Full text: Briefe einer Frau an Walther Rathenau

Den großen Wahrheitsbheweis für diefe Tatfache finden wir im hiftorijchen 
Sefchehen, wohin wir ung offnen Auges wenden und auch in unjeren Zagen 
(ebt er mitten unter uns, 
Smmer untrüglider wird es ung bewußt, daß die Welt der Objekte, deren 
fommende NMeugeftaltung in Ihren Werken, verehrter Herr, fo hHinreifend 
febendig ift, zunäcft der grundlegenden Erneuerung im Wefjen und der Kraft 
deg Subjektiven bedarf, um TZatfache werden zu fönnen. Immer enger ver, 
webt fig dem f{chauenden SGedankenblick diefe Zweiheit, die in Seele und 
Intelleft ihre SGeftaltungsorgane befigt, zur neuen, höheren Einheit der 
tommenden Wirklichkeit, Und immer tiefer empfand ich die wunderbare 
Sewißheit im Verlaufe diefer NMiederfchriften, daß ein großer Augenblick 
neuer, fachlicher Gemeinfamfeit zwijden beiden gefommen, der fih gleichfam 
hier zu einem fchriftlidhen Zeugnig verdichtete und damit als Tatfache der 
Gegenwart anfündigt. 
Aus ihr werden die Künftigen den Neubau der Zukunft vollenden nad) den 
swingenden Sefjeben der Seelennatur. Sie kommt heute als Weltenrichter, 
der dem Werdenden die große, an manden Stellen verfhobene Hauptrichtung 
und jedem Wefen fein verdunfeltes Ur-Zeil wieder bringen wird. Denn wir 
[leben am Vorabend eines neuen — des jüngiten — Weltentages, Die See 
lendämmerungsperivde der Intellektgentwicdlung beginnt zu weichen. 
Bor allem aber wird daraus das Verhältnis zwircdhen den SGefchlechtern, wie 
zwijfchen den Völkern eine neue, finnbewußte Ordnung gewinnen, die jedem 
feinen Lebensanteil aug der inneren Notwendigkeit feines erfannıen Wefens 
zuerteilt, nicht länger mehr nach blindem, äußerlidhen Ermefjen und bes 
quemen Zwedmäßigfeitggründen fofflicher Irägheitgnormen, 
Denn aus einem neuen, vertieften Begriff des Männlihen und Weiblichen 
heraus bietet fih ung der Hauvtichlüffel zu den Dafeinsphänomenen, auch 
dem der Rafjen. 
Das Rätfel deg Männlichen und Weiblichen wie aller dualiftijhen Lebens: 
firömung Iöft fi ung in der innern Erfahrung einfirömender und ausftrö- 
mender Kraftwirkungen, wie fie den abfteigenden und auffteigenden Kreis 
linien der feelifchen Stromfräfte ent{pringen. Sobald ung an Stelle einftiz 
ger unmwirflicher Seelenbegriffe diefe Borftellung tatfächlicdher innerer Wirk 
lichfeit geläufig geworden, Iöfen fih ung fpielend die Welt und Zeitprobleme,
	        
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