Full text: Briefe einer Frau an Walther Rathenau

licher Wefensnatur erfirebt, bedingt damit den wechfelnden Voranfchritt zwi 
Ichen metaphyfifhem und phofifchem Denken, wie er auf allen Linien des 
geiftigen Werdens zu erkennen if. Den Phyfikern der griechifhen Philofophie 
jolgten die Metaphyfikfer, um mit einer tieferen Synthefe beider Richtungen, 
durch NRückehr des erften Clementes, den Abfchluß einer Hauptepoche einz 
zuleiten. 
Aus diefer Dritteilung ergibt fidh von felbft die innere Wechfelgeftaltung jeder 
Periode, wie wir fie {hon im Bilde der religiöfen Seiftentwiclung erfann- 
fen als: Ethif, Metaphyfik, Ethik und weiter: Metaphyfik, Ethik, Metaphy- 
if, Auf allen Geiftgebieten bietet fi das gleiche Wechfelbild der geiftigen 
STemente für den Plan der wirkenden Sefeglichteit, 
In diefem Bilde fommen wir auch dem großen Urgefeß nahe, demgemäß fich 
unfere menfchheitliche Sefamtentwiclung vollzieht in ihrem perivdifchen Aufs 
bau. Hier Sffnet fich ung der Ausblick ing Unendliche, woher wir Fommen. 
Yeberalt aber wirft das eine Gefeß, nur mit unterfchiedlihen Größenver- 
Hältniffen. 
Wie jedes Einzelleben fic aufbaut aus Kindheit, finnliher Reife und geifti- 
3er Vollendung, fo vollzieht {ic aud) alle Völferentwiclung und leßten Endes 
das Gefamtwerden der Menfchheit. Unfere hiftorifdhe Erinnerung reicht nur 
6i8 zum Eintritt der Kulturvölfer in das Zeitalter finnlidher Reife. Von der 
men{d)heitlidhen KXindheitgentwiclung wiffen wir nichtg auf dem intelleftuel- 
fen Ueberlieferungswege, doch aus der Symbolik der Mythen dringt noch 
manches fhmwache Licht darüber big zu uns, 
Alle Kindheit fteht unter den divinatorifhen Mächten intuitiver Urgeiftigfeit. 
Ihnen entfeimt das Urwiffen der Seele und die Wonnen der phantafiereichen 
Srlebnisfraft, die ung aus dem Mythos vom goldenen Paradiefeszeitalter 
grüßen und in allen perfönlichen Kindheitserinnerungen fo befeligend leben: 
dig bleiben durdy das ganze Menfchenleben hindurch. 
Mus Findheitlihen Urperioden fchimmert aud) nod) die leßte Spur einer ur 
‘prünglichen, mütterlichen NRechtsverfaffung und einer im wefentlidhen fi unz 
ter weibliden Divinationsmächten geftaltenden tebensordnung herüber. Die- 
e® Matriarchat wurde in der zweiten Cpoche des intelleftuellen Reifens vom 
Patriarchat verdrängt, das als Grund neuer Rechtsverfafung den Seift der 
begehrenden Leidenfchaften und des Güter {chaffenden Intellektes verrät. Die
	        
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