Full text: Briefe einer Frau an Walther Rathenau

und das Seben felbft bietet diefem Grundgedanken überall volle Wahrheits: 
beweife, fobald wir den Einblick der Seele gewonnen haben. 
Die abfteigende Eroslinie der Urfeele, wie wir fie feither kennen lernten, zeigte 
fi) als der Zufirom aller Liebesz und {HSpferifhen Zeugungsträfte, deren 
Hauptträgerin das Wefen der Weibnatur. Sie endet, von ewtigem Urquell 
auggehend, im innern Schaffen der Matur, dag im Schoße der Mütterlichkeit 
jeinen Brennpunkt hat und von hier aus das Seelenwalten unferer menfchs 
lien Innerlichkeit wirkt, mit all feinen Keimen der fittligen Wefengent: 
faltung. 
MI$ Hauptiräger der auffteigenden Logoslinie zeigte fidy ung die Matur des 
Mannes mit ihren vorherrfchenden Kräften des Intellekte®s und der Leiden- 
[Oaften, die in der Stüße der Moral lenkenden Erfaß gewinnen für die ver: 
(oren gegangene Urfprünglichfeit divinatorifher Inftinktficherheit, 
Beide Kinien aber ftireben im Verlaufe des Menfchheitswerdens zu immer 
tieferem Ausgleich und abfoluter Durchdringung, fowohl in der Semeinfam- 
feit der Gefchlechter, als in der Einheit der menfhlihen Perfönlichkeit, Denn 
der Menfch empfängt feinen übergenerellen Wert und feine Freiheit von den 
Schranfen des Sattungsgemäßen durdy die Tatfache, daß Seele und Intellekt 
in unzähligen Abftufungen fich in ihm zum Wefen des Menfclidhen verbinden, 
MI$ gegebene Anfangsnorm kann das Verhältnis gelten, daß fich in der Weib: 
natur ein Drittel Logosfräfte zwei Dritteln der Eroskräfte verfhmelzen, wäh 
rend für die Natur des Mannes das umgekehrte Verhältnis als urfprünglich 
zu gelten hätte, 
Diefem, von unbegrenzten Mifhungsverhälniffen ftetig vartierten Schema 
ent{pricht aud) das Wefen der Völfer und NRaffen, das im Laufe unferer 
Menfcdhheitsentwidlung eben{o dem abfoluten Ausgleich von feelijchem Sdeal- 
zeifte und intelleftuellem Nealgeifte zufirebt, 
de weiter wir zurücfhauen zu den ung üÜberfichtlidy gewordenen Werve- 
zeiten des Menfhengefchlechtes, je untrüglicher offenbart fih uns diefe Urge- 
jeßlichfeit der geiftigen Entwidlungstatfache, 
Ohne ung hier auf das vorhiftorijhe Phänomen der Raffeentftehung näher 
einlaflen zu fönnen, da die darüber mitteilbaren Hypothefen für den Zwed 
diefer Niederfchriften bedeutungslos, wird fidy ung genug des Erfennbaren 
aus dem gefchichtlidhen Werdekreife ergeben.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.