Full text: Briefe einer Frau an Walther Rathenau

ften ausprägen, am Ddeutlichften flarzulegen und damit zu Iöfen. Aus dem 
äußeren Öleihnis des Gefchehens ergibt fid) hier eine volle innere Wahrheit, 
Im üblidhen Sprachgebrauch wurde hier nur die mechanifh-äußerliche Zeus 
gungstiat des Mannes als Aktivität bewertet, die in furzem Vorgang fih voll 
zieht, Diefem aber fteht ein monatelang weiter wirfender, innerer Schöpf- 
ungsaft aus weiblighen Energiequellen gegenüber bis zur Stunde der Geburt 
des lebenden Menfchen. 
Die hierbei meift in voller Anfpannung wirkenden innern UNebermindungs: 
fräfte der Förperlidhen und geiftigen Natur, erfordern ein Maß von Aktion, 
die fid) zwar nicht mechanifc äußert, aber als organifhe Zeugungstat eine 
äbermenfchliche Leiftung der Mutter umfaßt, Sie fteigert fidy mit jeder Stufe 
der menfchliden Wefensentfaltung, denn die Widerflände der Materie for: 
dern mit zunehmender Bewußtheit auch immer erhöhtere Willengaktivität, 
Dier beginnen die Orvßtaten des fünftigen Muttertums, mit deren Darle- 
zung id) diefen Brief befchließen will. 
Das fcheinbare äußerlich paffive Erdulden eines unabänderlidhen Zuftandes 
feßt zu feiner idealen VBewältigung, wie das SGedeihen des Kommenden fie 
braucht, in Wahrheit fortgefebte innere Aktion voraus und höchfte moralifde 
mie phyfifche Spannkräfte. Denn es handelt fich hier nicht nur um die unz 
bewußte Körperfhspfung, fondern mit zunehmender Menfchheitsentwiclung 
aud) um immer höhere Seelenfchöpfung und Seiftvererbung durdy die per 
iönlichen fittlidhen Wefens-, Willens: und Sedankenfräfte der Mutter. Selbft 
die primitivfte Frau aus dem Bolfe, fofern der mütterlihe Inftinkt noch un- 
gebrochen in ihr lebendig ift, fühlt fich dunkel um des werdenden Lebens willen 
zu mandjem AAft fonft weniger geübter Selbftbeherr{chung verpflichtet. Ste 
ahnt, daß ihr Tun und Laffen als heilfames oder unheilvolle® Erbe fih dem 
Sinde in ihrem Schoße überträgt. Um fo ent{heidender find die CFinwirkunz 
gen bewußten Frauenwillens und yperfönlicher Initiative geiftig und fittlig 
hocftehender Mütter. 
ADier beginnt dag Einbilden durd) den Sinn, das Einprägen entfcheidender 
Wirkungselemente in die ftofflide wie geiftige Geftaltung des Werdenden 
durch die Mutter, 
An diefem allerwicdtigften Urgrund der Menfchheitgentwiclung {ft man feit- 
her mit blindem Auge vorüber gegangen. Unvorbereitet, den wiNlfürlichtten
	        
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