briefe einer Frau an Walther Rathenau

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räumlichen Sebensprozeß hinaus erheben wir uns durd) die Summe unferes 
Wefensgehaltes ing Zeitlos-Emwige, Diefer Summe entfprechend {ft unfer 
Anteil an der Seligfeitswelt der Unfterblidhen. Durdy fie tommen wir zur 
Hreiheit der metaphyfifchen SGeiftwelten, die durd) uns, über das Bereich des 
moralijdhen Handelns, in Zukunft als foziale und politifhe Freiheit der Erde 
gefhentt werden {oll. 
Doch diefes ung nun gemwiefene, gewaltige Entwidlungsziel wird nur auf 
dem Wege der neuen Kraftdifziplin erreichbar fein. Als Träger der Kräfte, 
die in ftetig zunehmender Schwingungspotenz unfer Wefjen bilden und er: 
Höhen, müffen wir ung der Notwendigkeit diefer unendlidhen Steigerung und 
der fie begünftigenden Mittel bewußt werden. 
Aus ihrer Unkenntnis famen die feitherigen Hemmungen durch falfihe Bil. 
dung und Erziehung, famen die bald erreichten OÖrenzen unferer Werdemög- 
Lichfeiten. 
Seitherige Bildungsmethoden führten fajt fyftematifch zur Unluft. Statt 
unfjere freien Wefenstriebe zu entfeffeln, die das geiftig-Zuftändlihe zum Ziel 
unferes Werdens und Wachfens machen, weckten fie frühe Wünfche nad) dem 
Segenftändlidhen und glaubten damit pofitive Wirklichkeitsmenfhen zu ers 
ziehen, Man z0g zügellofe Begierden groß, indem man den Sinn auf das 
Habenwollen Kenkte, ftatt auf dag Seinwollen und das Guthaben als Ziel 
tem Öutfein weit voranftellte, Die Lebensführung der Meiften find Ber 
weife diefer Srziehungsfehler, 
Der Iugend gab man feine ewigen Horizonte. Die Ismen der Flachheit : 
Naturalismus, Senfualigmus, Materialismus, Pofitivismus ufw. forgten 
dafür, daß die fubjektive Innerlichkeit in Wefenlofigkeit erftarrte, Die große 
Wahrheit und Wirklichkeit der Welt, die in Wefensfülle und hHöchfter felbft 
gewinnender Krafthingabe beruht, war lange Zeit verleugnet worden. Ve 
geiftlofer und ftofflicher, je wirkflider war diefer fenfualiftifihen Halbbildung 
vieler Intellektuellen das Leben erfchienen. Sie Iebhten emfig ven FKHeinen 
Horderungen des AUtäglihen und Semwshnlichen und kannten nur den ab: 
fkumpfenden Lebensgenuß deffen, was den Sinnen ftofflid genießbar erfchien. 
Heute begann eine neue Iugend zu erwmachen und diefer laftenden Atmofphäre 
der NMiederungen zu entfliehen, Die große Forderung des Tages rief fie zur 
Tat, Sie begann fig neue Rechenfchaft zu geben über fich felbit und das
	        
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