Full text: Briefe einer Frau an Walther Rathenau

müfen, um der Seele auf den neuen Höhen ihrer Wahrheit und Wirklichkeit 
zu dienen. 
Die Fünftige religibfe Erziehung wird eine Synthefe aller zweddienlichen 
Vehrmeinungen der Vergangenheit fein über die Seele und ihre ewigen Welt 
zwede, wie irdifdjen Lebenszwede, fo wie fie von je {don der Einheitsfern 
aller Religionen gewefen. Auch die Sefjchichte ihrer feitherigen Entwiclung 
auf dem Wege der Konfeffionen wird zum wichtigften Beftande religisfer 
Unterweifung in Zufunft gehören dürfen, befreit von einfeitigem NRechtgläuz 
bigfeitswahn. 
Denn über allem wird ftehen die Tat der freiften und ftärfften Seelenentfal- 
tung aller Lebendigen, auf neuen, fihern Wegen, zum großen ECinheitsziel der 
individuell und fozial lebendigen Liebe, 
Neben Kunft und Ethik wird die Wiffenfchaft von nun an der religisfen 
Seelenlehre zum unerfchütterlichen Stüßpunft werden. Diefer Tatfache geht 
der religisfe Wandel und die wiffenfhaftliche Vollendung unferer Zeit ent 
gegen. Schon heute überfhritt die Wiffenfchaft auf dem Wege des Crperiz 
mentes und der fachlidjen Forfhung die Schwelle, die über ihre urfprünglic 
materialiftijdhe Tradition hinausführt und ihre Horizonte augdehnt vom 
rein ftofflichen Gebiet in der Richtung des unbegrenzt Seiftigen, wo das See 
lenerperiment fchon bemerkenswerte Horfchungsergebniffe zeitigte. Mag der 
orthodoxe Materialift fie audy aus gleich engem Dogmengeifte heraus noch 
zu leugnen verfuchen, wie fein Antipode der Ferikalen TIheologie die Ergeb- 
niffe einer neuen realen Welterfenntnis zuweilen nod) zu entfräften verfucht. 
Wir befinden ung doch im Bereich der Gefeße, die jeder Leugnung {potten und 
im Sichte der Forfhung den Kommenden auch ihre leßten Schleier und damit 
die Mätfel ihrer Herrfchaft über uns und das Steben [Sfen werden. 
Heute fchon ward uns durd) ihre Teilerkenntnis eine ungeahnte und uner- 
I Spflidhe Summe neuer Möglichkeiten des Seelenlebens gewiß. Neue Bor 
tellungen und feither latente VBewußtfeinsfähigkeiten erwacten durch fie 
in uns, worauf ja leßten Endes das Geheimnis aller Seiftentwiclung be 
suht. Sie entffammen aber nicht mehr, wie einft, fühnen Sypothefen über 
das Seelenleben aus fubjeftivem Crlebniswiffen, fondern fie ftüßen fich auf 
objektiv erfannte Tatfächlichfeiten, in denen die einftigen Sypothefen zum 
3rößten Zeil jet {hon ihre weitgehenden Deftätigungen finden,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.