Full text: Briefe einer Frau an Walther Rathenau

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Auf den Wegen des Intelleftes wird nach wie vor der Mann, auf denen der 
Seele aber die Frau zu den Voranfhreitenden und Führenden gehören. Die 
Heutigen müflen es vorerft nur noch lernen, fichh der neuen Seelenführung 
anzuvertrauen. Sie müflen neue Begriffe und Borfielungen gewinnen von 
den fubftanziellen Erfcheinungswelten, die nicht weniger, fondern in erhöh- 
tem Srade wirklich find, als die fihtbaren Stoffgebilde, die nur {vo weit 
Wirklichkeit befigen, als fie Befeelung zeigen. Freilich gibt es heute noch 
befchränfte Stoffnaturen, denen ein toter Lehmklumpen in der Hand wirk- 
licher erfcheint, als die Mächte des Gefühle und SGedankens, für die fie blind 
find. Doch was gehen ung diefe Nachzligler einer fterbenden Zeit noch an? 
Diefe Toten mögen ihre Toten begraben. 
Die Kommenden aber follen Lebende fein, Lebende in einer Kraft und We, 
fensfülle, die wir ihnen bereiten wollen durch unfer neues Wifflen und Konz 
nen, Im Erfennen des Seelenelendes der lekten Periode und feiner Ur: 
fachen lag der erfte Schritt zur neuen Kulturftufe, zu der das fommende 
Weltalter ung heute emportreibt. Unfer Wefen und die ganze Kulturwelt 
erbebt in ungeheueren Werdefchauern, in den Schmerzen und Wonnen eines 
neuen Zufirom$ gewaltiger Schöpfungsfräfte, Wir erftarften zur Beherr- 
(hung neuer Schwungfphären durch unfere Sinne und Seele. 
Die Seele, ung immer mehr erfenntlich und vorftellbar als eine wefenhafte 
fubftanzielle Kraft, die in fih und aus fi felbft beftehend, den Stoff fichh ges 
ftaltet zum Organ der finnlihen Weltbeherrfhung, verlangt nun aber in 
erfter Linie neue Methoden der Pflege und Entfaltung. 
Daß fie für ihre Neußerungen in der Sinnenwelt der Körperlihen Organe be: 
darf, hat den Wahn der materialiftifdhen Intellektuellen begründet, als {ei 
fie das Produkt diefer Organe, an diefe gefeffelt und mit ihnen der Aufld- 
jung verfallen. Dody die Experimente der Hypnofe beweifen, daß fie auch 
ohne fie Wirkungen und Leiftungen vollbringt, für die es feine Schranken in 
Raum und Zeit mehr zu geben fcheint. Die Phänomene der telepathifchen 
Sernwirkung, des Hellfehens und dergleichen mehr haben die Seele erwiefen 
als eine Kraft, die erft von förperlidher Befchränkuıng frei, ihre eigentlidhe unz 
begrenzte Seiftnatur entfalten fann. Vom Körper abhängig ift nur das 
Maß ihrer Wirkfamkeit im Sinnenbereich. In der fteten Steigerung diefes 
Maßes und in unaufhörlicher Verfeinerung und Vergeiftiqung diefer Wirk
	        
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